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Finn Kohlenbach: In zwei Welten durchgestartet

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Von: Thorsten Remsperger

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Diesmal hat er seine Laufschuhe mit den Spikes eingepackt und nicht den Football-Helm: Finn Kohlenbach vor dem Abflug ins Trainingslager des Deutschen Leichtathletik-Verbandes nach Florida.
Diesmal hat er seine Laufschuhe mit den Spikes eingepackt und nicht den Football-Helm: Finn Kohlenbach vor dem Abflug ins Trainingslager des Deutschen Leichtathletik-Verbandes nach Florida. © Jens Priedemuth

Gleichzeitig ein Punktegarant in der Football-Bundesliga und WM-Teilnehmer in der Leichtathletik zu sein, das geht doch nicht. Geht doch. Der Königsteiner Finn Kohlenbach berichtet von den zwei Sportlerherzen, die in seiner Brust schlagen.

Königstein -Wie man aus der Not eine Tugend macht, darin ist Finn Kohlenbach Weltmeister. Gemeint ist das zwar im übertragenen Sinne, demnächst könnte es theoretisch aber tatsächlich passieren: dass Finn Kohlenbach Weltmeister wird - bei den Welttitelkämpfen der Leichtathletik für die Altersklasse U20.

Dabei hatte sich der 18-jährige Königsteiner bis vor gut zwei Jahren aktiv noch gar nicht damit auseinandergesetzt, eine Stadionrunde zu Fuß so schnell wie möglich zurückzulegen. Er hatte höchstens seiner älteren Schwester Lara, ehemals deutsche Jugendmeisterin im Mehrkampf, bei der Leichtathletik zugesehen. Dann kam die Corona-Pandemie, in der viele Menschen aus den verschiedensten Gründen in Not gerieten.

Auch für Finn Kohlenbach öffnete sich im März 2020 eine Parallelwelt. In diese fühlen sich andernorts Menschen manchmal versetzt, die sich in häusliche Isolation begeben und auf viele Gewohnheiten verzichten müssen. Bei Kohlenbach ist der Vergleich mit den zwei verschiedenen Welten natürlich auf den Sport bezogen. Er begann sich binnen kürzester Zeit, zu einem der besten Sportler seines Alters in ganz Deutschland zu entwickeln - in zwei Disziplinen, die auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so viel miteinander zu tun haben: im American Football und dem 400-Meter-Lauf.

"Beides zusammen kann manchmal echt anstrengend sein, macht mir aber super viel Spaß", sagt Kohlenbach, der überdies vor kurzem seine Abiturprüfungen erfolgreich absolviert hat. Wenn man es genau nimmt, hatte der Blondschopf sogar vor der Corona-Zeit schon drei Sportarten ausgeübt: als Wide Receiver (Passempfänger) bei den Bad Homburg Sentinels, als Fußballer beim 1. FC-TSG Königstein und als Schwimmer bei der DLRG. Doch das Covid-19-Virus trieb mit den Menschen sein böses Spiel, und Sportler konnten sich von heute auf morgen nicht mehr zum Spielen treffen.

Das machte auch Finn Kohlenbach zu schaffen. Die Leichtathleten seien dann die Ersten gewesen, die wieder trainieren durften. Der da gerade 16-Jährige hielt es in seiner Freizeit zu Hause keinen Tag länger aus und ging ins Training auf die Sportanlage Altkönigblick. Beim Königsteiner LV konnte der Teenager freilich gleich mitmachen, ist dies doch der Verein, in dem sein Vater Markus und seine Mutter Katja seit Jahren Vorstandsarbeit leisten und seine Schwester Lara in ihrer Jugend so erfolgreich war.

Dass er schnell ist, das wusste Finn Kohlenbach, der in der Läufergruppe von Judith Wagemans, Sportliche Leiterin des KLV, seine ersten "Gehversuche" als Leichtathlet unternahm. Sein Talent war unübersehbar und wurde später von Robert Schieferer weiter gefördert. Der Coach von Kohlenbachs jetziger vereinsübergreifender Trainingsgruppe sah auf der Stadionrunde das meiste Potenzial. Die 200 Meter läuft der Sprinter aber auch.

Schon 6 Touchdowns in der GFL Juniors

Unterdessen hörte Kohlenbach als Kicker und Schwimmer auf - das wäre dann wirklich des Guten zu viel gewesen - und wurde auch beim Football immer besser. Sein dortiger Trainer Martin Laumann sieht in ihm einen der besten Passempfänger der gesamten Jugend-Bundesliga. Kohlenbach hat mit seinen sechs Touchdowns (bei vier Einsätzen) keinen geringen Anteil am Höhenflug des Neulings der GFL Juniors, der sich in sechs Saisonsiegen aus sechs Spielen widerspiegelt. Nicht nur das: Einen internen Team-Award bekam der Wide Receiver schon überreicht, weil er sich auch im zwischenmenschlichen Bereich in der so großen Football-Gruppe (rund 75 Spieler im Kader) verdient gemacht hat. Der 18-Jährige erwähnt das in seiner Rede nicht. Bescheidenheit ist für ihn eine Zier. Und neben der Schnelligkeit das Durchhaltevermögen die große Stärke des Finn Kohlenbach. Mehrere Male fuhr er nach dem Unterricht an der Bischof-Neumann-Schule in Königstein ans Leichtathletik-Leistungszentrum an der Hahnstraße in Niederrad, um mit dem Üben anzufangen - danach ging's nur eine Autofahrt später direkt auf dem Sportgelände in Ober-Eschbach mit Helm weiter.

"Der eine Trainer freut sich, dass ich schneller werde, der andere, dass ich härter werde", lächelt Kohlenbach. Wettkampfhärte kann er freilich auch in der Leichtathletik gebrauchen, in der er in seiner ersten richtigen Saison (2021) gleich auf sich aufmerksam machte. Platz vier bei den deutschen U18-Meisterschaften in Rostock: Sogleich hievten ihn die Verbandstrainer in den Bundeskader.

In diesem Jahr platzte bei ihm der Knoten auf der Tartanbahn dann genau im richtigen Moment: Mitte Juli bei der U20-DM in Ulm. "Ich hatte in den Wettkämpfen davor immer das Gefühl, dass da noch mehr geht", sagt Kohlenbach. 47,60 Sekunden bedeuteten für ihn im Vorlauf eine persönliche Bestzeit. Im Finale war der Königsteiner dann nur fünf Hundertstelsekunden langsamer und wurde Vierter (und danach über die 200 Meter noch Fünfter).

Am Sonntag nominiert, freitags geht der Flug

Quasi als Vorleistung hatten die Bundestrainer schon die deutsche Staffelmeisterschaft über 4 x 400 Meter auf dem Zettel, die er im Mai mit seinen KLV-Jungs erreicht hatte. Also bekam Finn Kohlenbach sonntags zugerufen, dass er darauf folgenden Freitag nach Florida fliegen soll: mit der Auswahl des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, ins Trainingslager bei Tampa Bay. Danach geht's weiter nach Cali in Kolumbien, dort steigt dann vom 1. bis 6. August die U20-WM.

Finn Kohlenbach hofft wie noch zwei weitere Vereinskollegen auf einen Einsatz. Es wäre sein erster auf internationalem Paket. Zu gerne würde er das Finale erreichen. Entweder gleich zu Beginn in der Mixed-Staffel oder am Ende der Meisterschaften klassisch über 4 x 400 Meter. "Das hat unser schneller Jahrgang drauf." Die anderen Disziplinen verfolgen zu können, die Teamkollegen kennenzulernen und anzufeuern - alleine darauf freut sich der Abiturient aus dem Taunus immens.

Finn Kohlenbach: "Fürs Halbfinale bin ich wieder zurück"

Aufgrund dieser "einmaligen Gelegenheit" habe er sich punktuell und schweren Herzens für die Leichtathletik entschieden. Am 31. Juli (15 Uhr) empfängt sein Football-Team der Sentinels zum vermeintlichen Saisonhöhepunkt Titelverteidiger Cologne Crocodiles im Viertelfinale um die deutsche Meisterschaft. Er wird es also verpassen. "Fürs Halbfinale", lächelt Finn Kohlenbach, "bin ich dann ja wieder zurück."

Falls daraus nichts wird, hat der junge Mann aus der Burgstadt dann ja die Saison 2023 vor der Brust. Er gehört dem jüngeren A-Jugend-Jahrgang an, kann in seinen beiden Lieblingssportarten also den nächsten Anlauf in der Altersklasse nehmen. Mit dem gleichen Trainingspensum? Das sei kein Problem, sagt Finn Kohlenbach, der in die Berufswelt erst einmal als Praktikant hineinschnuppern möchte, ehe er sein Wirtschaftsstudium beginnt. Wenn dann noch aus der Tugend keine Not wird, sprich den jungen Mann Verletzungen ereilen, ist davon auszugehen, dass er weiter durchstartet. Ob als Wide Receiver oder als Sprinter.

Biegt auf die Zielgerade ein: Finn Kohlenbach als Sprinter des Königsteiner LV.
Biegt auf die Zielgerade ein: Finn Kohlenbach als Sprinter des Königsteiner LV. © IMAGO/Beautiful Sports
Auf dem Weg zum Touchdown: Finn Kohlenbach im Trikot der Sentinels.
Auf dem Weg zum Touchdown: Finn Kohlenbach im Trikot der Sentinels. © zibart.de

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