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„Wir könnten ganze Stadien voll machen“

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Von: Thorsten Remsperger

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Im gelb gepunkteten Outfit: Cricket-Akteure des Main-Sport-Clubs Frankfurt in einem Spiel der European Cricket League in Malaga.
Im gelb gepunkteten Outfit: Cricket-Akteure des Main-Sport-Clubs Frankfurt in einem Spiel der European Cricket League in Malaga. © FOTO: European Cricket Championship

Der Main-Sport-Club Frankfurt wurde schon Deutscher Meister und spielt auf europäischer Bühne. Er hat aber keinen eigenen Platz.

Frankfurt – Es gibt viele Sportarten, die in Deutschland unter dem Radar laufen. Eine davon ist Cricket. In einigen Gegenden auf der Welt wie etwa im Herkunftsland England zählt das dem Baseball ähnliche Spiel dagegen längst zum Nationalsport und hat dort eine vergleichbare Popularität erlangt wie hierzulande der Fußball. Vor allem in vielen Commonwealth-Regionen wie Indien, Pakistan, Bangladesch, Südafrika oder Australien kann Cricket eine Welle der Begeisterung auslösen.

Beim Main-Sport-Club (MSC) Frankfurt wird das Ziel verfolgt, die Resonanz am Cricket-Sport im Rhein-Main-Gebiet und über deren Grenzen hinaus zu erhöhen. Erste sportliche Weichen sind bereits gestellt worden. In diesem Jahr haben die Frankfurter zum ersten Mal an der „European Cricket League“ (ECL) teilgenommen, die im Februar und März im spanischen Malaga ausgetragen wurde. Die ECL ist vergleichbar mit der UEFA-Europa-League im Fußball.

Für die ECL hatte sich der MSC im Vorjahr mit dem Gewinn der deutschen Meisterschaft qualifiziert – es war der bislang größte Erfolg der noch jungen Geschichte des erst 2017 gegründeten Vereins, der mit dem Frankfurter Cricket Club einen Lokalrivalen hat, den es schon seit fast 40 Jahren gibt. Er ist auf dem Sport-Uni-Gelände in Ginnheim beheimatet.

Wer behauptet, der MSC Frankfurt hätte bei der European Cricket League, bei der jeweils nur ein Verein pro Land mitspielen darf, ganz gut abgeschnitten, der untertreibt maßlos. Der MSC war zur Überraschungsmannschaft des Turniers schlechthin avanciert und führte Deutschland zum ersten Mal ins Rampenlicht auf der internationalen Bühne. „Wir waren selbst sehr überrascht, wie erfolgreich wir bei der European Cricket League gespielt haben. Das hätten wir uns niemals ausgemalt“, sagt MSC-Manager Zafar Khan zu den außergewöhnlich starken Leistungen seiner Mannschaft.

In Malaga waren sie „Sieger der Herzen“

Die Frankfurter gewannen sämtliche fünf Gruppenspiele und scheiterten dann knapp im Playoff aufgrund einiger verletzungsbedingter Ausfälle – und auch des fehlenden Spielglücks wegen. Gegen den schwedischen Vertreter Alby Zalmi wurde mit nur einem Punkt verloren. „Das war eine ganz bittere Niederlage, aber wir waren in Malaga die Sieger der Herzen“, beteuert Khan.

Enttäuscht musste wirklich niemand über das Ausscheiden sein, denn der Rahmen des Events und die damit verbundene Aufmerksamkeit war riesengroß und ließ zudem vor Ort „viele neue Kontakte zu den anderen Mannschaften und Managern entstehen“, wie der MSC-Macher berichtete. Das europäische Turnier wurde von vielen großen Sponsoren unterstützt und war noch nie zuvor in vergleichbar großem Rahmen abgewickelt worden.

Genau an diesem Punkt zeigt sich das größte Problem für Cricket in Deutschland im Allgemeinen sowie beim MSC Frankfurt im Speziellen: Es fehlen die Sponsoren und damit die Aufmerksamkeit, um die Sportart auf die nächste Stufe zu bringen – generell benötigt Cricket hierzulande eine organisiertere und professionellere Struktur. „Zurzeit existiert noch kein Profi-System in Deutschland, aber das wird noch alles kommen, weil Cricket ganz stark im Aufschwung ist und auch international immer mehr Beachtung findet“, ist sich Khan da ganz sicher.

Aktuell ist die Situation bei den Frankfurtern verglichen mit anderen Sportarten eines Deutschen Meisters unwürdig. Obwohl sie leistungsorientiert und erfolgreich Cricket auf höchstem Niveau spielen, hat der Verein keine eigene Spielstätte. Vor gut zwei Jahren erklärte sich Viktoria Sindlingen bereit, dem MSC eine Rasenfläche anzubieten. Dort hat das Team einen Käfig gebaut, um Schläge üben zu können. Bei schlechter Witterung und im Winter wird in der Sporthalle in Kalbach trainiert. Provisorisch schlugen und warfen die Batter und Bowler auch schon in Ginnheim ihre Bälle.

Vom Sportamt nicht wertgeschätzt

Ein eigener Platz würde vieles erleichtern, sagt Khan. Vom Sportamt Frankfurt gibt es laut Aussagen des Managers „nur leere Versprechen“ und „kein Interesse daran, eine Sportstätte zu bauen“ – ganz abgesehen von der Finanzierungsfrage. Es fehlen jegliche Sponsoren, die den Verein bei diesem Projekt – und auch generell – unterstützen würden.

„Eine Kooperation mit einem Verein wäre unfassbar hilfreich, um Sponsoren zu gewinnen und einen Platz zum Spielen zu haben – auch um zu zeigen, wie erfolgreich wir sind und wie groß das Interesse an Cricket ist“, erklärt Khan. „Wir könnten ganze Stadien voll machen.“

In der Gruppenphase der noch Monate andauernden deutschen Meisterschaft im „50-over“ hat sich der MSC Frankfurt vorzeitig für die Zwischenrunde qualifiziert. „Wenn alles gut läuft und alle gesund bleiben, werden wir wieder um die Meisterschaft kämpfen“, steht für Khan fest. Dafür müssen die Spieler reichlich Kondition mitbringen. In der Disziplin „50-over“ dauert eine Partie bis zu sechs Stunden.

Wenn Batter mit Bowlern konkurrieren – das ist Cricket

Der Main-Sport-Club (MSC) Frankfurt wurde 2017 von einigen Hobbyspielern gegründet. Ein Jahr später haben sich die Frankfurter dann offiziell als Verein eintragen lassen. Viele Cricket-Communitys – wie auch die in Frankfurt – bilden sich durch Spieler aus den Commonwealth-Regionen, häufig Indien, Pakistan oder Bangladesch, die aus beruflichen Gründen oder als Einwanderer nach Deutschland gekommen sind.

Der MSC besteht aktuell aus rund 100 Mitgliedern, von denen mehr als die Hälfte aktive, leistungsorientierte Sportler sind. Bevor sie 2020 die Trainingsmöglichkeit bei Viktoria Sindlingen bekamen, trainierten sie 2017 auf einer Rasenfläche der Anlage des SC Riedberg mit. Allerdings wurde diese Zusammenarbeit vonseiten Riedbergs nach einiger Zeit wieder aufgelöst, weil der Sportclub die Fläche für den eigenen Trainingsbetrieb benötigte.

Wer Lust hat, Teil des MSC zu werden, der kann sich per E-Mail unter msc.frankfurt@gmail.com melden. Kommen genügend Interessenten zusammen, wird ein Schnuppertraining vereinbart. Weitere Informationen gibt es auch online auf der Club-Homepage (https://mscfrankfurt.de/).

Cricket – auch Gentleman’s Sport genannt – funktioniert vom Spielprinzip her ähnlich wie Baseball. Es wird auf einem großen, ovalen Rasenplatz gespielt, dabei dreht sich alles um das Duell zwischen dem Schlagmann (Batter) und dem Werfer (Bowler). Wie auch beim Baseball, versucht der Werfer den Schlagmann zu Fehlern zu bewegen, damit dieser ausscheidet. Der Schlagmann hingegen versucht den Ball möglichst weit und hoch zu schlagen, um Punkte (Runs) zu erzielen. Der Batter läuft jedoch nicht wie beim Baseball über vier Punkte um den Platz, sondern nur zwischen zwei Posten hin und her.

FYNN HORNBERG

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