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Der sensible Hesse, den die Chinesen fürchten

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Er zeigte eine Top-Leistung, die aber nicht zum Weiterkommen reichte: der in Südhessen aufgewachsene Patrick Franziska.
Er zeigte eine Top-Leistung, die aber nicht zum Weiterkommen reichte: der in Südhessen aufgewachsene Patrick Franziska. © IMAGO/MaJo

„Fast wie in einem Fußballstadion“: Atmosphäre in der Ballsporthalle spornt Patrick Franziska mächtig an. Auch wenn’s beim Elite-Turnier in der Ballsporthalle nicht zum Sieg reicht.

Frankfurt -Sie haben gehörigen Respekt vor diesem groß gewachsenen, muskulösen, dreitagebärtigen Deutschen, der sie gleich in zwei Sportarten besiegen kann. Es war im Sommer 2019 in Johor Bahru in Malaysia, vor der Corona-Pandemie, als Turniere noch mit „Platinum“ oder „Diamond“ bezeichnet wurden. Patrick Franziska und mehrere chinesische Weltklassespieler im Tischtennis begegneten sich im Hotel-Pool.

„Sie kamen in voller Montur mit Badekappe und Schwimmbrille, waren voll des Lobes über meine Leistung im Becken und forderten mich zu einem Wettrennen auf“, erinnert sich der in der südhessischen Gemeinde Otzberg aufgewachsene Franziska. „Als ich gewonnen hatte, habe ich ihnen zugerufen, dass ich sie wenigstens noch im Schwimmen besiegen kann. Das fanden sie ganz lustig.“ Es sei gut zu wissen, merkt der deutsche Nationalspieler noch an, „dass es sich bei ihnen auch um Menschen handelt. Man denkt ja immer am Tisch, dass es Maschinen sind.“

In jenem Sommer hatte der inzwischen 31-Jährige kurz zuvor bei den Australian Open in Geelong die Nummer eins der Welt, Fan Zhendong, geschlagen. Im Tischtennis. 2022 dann auf seiner Siegesliste: Ma Long, wohl bester Spieler aller Zeiten, sowie Xu Xin, zehnfacher Weltmeister. Das geschafft zu haben, kann nicht mal Timo Boll von sich behaupten.

Derartige Erfolge gelingen Franziska, mit dem 1. FC Saarbrücken-TT aktueller Champions-League-Sieger, natürlich nicht ständig, sonst wäre er nicht an Position 28 der Weltrangliste. Es gibt auch Profis, die ihm, Silbermedaillengewinner mit dem Team bei Olympia in Tokio, weniger bis gar nicht liegen. Wie Lin Yun-ju.

Zum neunten Mal betrat Franziska mit dem 22 Jahre alten und dafür ganz schön abgebrüht spielenden Taiwanesen gemeinsam die Box, am späten Dienstagabend beim WTT Champions. Zum neunten Mal hat er sie als Verlierer verlassen. Aber noch nie so zufrieden mit sich selbst. „Wahrscheinlich war das heute meine in Anführungszeichen schönste Niederlage“, sagte Franziska, immer noch euphorisiert, nach eigenen Angaben aber auch „monsterenttäuscht“, kurz vor Mitternacht im Bauch der Ballsporthalle.

Die gut 1000 bis zum letzten Match des Tages ausharrenden Zuschauer, darunter Franziskas Eltern und einige Freunde, hatten für die ideale Atmosphäre gesorgt. Sprechchöre, teilweise abwechselnd von beiden Tribünenseiten, schallten durch die Arena.

„Die Stimmung war überragend, fast wie in einem Fußballstadion. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Ich hatte richtig Gänsehaut im Spiel“, freute sich der Hesse, der Frida Karlsson, Schwester des schwedischen Spielers Kristian Karlsson, geheiratet und mit ihr einen Sohn hat.

Für ihn ungewöhnliche Jubelposen zeigte der sensible Rechtshänder. Früher wurde dem ebenfalls guten Doppel-Spieler übrigens nachgesagt, er zeige zu oft Nerven. Mit Mentaltraining hat er aber auch in dieser Hinsicht an sich gearbeitet. Den fünften Satzball hatte Franziska im ersten Durchgang zum 13:11 verwertet. Im zweiten Abschnitt dann lief er nach dem 12:10 unter dem Jubel der tobenden Zuschauer mit erhobenem Zeigefinger zur kurzen Besprechung mit Jörg Roßkopf. Der Bundestrainer coacht in Frankfurt alle Nationalspieler. Sicher, beim Fußball hört sich das noch mal ganz anders an, doch Tischtennisprofis spielen oft nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit, das muss man dazu wissen. Beim Grand Smash in Singapur neulich, einem Turnier der höchsten Kategorie, hatten sich nur vereinzelt Zuseher auf den Rängen verloren. Umso dankbarer sind die Profis über die Atmosphäre in Frankfurt. Selbst wenn die Zuschauer den Gegner anfeuern - auch die Spielerinnen und Spieler anderer Nationen können das bei dem Turnier mit Weltklassebesetzung nicht oft genug erwähnen.

Weltklasse erreichte der in Tokio beim Spiel um Bronze an Dimitrij Ovtcharov gescheiterte Lin Yun-ju auch ab Durchgang drei. Nach seiner Wende zum 11:9, 11:8 und 11:7 saß Franziska erst mal alleine auf der Trainerbank, in sich gekehrt. „Ich hatte mich so gefreut auf das Turnier in der Heimat und hätte so gerne noch mal gespielt“ - das darf im Achtelfinale gegen den Taiwanesen nun Nationalteam-Kollege Benedikt Duda an diesem Donnerstag (15.45 Uhr). Spielerisch sich zu verbessern, „so zu kämpfen“, das sei sein Ziel gewesen, immerhin habe er das geschafft. „Genauso werde ich weitermachen.“ Und vielleicht erinnert sich Bundestrainer Roßkopf ja bei seiner Nominierung für Paris daran, welchen Respekt chinesische Topspieler Patrick Franziska entgegenbringen.

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