Er habe beruflich viel um die Ohren, verriet Jens mir im kurzen Plausch. Trainer sei er noch, zurzeit bei den Oberliga-Handballerinnen der HSG Mörfelden/Walldorf, er habe sein Wort gegeben, wolle helfen. Aber bald lege er eine Handball-Pause ein, es sei auch mal an der Zeit, sagte er. Lächelte. Und fuhr weiter.
Jens legte keine Handball-Pause ein. Natürlich nicht. Denn Handball war sein Leben.
Das wurde am Donnerstag in der Mehrzweckhalle in Wiesbaden-Auringen nochmals deutlich. Dort, wo seine Handball-Laufbahn begonnen hatte.
Draußen lag das Kondolenzbuch, es waren schon viele Seiten umgeblättert worden, alle mit Namen beschriftet. Drinnen saßen viele Menschen, bestimmt 300, sie füllten auf ihren Stühlen den Großteil der Hallenfläche aus. Familienangehörige, Freunde, vor allem Handballer, ehemalige und jetzige, Trainer, Vorstände, Schiedsrichter.
Die Menschen saßen andächtig nebeneinander, manche konnten es immer noch nicht glauben, alle schauten nach vorne. Auf ein großes Porträtfoto, auf dem Jens strahlte, wie er es oft tat. Ein bisschen so, als säße ihm der Schalk im Nacken. An der Wand ein Handballtor, mit einem großformatigen schönen Landschaftsbild darin.
Um ins Handballtor zu gehen, dazu müsse man schon ein wenig verrückt sein, mutmaßte Adriano Werner, der Redner der Trauerfeier. Hier, beim TSV Auringen, hatte sich Jens als Kind das erste Mal ins Tor gestellt. Als Schlussmann hinterließ er beim TV Idstein, TuS Dotzheim, der TSG Münster und TG Schierstein Spuren, bei der SG Wallau/Massenheim kam er sogar zu einem Bundesligaeinsatz.
Jens war für einen Torwart verhältnismäßig klein, dank akribischer Vorbereitung und guter Antizipation wusste er aber oft schon vor dem Wurf, wo der Ball landen würde. Er ahnte die Ecke, die der Werfer sich ausgesucht hatte. Das brachte manchen auf dem Spielfeld zur Verzweiflung.
Der Ehrgeiz, das Herzblut, die Hingabe zeichneten ihn, der als Finanzberater sein Geld verdiente, dann auch als Trainer aus. Er führte das Frauen-Team von TuS Kriftel bis in die Oberliga Hessen, trainierte die Männer der TuS Holzheim und TSG Münster, zuletzt die HSG Eppstein/Langenhain II. Zudem betreute er die A-Jugend bei der HSG Hochheim/Wicker und in Münster.
Jens war Motivator und Kritiker. Einer, der gerne für andere da war. Der viel für die Mannschaft, die Gemeinschaft tat, auch außerhalb des Spielfeldes. Er forderte aber auch viel ein, vor allem von sich selbst. Ruhe fand er eher selten. In der Familie, beim Wandern.
Das Schöne an einem Mannschaftssport wie Handball ist, dass man sehr viele Menschen kennenlernt, mit denen man eine Gemeinsamkeit teilt. Und wenn man im Laufe des Lebens Abstand gewinnt, bleiben diese vielen Bekanntschaften. Man grüßt seinen ärgsten Gegner. Mancher Spieler wird sogar ein Freund fürs Leben. Und mancher ist ein guter Gesprächspartner. So wie es Jens bei unserem letzten zufälligen Treffen war. Wie immer.
So wird er mir in Erinnerung bleiben. Vielen wird er so in Erinnerung bleiben. Jens Illner verstarb plötzlich und unerwartet im Alter von 51 Jahren.