Deutscher Meister - und kaum einer weiß es

Der Hockeyclub Bad Homburg hatte hohen Besuch. Im Leistungscamp trainierten Nationaltrainer und Nationalspielerinnen den Nachwuchs. Am Rande gab Jan-Philipp Fischer vom Mannheimer HC Einblicke in das Leben eines Bundesligaspielers.
Bad Homburg -Neulich hielt sich für mehrere Tage ein früherer Nationalspieler, langjähriger Bundesligaspieler und Kapitän des aktuellen deutschen Meisters in Bad Homburg auf. Auf der Louisenstraße dürfte Jan-Philipp Fischer aber unerkannt geblieben sein. Beim Hockeyclub im Sportzentrum Nord-West stellte sich das dann schon ganz anders dar. „Ja-Phi“, wie sie zu dem 30-Jährigen sagen, ist schon seit Jahren ein unverzichtbarer Teil des hochqualifizierten Trainerstabs in den Leistungscamps des HCH.
Vor Jahren hatte der damalige Bad Homburger Jugendtrainer Moritz Schneider beim Mannheimer HC erstmals angefragt, und Fischer nahm sich gerne Zeit, eineinhalb Autostunden entfernt sein Know-how an Kinder und Jugendliche weiterzugeben. Diesmal, so schildert Camp-Organisator Markus Schrick beeindruckt, habe Ja-Phi sich sogar Urlaub genommen. Auch wenn die Vergleiche zu König Fußball immer schief sind und hinken: Man stelle sich nur kurz einmal vor, ein Jugendtrainer eines Hochtaunus-Vereins würde beim FC Bayern anrufen und fragen, ob Manuel Neuer mal für eine Trainingswoche Zeit hätte. . .
Im Hockeysport ist die Welt deutlicher überschaubarer, es ist wie in einem eigenen kleinen Kosmos. „Unsere Gast-Coaches sind ganz offen“, erzählt Schrick, der im Bad Homburger Einspartenclub die U12-Jungs und neuformierten U8-Mädchen trainiert. „Und sie lassen es gar nicht raushängen, dass sie so gut sind.“
Was Nationaltrainer auszeichnet
Schrick erwähnt zuvorderst Peter Maschke, den Trainer der U18-Nationalmannschaft, der zuletzt im Oster-Camp den Nachwuchs in der Kurstadt anleitete. „Seine positive Ansprache“ und „dass ihn nichts aus der Ruhe brachte“, hatte nicht nur Schrick begeistert.
Beim jüngsten Leistungscamp für 60 Spielerinnen und Spieler der Altersklassen U10 bis U14 zählten Nicklas Benecke, Trainer der Mannheimer Bundesliga-Damen und des deutschen U18-Mädchennationalteams, sowie die U21-Nationalspielerinnen Aina Kresken und Paula Schröder zum Trainerstab. Und natürlich Ja-Phi.
Der Mannheimer Kapitän fühlt sich auf dem Bad Homburger Hockeygelände sichtlich wohl. Man kennt sich inzwischen. Auch zu Hause werde er auf der Straße manchmal von Kindern angesprochen, die er schon trainiert habe, oder von Balljungen, die bei den Bundesliga-Heimspielen (Zuschauerschnitt: 400) im Einsatz sind.
Aber sonst? Von einem Prominenten-Dasein ist Fischer weit entfernt, selbst in Mannheim, wo durch die seit Jahren rivalisierenden Bundesligisten TSV und MHC der Hockey nach Eishockey (Adler) und Fußball (SV Waldhof) wahrscheinlich Rang drei unter den populärsten Sportarten einnimmt.
„Es ist schon schade, dass man nicht so die Anerkennung wie in anderen Sportarten bekommt“, räumt Jan-Philipp Fischer, darauf angesprochen, ein. Als Hockeyspieler akzeptiere man das aber schnell. Und ohne Murren. „Es war ja noch nie so, dass wir Stars hatten.“ Sagt’s mit einem Lächeln. Überhaupt fühlt der Mann sich fast geschmeichelt, interviewt zu werden, so freundlich steht er Rede und Antwort.
Blondschopf Fischer, ein recht schmächtiger, aber umso ausdauernder Mittelfeldspieler hat ohne Übertreibung das Zeug zur Vereinsikone. In Heidelberg aufgewachsen, holte der spätere Meistermacher Peter Lemmen ihn schon als Zwölfjährigen mit seinem älteren Bruder zum MHC. Im darauffolgenden Jahr holte der legendäre Jahrgang 1991/92 den deutschen Jugendmeistertitel.
Aus den Talenten speiste sich später die Bundesliga-Truppe am Neckar im Stadtteil Feudenheim, außer dem sportlichen Niveau verbesserte sich auch die Infrastruktur dank großzügiger Sponsorengelder zusehends. Fischer wurde mit dem MHC 2017 deutscher Feldhockey-Meister und gewann im Januar dieses Jahres in Düsseldorf das Final Four um den deutschen Hallenhockey-Titel. Quasi unbemerkt von der Öffentlichkeit. Die Clubs streamen ihre Spiele auf YouTube selbst.
Inzwischen seien nur noch er und Danny Nguyen Luong aus der legendären Jugendmannschaft übrig. Fischer geht neben dem täglichen Hockeytraining inzwischen einem normalen Job nach. Er arbeitet als Betriebswirtschaftler bei der TSG ResearchLab, einer gemeinnützigen Tochtergesellschaft der TSG Hoffenheim, die wissenschaftliche Forschungen im Sport betreibt.
Profi? Nein, intensiver Leistungssportler
Auch während seines Studiums hätte er sich nie als Profi bezeichnet, sondern eher als intensiven Leistungssportler, sagt Fischer. „Man kann davon ja nicht seinen Lebensunterhalt verdienen.“ Das sagt er ganz ohne Groll, denn im Hockey leistet sich mancher Club durchaus Profis aus Übersee (wie der MHC den 32-jährigen Argentinier Guido Barreiros) - was aber unter den meisten deutschen Bundesligaspielern so akzeptiert werde, so Fischer.
Vielmehr klingt in seinen Worten die Dankbarkeit mit, dass er bei seinem Club eine finanzielle Unterstützung erfahre, die Spieler gewisse Vorteile genießen dürften. Sie bekämen Wohnungen gestellt, hätten die Chance, an Sportstipendien zu gelangen.
Er spricht es nicht aus, aber: Jan-Philipp Fischer empfindet es als ein Privileg, eine solche Sportkarriere erleben zu dürfen. „Mal sehen, wie lange noch“, lächelt er verschmitzt. Er befinde sich mit 30 ja schon in einem hohen Hockeyalter. Fürs Hockey-Camp in Bad Homburg würde er sich aber wieder freinehmen.
