Beim Kelkheimer Stadtteilverein, seit Jahrzehnten in Sachen Jugendarbeit in dieser Sportart einer der führenden Kräfte in der Region, absolvierte das Friedrichsdorfer Talent unter Trainer Tim Dreier dann nicht mal eine ganze Saison. Ehe die Corona-Pandemie alles lahmlegte. Glück im Unglück für die Botta-Kinder (auch Schwester Marlene spielt für die TSG): Der Verein blieb dran, bot seinen Jugendspielern via Video-Streams Trainingseinheiten an. „Zum Glück haben wir im Garten so viel Platz“, erzählt Max Botta. Zu zweit, manchmal auch mit dem Vater zu dritt, sei man immer am Ball geblieben.
Als es in der Halle endlich weiterging, sorgte der groß gewachsene, wurfgewaltige Friedrichsdorfer für Furore. Die B-Jugend-Hessenmeisterschaft wäre es fast geworden, wenn das Team von Thomas Scherer nicht großes Verletzungspech ereilt hätte. Auch Botta, der Torjäger, war angeschlagen.
In Münster war er wer. „Ein Typ. Wenn Max nicht mehr durch die Halle schlappt, wird etwas fehlen“, meint Konrad Bansa. Der Ur-TSGler trainiert Botta als Beachhandballer der U17-Nationalmannschaft. Kapitän Botta führte die deutsche Auswahl neulich in der Türkei auf Rang vier. Es war mehr drin. Seine Rote Karte im Spiel um Platz drei gegen Schweden kann das Talent immer noch nicht nachvollziehen. Solche Niederlagen nagen an ihm.
Botta spielte in seinem ersten B-Jugend-Jahr schon in der A-Jugend mit (unter Tim Dautermann), die gegen den späteren deutschen Vizemeister Füchse Berlin erst im Achtelfinale um die deutsche Meisterschaft ausschied. Gemeinsam mit Paul Ohl und Philip Würz - das erwähnt Max Botta explizit. Die stehen jetzt beim Bundesligisten VfL Gummersbach unter Vertrag.
Auf der anderen Seite des Spielfeldes damals: Max Beneke, Matthes Langhoff, Moritz Sauter. Das Berliner Trio zählt er deshalb auf, weil es neulich mit der deutschen U21-Nationalmannschaft Weltmeister wurde.
Über solche Handballer spricht Max Botta gerne. Viel lieber als über sich. Zu ihnen schaut er auf. Sie haben es schon geschafft. „Max ist sehr fleißig. Er hat ein Ziel vor Augen, dem er alles unterordnet. Für das er hart und konsequent arbeitet“, lobt Thomas Scherer, der ihn zwei Jahre lang trainierte. Mit dem Wechsel auf ein Sportinternat habe er die beste Entscheidung getroffen. „Wenn er in die richtigen Trainerhände kommt, kann aus ihm etwas werden“, sagt Scherer, Inhaber der A-Lizenz, er ist schon lange im Geschäft.
Als Botta im Dezember beim Länderpokal für die Hessenauswahl im Einsatz war, schauten wiederum Talentspäher genau hin. Der Friedrichsdorfer stellte sich als Kreisläufer ziemlich gut an. Vor allen Dingen gegen vermeintlich stärkere Konkurrenz wie die Auswahl Sachsens, mit den hoch angesehenen Internatspielern aus Leipzig, spielte er stark. Dabei warf er damals für die TSG Münster aus dem linken Rückraum seine Tore.
„Der erste Kreisläufer war verletzt, da haben mich die Trainer (Rastislav Jedinak/Bastian Dobhan, d. Red.) gefragt, ob ich mir das zutraue“, erzählt Max Botta, weiterhin unaufgeregt. Na klar, traute er sich das zu. „Man weiß ja als Rückraumspieler, wie sich der Kreisläufer bewegen sollte - kann man gut auf sich übertragen. Lücken reißen, Sperren stellen, so der Mannschaft helfen.“
Inzwischen hat der Friedrichsdorfer, der am 12. September seinen 17. Geburtstag feiert, dies auch im U17-Nationalteam getan, dreimal beim Länderturnier der „Ruhr Games“ in Duisburg, das der deutsche Nachwuchs im Juni gewann.
Mindestens genauso wichtig: In der Abwehr steht er seinen Mann. Die Defensivqualitäten fallen auch Trainer Scherer gleich als Stärke seines früheren Schützlings ein. „Ich find’s gut, den Gegner zu ärgern, ihm zu sagen ,Hier geht’s nicht lang‘ - das macht schon Spaß“, lächelt Max Botta. Papa Jens wird es gerne lesen. Vorgespielt hat sein Sohn schon längst bei großen Adressen des deutschen Handballs. Die kümmern sich spätestens seit der verpflichtenden Vorgabe für alle Bundesligisten, auch in der A-Jugend eine Mannschaft für die höchste Spielklasse aufzubauen, immer frühzeitiger um das Rekrutieren von Ausnahmetalenten, wie es der Philipp-Reis-Schüler aus Friedrichsdorf ist.
Der HSV Hamburg hat Verknüpfungspunkte ins Rhein-Main-Gebiet, Handball-Anhänger wissen das. Der Verein gewann mit Martin Schwalb, früher Trainer der SG Wallau/Massenheim, die deutsche Meisterschaft und Champions League, auf dem Feld wirbelte Pascal „Pommes“ Hens, der Weltmeister von 2007, in Mainz-Kastel aufgewachsen. Dann kam die Insolvenz, aber der HSV hat sich komplett neu aufgestellt, mit Schwalb, in Wallau „Schwalbe“ genannt, als Vize-Präsident und Torsten Jansen, ein weiterer 2007er-Weltmeister, als Trainer.
Die Gründe, weshalb sich der Jugendnationalspieler für den HSV und gegen den THW Kiel und weitere Leistungszentren entschied, sind ganz andere: „Dort ist das ganze Leben auf Handball und Schule abgestimmt.“ Max Botta sagt das, nicht weil er es sagen muss. Seine Eltern hören nicht mit. Er hält das in der Tat für sehr wichtig. „Seine Zielstrebigkeit zeigt er auch als Schüler“, weiß auch Trainer Scherer.
Sein Abitur wolle er unbedingt machen - mit einer Eins vor dem Komma, sagt Botta. Lieblingsfach: Mathe. Als Profi-Handballer habe man eben nach der Karriere längst noch nicht ausgesorgt, könne nur in seltenen Fällen so (unfassbar) viel Geld verdienen wie es viele, viele Fußballer tun.
Kreisläufer Henrik Pekeler, Europameister 2016, Ex-Champions-League-Sieger mit dem THW Kiel, ähnlich groß und recht schlank wie Max Botta, ist so einer - oder Sander Sagosen. Dem norwegischen Mittelmann, inzwischen vom THW nach Aalborg in Dänemark gewechselt, sieht der 16-Jährige sehr gerne zu. Wie setzt er seine Schritte? Wie springt er ab? Wie hält er seinen Arm oder das Handgelenk?
Sagosen ist ein Meister seines Fachs, entscheidet sich fast immer richtig. „Man lernt am meisten von Spielern, die besser sind als man selbst“, findet Botta.
Wenn er selbst kein Handball spielt, dann streamt er gerne Spiele. Oder er verbringt Zeit mit seiner Freundin Elsa Rother, ebenfalls eine Handballerin. Sie spielt bei der TSG Oberursel, bei den beiden hatte es beim Turnier mit der Bezirksauswahl im schwedischen Lund gefunkt.
Ab sofort führen die beiden eine Fernbeziehung. Maximilian Botta wird im Sportinternat sein WG-Zimmer beziehen. Seine Familie habe für ihn einen so großen Aufwand betrieben. Er selbst habe schon viele Opfer für seine Laufbahn gebracht, „auf viele Feiern verzichtet, alles Mögliche abgesagt, damit ich beim Handball sein konnte. Ich finde, jetzt muss sich das auch lohnen.“
Maximilian Botta ist übrigens nicht das erste Talent des SV Seulberg, das diesen Weg geht. Der gleichaltrige Johannes Kerker, mit ihm in der D-Jugend spielend, besucht seit zwei Jahren das Leipziger Handball-Internat, Tabea Frank, in der C- und B-Jugend mit der TSG Oberursel Hessenmeisterin, zieht es in die Sportschule nach Dortmund.
„Ich möchte es probieren, in die 1. Bundesliga kommen. Das ist mein Traum“, sagt Maximilian Botta. Dazu muss er gar nicht die Augen schließen.