1. Startseite
  2. Sport
  3. Regionalsport

Wie Franziska Baist zur Rekordläuferin wurde

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Thorsten Remsperger

Kommentare

Die Bad Homburgerin Franziska Baist vor dem Start eines Rennens in Pfungstadt.
Die Bad Homburgerin Franziska Baist (Startnummer 176) vor dem Start eines Rennens in Pfungstadt. © BEAUTIFUL SPORTS/R. Schmitt via www.imago-images.de

Sie hat erst fünf Marathons absolviert und war im Oktober in Frankfurt so schnell, wie keine andere Athletin aus dem Hochtaunus vor ihr. Wie macht die Bad Homburgerin Franziska Baist das? Porträt einer Fulltime-Jobberin und – wie sie selbst sagt – „Hobbyläuferin“.

Bad Homburg – Dem Hammer-Mann ist Franziska Baist bisher immer erfolgreich davongelaufen. Auf dem Messegelände, unweit der Festhalle, dort, wo im Oktober der Marathon startet, verrichtet die menschliche Figur seit 1991 ihre Arbeit, unablässig schlägt sie mit einem Hammer gegen ein Werkstück.

„Hammering Man“ heißt das Kunstwerk von Jonathan Borofsky eigentlich, freilich nennen die Frankfurter eines der Wahrzeichen ihrer Stadt lieber „den Hammer-Mann“. Weitere stehen übrigens in Basel, San Diego und Seoul. Borofsky bezeichnete die von einem Motor angetriebene Skulptur einmal als „symbol for the worker in all of us“. Und: Die Bewegung des Hammers verbindet für ihn Verstand und Hände: „We all use our minds and our hands to create our world. I like to say that between the mind and the hand, there is the heart.“

Zwischen Gedankenwelt und Handeln, da liegt das Herz. Ein Bild, das Franziska Baist gefallen würde. Laufen ist für sie eine Herzensangelegenheit, „eine Leidenschaft“, wie sie sagt. Die 31-jährige Läuferin der SGK Bad Homburg könnte fast als Kind des Frankfurt Marathons bezeichnet werden, wenn sie sich nicht erst als erwachsene Frau dazu entschlossen hätte, die 42,195 Kilometer in der Mainmetropole zu bewältigen.

Vor gut sieben Jahren wartete sie erstmals am Hammer-Mann auf den Startschuss. Bei der letzten Durchführung Ende Oktober lief sie fast eine Stunde schneller als bei ihrer Premiere, hatte nach 2:49:04 Stunden das Ziel in der Festhalle erreicht und stellte damit nicht nur einen Kreisrekord für den Hochtaunus auf (der immerhin 18 Jahre lang bestanden hatte). Sie war die viertschnellste Deutsche im kompletten Teilnehmerfeld, kam auf Rang 21 aller Starterinnen. Eine erstaunliche Entwicklung.

Wenn die zierliche Athletin beim Interviewtermin in einem Bad Homburger Café vom „Mann mit dem Hammer“ erzählt, dann meint sie etwas ganz anderes als ein Kunstwerk: einen unter Ausdauerläufern berüchtigten, imaginären Gegenspieler. Denjenigen, vor dem sich alle „Marathonis“ fürchten. Denn wenn dessen Hammer fällt, unangekündigt, ganz plötzlich, von jetzt auf gleich, streikt der Körper, dann geht’s nicht mehr weiter.

Franziska Baist hat noch keine Bekanntschaft mit ihrem persönlichen Hammer-Mann gemacht. Das sagt viel aus über die Laufbahn der gebürtigen Osthessin und auch die Herangehensweise an ihr Hobby. Sie, an jenem Vormittag dezent in Schwarz gekleidet, vor einem Cappuccino sitzend, bezeichnet sich selbst gern als „Hobbyläuferin“. Sie verdiene damit schließlich kein Geld, gehe vielmehr einem Fulltime-Job nach. Sie ist als Abteilungsleiterin für die Personalbetreuung beim Gesundheitskonzern Fresenius in einer führenden Position. „Hobbyläuferin“, das ist aber ein dehnbarer Begriff.

Verstand, Handeln, Herz

Das Laufen ist für Baist nämlich viel mehr als eine sportliche Betätigung. Es verbindet den Verstand und das Handeln mit ihrem Herz. Womit wir wieder bei Jonathan Borofsky angelangt wären. Und bei Petra Wassiluk. Die zweimalige Olympiateilnehmerin (über 5000 Meter in Atlanta 1996, über 10 000 Meter in Sydney 2000) entwirft seit Jahren ihre Trainingspläne, berät sie als Coach. Mit der 53-jährigen Darmstädterin trifft sie sich zu Belastungstests, zusammen fahren sie bis zu dreimal pro Jahr in den Urlaub. Man könnte auch Trainingslager sagen, wenn es nicht immer auch um Land und Leute ging. „Eine gute Freundin“ sei Wassiluk für sie geworden, erzählt Baist.

Gefallen am Laufen hat sie einst über ihre Eltern gefunden. Daheim in Steinau an der Straße haben ihre Mutter Sabine und Vater Günther fleißig trainiert. Gerade Günther Baist scheute sich nicht vor Herausforderungen, lief den Hamburg-Marathon unter drei Stunden, nahm an Ultraläufen mit vielen Höhenmetern teil, natürlich am Brüder-Grimm-Lauf.

Sie habe als kleines Mädchen bei dem heimischen Etappenrennen immer an zwei Händen abzählen können, auf welchem Platz der Papa gelandet war, erinnert sich Franziska Baist lächelnd. Damals war sie noch Turnerin, joggte aber irgendwann mit den Eltern mit. So nahm alles seinen Lauf.

Franziska Baist: Erst Schnauftreff, dann Marathon

Nach ihrem berufsbedingten Umzug 2010 nach Bad Homburg, wo sie ihr duales Studium an der accadis-Hochschule und bei ihrem jetzigen Arbeitgeber absolvierte, trainierte sie fleißig weiter. Um nach der Arbeit im Dunkeln nicht immer alleine zu laufen, schloss sie sich dem „Schnauftreff“ in Oberursel an, wurde so auf das damalige Erststarterprogramm des Frankfurt Marathons aufmerksam, bewarb sich dafür auf Facebook – und erhielt einen Startplatz. „Dann musste ich auch teilnehmen“, schmunzelt Baist rückblickend.

Die halbjährige Vorbereitung ging sie dann mit Hilfe eines Marathon-Projektes des Veranstalters „motion events“ an – in einer Gruppe von Neulingen, mit Wassiluk als Trainerin. So begann die gemeinsame Zeit der beiden.

Noch gut kann sich Franziska Baist an ihr Debüt 2015 in Frankfurt erinnern, das sie die meiste Zeit gemeinsam mit einer Trainingpartnerin Seite an Seite absolvierte. „Wir hatten uns genau überlegt, was und wie viel wir an Verpflegung mitnehmen, welche Split-Zeiten wir einhalten wollten“, erinnert sie sich.

Franziska Baist: Mega-Verbesserung beim Re-Start

Danach folgten drei weitere Teilnahmen, die zweijährige (dennoch trainingsintensive) Corona-Pause – und das fabelhafte Ergebnis beim „Re-Start“ im Oktober, als sie erstmals unter drei Stunden blieb und ihre Bestzeit um mehr als 13 Minuten verbesserte. „Man muss Geduld haben und an sich glauben“, sagt sie zu ihrer sportlichen Entwicklung.

Inzwischen wird Franziska Baist von ebenfalls nicht so langsamen Männern, die sie überholt, anerkennend beklatscht. Oftmals besonders bejubelt, wenn sie einen Volkslauf als erste Frau beendet. Im vergangenen Jahr waren das beispielsweise die Halbmarathons in Offenbach, Egelsbach und Traisa, aber auch der heimische Brüder-Grimm-Lauf (was ihre Eltern besonders freute). Auf der Bahn war sie auch auf deutlich kürzeren Strecken unterwegs, sicherte sie sich die Kreismeisterschaft über 3000 Meter.

Noch mehr als all diese Erfolge bedeutet ihr aber das Gänsehautgefühl im Zielbereich in der Festhalle. Die Stimmung, die Musik das Licht, die Moderation. Mit einem Seufzer unterbricht die Bad Homburgerin ihre Rede. Sie könne kaum beschreiben, was dann in diesen Minuten alles in ihr vorgeht. So emotional alles. Sie freue sich auf jeden Fall schon aufs nächste Mal.

Nach Südafrika zum Lauftraining

Bis zum 29. Oktober ist es noch ein wenig hin, fünfmal pro Woche ist Baist aber derzeit schon wieder in der näheren Umgebung unterwegs, am liebsten nach der Arbeit, kommt auf insgesamt 50 bis 70 Kilometer. Das Pensum wird sich noch steigern, demnächst geht’s nach Südafrika, in einen von wahrscheinlich drei Laufurlauben in diesem Jahr.

Was sich seit ihrem Debüt nicht geändert hat: Der Frankfurter ist der einzige Marathon, den sie pro Saison absolviert. Freilich ist sie öfters bei mehreren, manchmal deutlich kürzeren Läufen am Start. Wie auch beim Offenbacher Mainuferlauf, wo sie die Streckenführung liebt – schnellere und langsamere Läufer kommen sich irgendwann entgegen – und ihren ebenfalls laufbegeisterten Freund Oliver bei der Siegerehrung kennenlernte.

Die Dosierung der Belastungen, Training mit Spaß und nicht aus Zwang und die Fokussierung auf nur einen echten Saisonhöhepunkt dürften Gründe dafür sein, weshalb Franziska Baist „bisher absolut Glück hatte“: Sie war noch nie verletzt. Deshalb ist sie bestimmt auch dem Hammer-Mann noch nicht begegnet. Und das kann gerne so bleiben.

Auch interessant

Kommentare