Ein Novum in der Vereinshistorie der SGK

Die Riege der SGK Bad Homburg schafft doch noch den Aufstieg in die Regionalliga. Erfahrung ist Trumpf.
Kirdorf -Mit Fug und Recht kann man vom größten Erfolg im Mannschaftsturnen für die SGK Bad Homburg sprechen. Gebührend gewürdigt haben die Turnerinnen des Kirdorfer Traditionsvereins ihren Aufstieg als Nachrücker in die viertklassige Regionalliga aber trotzdem nicht. „Wir haben darauf gehofft, dass wir es noch schaffen, und es ist befreiend und eine schöne Belohnung für uns, dass es geklappt hat, aber viel Zeit zum Feiern gab es nicht“, sagt Trainerin Silvie Wentzell, „wir haben viel zu tun.“
Mindestens genauso herausragend wie die Leistungen der SGK-Riege in der vergangenen Saison - ungeschlagener Meister in der hessischen Landesliga I, Rang drei beim Aufstiegswettkampf in Hamburg - ist die Zusammenstellung des Teams. „Wir sind eine Erwachsenen-Mannschaft“, erläutert Silvie Wentzell.
Ja, und. . .? Diese Frage stellen sich womöglich jetzt Vertreter anderer Mannschaftssportarten. Im hochklassigen Kunstturnen dominieren jedoch oftmals Jugendliche oder zumindest Frauen, die noch nicht so lange die Volljährigkeit erreicht haben. Manche Nationen, in denen Training immer noch unter militärischem Drill abläuft, schicken Athletinnen auf die Weichbodenmatten, die eher wie Kinder wirken und nicht wie Frauen, die schon mitten im Leben stehen.
„Zehn bis zwölf Stunden sind es mindestens“
Dafür gibt es viele Gründe wie extreme Beweglichkeit und hohe Schwierigkeitsgrade bei den Übungen, die auf Top-Niveau erforderlich sind. Damit verbunden ist ein extrem hoher Trainingsumfang, der nicht mehr zu bewältigen ist, wenn Turnerinnen sich im Berufsleben befinden und/oder eine Familie gegründet haben. Bei der SGK Bad Homburg läuft das ein bisschen anders.
„Es geht ja auch nur um die vierthöchste Wettkampfklasse“, werden sich jetzt wieder manche denken. Diejenigen sind dann dementsprechend verblüfft darüber, wie häufig Turnerinnen (und Turner) auf diesem Niveau in der Halle stehen. „Zehn bis zwölf Stunden müssen es mindestens sein“, sagt Silvie Wentzell. An vier oder fünf Tagen. Pro Woche. Angesichts von Studentinnen, Auszubildenden und voll Berufstätigen in ihrer Mannschaft sei es schon eine Aufgabe, eine Saison zu koordinieren.
Silvie Wentzell: Mit 46 noch auf hohem Turn-Level
Die hochmotivierte Trainerin ist zuvorderst als Erfolgsgarantin zu nennen. Silvie Wentzell turnt im Alter von 46 Jahren noch mit. Die bundesweiten Konkurrentinnen in ihrer Altersklasse können an einer Hand abgezählt werden. Die Sport- und Englisch-Lehrerin der Bischof-Neumann-Schule in Königstein stammt aus Siegen, turnte für die Kunstturnvereinigung (KTV) Dortmund auch schon vier Jahre in der 1. Bundesliga. Ein Glücksfall für die SGK.
Über einen befreundeten Trainer kam die mehrfache deutsche Seniorenmeisterin mit dem Verein in Kontakt, der mit seiner modernen Vereinsturnhalle tolle Voraussetzungen fürs Turnen biete, zeigt sich Wentzell, die in Bad Soden wohnt, begeistert. Im April 2020 legte die Trainerin dann los - im ersten Corona-Lockdown zu keinem unbedingt günstigen Zeitpunkt. „Wir haben erst einmal mit Einzeltraining begonnen“, erzählt Wentzell, „es war gar nicht so einfach, etwas aufzubauen.“
Für ihre erste Wettkampfsaison in Kirdorf konnte die Trainerin im Vorjahr aus Frankfurt Angela Samardzic, Laura Schiewer, Kerstin Weil und Alisa Lang als Verstärkungen gewinnen. Gemeinsam mit Liina Kursawe, Corinna Seitz, Hanna Schiewer und Wentzell war die Riege in der hessischen Landesliga konkurrenzlos.
Als es jedoch im November in Hamburg um den Aufstieg ging, wirkte sich eine Regelung auf die Aufstellung der SGK aus: Es dürfen keine Akteurin eingesetzt werden, die in einer Saison schon für einen weiteren Verein in der Deutschen Turnliga (DTL/ab Regionalliga) gestartet sind. Also durften Hannah Schiewer, Seitz und Wentzell selbst, die alle mit Zweitstartrecht für Regionalligist TV Langen im Einsatz gewesen waren, im entscheidenden Wettkampf nicht an die Geräte. Dennoch befand sich die SGK, verstärkt durch Nina König vom TV Windecken, auf Tuchfühlung mit den späteren Aufsteigern WKG Neckarau/Haßloch und TSV Wernau, war beim Sprung, Stufenbarren und Boden jeweils Zweiter der Tageswertung.
Dass die Mannschaft aus dem Taunus jetzt doch noch erstmals einer Wettkampfklasse der DTL angehört, liegt am Rückzug von Erstligist SSV Ulm und Drittligist KTG Heidelberg. Dadurch kommt es in allen vier Ligen zu Nachrückern, in den beiden Regionalligen sind das die SGK (Nord) und der VfL Kirchheim II (Süd). Acht Mannschaften gehören jeder Staffel an, die sich an vier Wettkampftagen messen.
SGK: Heimwettkampf ist nicht möglich
Für die Kirdorfer Riege wird es im Mai bis zum TSV Buchholz in die Nähe von Hamburg gehen. Der Gastgeber für die Saisoneröffnung - sie ist bereits am 18. März - steht noch nicht fest. Nur so viel: Der Aufsteiger aus dem Bad Homburger Stadtteil wird es nicht sein, muss die dafür geeignete Sporthalle der Gesamtschule am Gluckenstein doch noch saniert werden.
So oder so: Silvie Wentzell ist guter Dinge. Denn ihre „Erwachsenen-Mannschaft“ wisse genau, was sie kann. Und erfahrene Turnerinnen verturnten sich seltener als junge Talente. „Eigentlich sollten wir gut genug sein, um die Regionalliga zu halten.“
Die Regionalliga-Aufsteigerinnen der SGK: Angela Samardzic, Laura Schiewer, Kerstin Weil, Alisa Lang, Liina Kursawe, Hanna Schiewer, Corinna Seitz, Silvie Wentzell, Nina König.