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Macht das Sinn? Überfüllte Spielplätze, aber leere Sportplätze

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Allein auf weiter Flur: Johannes (links) und Elias, D-Jugendliche der DJK Bad Homburg.
Allein auf weiter Flur: Johannes (links) und Elias, D-Jugendliche der DJK Bad Homburg. © Joachim Storch

Mehrere Vereine aus dem Hochtaunus haben schlüssige Trainingskonzepte erarbeitet, doch die Politik bleibt stur. Die Vereinsvertreter wünschen sich wenigstens einen Dialog.

Hochtaunus -Jürgen Jänsch hat schon vieles probiert. Er hat sich an die Stadt Bad Homburg gewandt, mit dem Gesundheitsamt des Hochtaunuskreises Kontakt aufgenommen. Das Hygienekonzept seines Vereins für den Trainingsbetrieb liegt den Behörden vor. Auch beim hessischen Ministerium des Innern und für Sport hat sich der Fußball-Jugendleiter von DJK Bad Homburg erkundigt. Doch eine verbindliche Information, wie viele Kinder derzeit auf dem Sportgelände am Kirdorfer Wiesenborn trainieren dürfen, hat er immer noch nicht.

Er habe absolutes Verständnis dafür, dass Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus getroffen werden müssen. "Man kann doch nicht alles, was die Bewegung und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen fördert, einfach auf Eis legen", kritisiert Jänsch jedoch.

Was ihn am meisten störe: Es finde keine Kommunikation zwischen den Entscheidungsträgern und den Vereinen statt. Dabei klingt die Fragestellung recht simpel. Auf der Homepage des Landes Hessen ist es für alle nachzulesen. Dort heißt es: "Freizeit und Amateursport kann ... auf Sportanlagen im Freien oder in gedeckten Anlagen (Sporthallen, Kletterhallen, Schießsportanlagen etc.) lediglich alleine, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand stattfinden."

Die Regel, die seit November gültig ist, lässt aber einen Spielraum. Was, wenn mehrere Kleinstgruppen mit je zwei Personen, die nicht vermischt werden, auf einer weitläufigen Sportanlage trainieren und dabei genügend Abstand halten? Wenn die Sportler zudem erst in ihrem mit Flatterband abgetrennten Bereich die Masken abnehmen? Wenn die Sportler mehrere Ein- und Ausgänge auf das Gelände nutzen, gleich nach dem Training wieder nach Hause fahren oder abgeholt werden, außer dem Trainer niemand auf die Anlage darf, die Umkleidekabinen und das Vereinsheim geschlossen bleiben?

Passant beschwert sich, Vereine zurückgepfiffen

Nach diesem Hygienekonzept trainierte die DJK, bei der 340 Nachwuchskicker angemeldet sind, schon mit mehreren Zweier-Teams gleichzeitig in diesem Winter auf der Sportanlage am Wiesenborn. Ein ähnliches Modell wurde in Bad Homburg auch vom Hockeyclub im Sportzentrum Nord-West praktiziert. Die Jugendfußballabteilung der Spielvereinigung 05/99 Bomber hatte überdies Kinder und Jugendliche für die Sportanlage an der Sandelmühle eingeteilt und wollte kürzlich mit dem Outdoor-Training wieder starten.

Die Stadt hatte die Konzepte der Vereine auch genehmigt - bis sich ein Passant beschwerte und das Kreisgesundheitsamt verständigte. Daraufhin habe laut dem Bad Homburger Rathaussprecher Andreas Möring die Stadtpolizei keine andere Wahl gehabt, als den Übungsbetrieb in dieser Form zu verbieten. Das Training sei auf den Sportplätzen im gesamten Kreis nicht gestattet, hieß es dann in einer E-Mail vom Hochtaunuskreis an die DJK.

Das ist jetzt rund zwei Wochen her. Seitdem treffen sich nur noch zwei Kicker gleichzeitig auf der Anlage. Sie verfügt über drei Plätze mit einer Größe von mehr als 15 000 Quadratmetern.

Wie Sportanlagen für das Training genutzt werden könnten, werde derzeit geprüft, sagt Andrea Nagell, Sprecherin des Hochtaunuskreises. Klar sei, dass man sich an die Verordnung des Landes Hessen halten müsse. Gesundheitsdezernent Thorsten Schorr und auch die Rechtsabteilung befassten sich mit dem Thema.

In Tennishallen dürfen mehr Sportler sein

"Ich habe Verständnis, dass der politische Druck groß ist", sagt Tobias Wuttke, Sportlicher Leiter der Jugendabteilung des Hockeyclubs Bad Homburg mit 350 Nachwuchsspielern. Eine genauere Betrachtungsweise sei aber essenziell, es dürften nicht pauschale Verbote für Mannschaftssportarten ausgesprochen werden.

Wuttke rechnet vor: "Wir haben eine Anlage, die ist so groß wie 20 Tennisfelder. Dort dürften laut den jetzigen Regeln 40 Tennisspieler gleichzeitig spielen. Bei uns aber nur ein Zweier-Team oder eine Familie." Obwohl das Training auch noch unter freiem Himmel stattfinde, wo es keine Gefahr durch Aerosole gebe. Trotzdem dürfte jedes aktive Mitglied nun nur alle sechs Wochen für einmal 30 Minuten auf den Platz.

Unverständlich sei eine solche Regel, sagt Wuttke. Und sie sei frustrierend für alle Beteiligten. Es klingt angesichts des präventiven Hintergrundes der Verordnung paradox: "Die Gesundheit der Kinder wird total vernachlässigt", meint Wuttke.

Der American-Football-Club Bad Homburg Sentinels, dessen Trainingsbetrieb Corona-bedingt noch ruht, erntete auf Facebook schon viel Zustimmung für seinen Appell. "Bei allen gebotenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, müssen wir Kinder und Jugendliche wieder auf den Platz bekommen", fordert Vorstand Maximilian Schwarz. Mehr als 100 Teenager spielen bei den "Wächtern" Football. Die Vereine seien in der Lage, ein sicheres Umfeld zu schaffen, sagt Schwarz. So habe es vergangenes Jahr zwar viele kritische Stimmen gegeben, als der Trainingsbetrieb wieder begonnen habe. "Am Ende haben wir nur noch positives Feedback erhalten."

Möller: "Das verstehen immer weniger"

Sportkreis-Chef Norbert Möller hat "vollstes Verständnis" für die Vereine. Die Politik müsse sich endlich über den Vereinssport vernünftige Gedanken machen. Was da gemacht werde, verstünden immer weniger. "Uns gehen immer mehr Jugendliche flöten, ein ganzer Jahrgang wird im Wettkampfsport einmal fehlen", sagt der Steinbacher. Die DJK vermeldete inzwischen schon 125 Vereinsaustritte.

Möller stellt nicht nur die Wichtigkeit von sportlicher Betätigung für den menschlichen Organismus, sondern auch die soziale Komponente heraus: Nach der harten Zeit im Lockdown könne man seine Vereinskameraden endlich einmal wiedersehen und sich austauschen.

Der Boss des Sportkreises mit seinen 260 angeschlossenen Vereinen geht sogar noch weiter: Auch Hallen könnten ein sicherer Ort sein. Es gebe so viele Möglichkeiten, nach den Hygienekonzepten zu trainieren, die von den Vereinen erarbeitet worden seien, sagt der ehemalige Handballer. Doch die Sporthallen des Hochtaunuskreises seien schon lange geschlossen.

Facebook-Videos, Online-Petition

Die Fußballabteilung der DJK plant nun, über die Sozialen Medien einen Film zu veröffentlichen, in dem junge Mitglieder zum Ausdruck bringen, wie sehr ihnen das Training fehlt. Ähnliches plant der Hockeyclub. Verbunden mit einer Online-Petition. Der Titel der Social-Media-Kampagne: "Bewegt euch!"

Was sich die umtriebigen Bad Homburger Vereine als Erstes wünschen, ist eine Perspektive. "Dass man in Dialog mit den Vereinen tritt, die ein gutes Konzept haben", fordert Hockeyfunktionär Tobias Wuttke. "Lasst uns doch alle an einen Tisch setzen und ein Best-Practice-Modell entwerfen", meint auch Fußballfunktionär Jürgen Jänsch. "Das wäre ein sinnvolles Miteinander."

Extra: In Frankfurt wird mit bis zu acht Zweier-Teams trainiert

Während es im Hochtaunuskreis noch keine Entscheidung zum Vereinstraining unter freiem Himmel gibt, treiben in Frankfurt unter Beachtung der Hygiene- und Abstandsregeln schon wieder mehr Kinder auf einer Anlage Sport. Einer der Vereine, die dieser Zeitung bekannt sind, hat das Sportgelände in acht Zonen eingeteilt, in denen je zwei Spieler miteinander trainieren können, die mit anderen Duos dadurch nicht in Kontakt kommen. Pro Spielfeldhälfte übt höchstens ein Zweier-Team. Für die Aufteilung sind Rasenplatz, Kunstrasen, Kleinfeld, Tartanbahn, ein weiteres Rasenstück und eine Betonfläche am Vereinsheim berücksichtigt worden. Insgesamt befinden sich also höchstens 16 Spieler gleichzeitig auf der Sportanlage, die in festen Zweier-Gruppen trainieren, dazu kommen bis zu drei Übungsleiter. Der Verein hatte sein Konzept bereits im November den Behörden vorgestellt. Nach Aussagen des Frankfurter Gesundheitsamtes, schildert ein Vereinsvertreter, verstoße man nicht gegen Auflagen. Wie sensibel das Thema ist, beweist die Tatsache, dass der Funktionär weder seinen Namen noch den seines Vereins in der Zeitung lesen möchte. 

KOMMENTAR von Thorsten Remsperger: Der Amateursport hat keine Lobby

Der arktischen Kälte folgte der vorgezogene Frühlingsbeginn: Endlich können die Menschen ihrem Bewegungsdrang wieder draußen nachgehen. Vor allem Kinder und Jugendliche sehnten sich in der schwierigen Zeit des zweiten Lockdowns in der Corona-Pandemie danach. Auf Spielplätzen, Bolzplätzen, Parks und Grünanlagen war in den vergangenen Tagen die Hölle los. Nur die allermeisten Sportanlagen, die beste Voraussetzungen dafür böten, Sport zu treiben, bleiben entweder leer, oder sie werden von lediglich zwei Sportlern genutzt.

Diese Regelung ist von den politischen Entscheidungsträgern am 2. November zur Eindämmung des Virus verordnet worden. Sie macht aber überhaupt keinen Sinn mehr.

Sportplätze bieten die idealen Voraussetzungen, um sich auch nach den geltenden Corona-Regeln sportlich zu betätigen. Große Areale können bestens in mehrere überschaubare Quartiere eingeteilt werden, in denen sich nur zwei Personen aufhalten. Sie kommen den anderen nicht zu nahe, können schon umgezogen zum Training erscheinen und danach gleich wieder heimfahren respektive abgeholt werden.

TZ-Sportchef Thorsten Remsperger
TZ-Sportchef Thorsten Remsperger © FNP

Das Infektionsrisiko wäre gleich null. Außerdem verweist nicht nur der Hessische Fußball-Verband auf eine Studie, dass unter freiem Himmel die nicht mutierte Version des Virus erst überspringt, wenn sich zwei Menschen 15 Minuten im Abstand von weniger als 1,5 Metern aufgehalten haben. Also auch größere Trainingsgruppen würden nicht wirklich eine große Ansteckungsgefahr bedeuten.

Wenn mehr Sportler wieder auf die Anlagen dürften, wäre das auch aus psychosozialer Sicht wichtig. Die Spieler könnten sich endlich wiedersehen, gemeinsam aktiv sein. Welche Befreiung das vor allem für Kinder und Jugendliche sein würde nach einem Schultag mit Maskenpflicht. Ihre Laune würde sich schlagartig verbessern – und die der Eltern automatisch auch. Ganz nebenbei könnten die Sportvereine ihren Mitgliedern, die inzwischen in Scharen abwandern, wieder etwas mehr bieten.

In Frankfurt wird das Modell, mit mehreren Zweiergruppen auf einer Sportanlage trainieren zu dürfen, geduldet. Das hessische Ministerium hat in seiner Verordnung für Freizeitangebote und Sport eine Grauzone gelassen. Aus den Formulierungen geht nicht eindeutig hervor, ob auf den weitläufigen Anlagen nur zwei Personen oder mehrere Zweiergruppen aktiv sein dürfen. Damit wurde die endgültige Entscheidung elegant den Kreisen und Kommunen überlassen. Das Land ist fein raus. Und der Bund sowieso.

Im Hochtaunus wirken die politischen Entscheidungsträger wie gelähmt. Sie sind, nachdem Vereinsvertreter längst darum gebeten haben und Nachbar Frankfurt vorgeprescht ist, immer noch nicht zu einer Lockerung für den Trainingsbetrieb fähig. Wie gesagt: Auf den Spiel- und Bolzplätzen der Region toben die Kinder munter miteinander. Dort ist das Infektionsrisiko viel höher als bei Kleinstgruppen auf riesigen Sportanlagen.

Dass Kinder und Jugendliche nach draußen strömen, um sich zu bewegen und sportlich zu betätigen, sobald es das Wetter zulässt, kommt alles andere als überraschend. Verschärft wird dieses Bedürfnis durch die Einschränkungen im zweiten Lockdown. Sich darauf einzustellen und nach alternativen Lösungen zu suchen, dafür war monatelang Zeit. Aber sinnvoll und verbindlich geregelt ist auf Landes- und Kreisebene für die meisten Amateursportler nichts.

Ungenaue Formulierungen und fehlende Flexibilität fallen bei den politischen Maßnahmen während der Corona-Pandemie nicht zum ersten Mal auf. Wenn es um den Amateursport geht, wird oft herumgeeiert. Das lässt folgenden Schluss zu: Der Sport und alles, was damit für die Menschen zusammenhängt, wird seitens der Politik zu wenig wertgeschätzt.

Die Präsidenten der Fußballverbände haben es in ihrem jüngsten Appell völlig richtig formuliert: Der organisierte Amateursport ist nicht Teil des Problems. Er ist ein Teil der Lösungen im Sinne der allgemeinen Gesundheitsförderung.

Dass dieses Thema in den vergangenen Wochen und Monaten brach gelegen zu haben scheint, ist umso unglaublicher, wenn man die neueste Zahlen des Statistischen Bundesamtes betrachtet: Alleine 7,3 Millionen Mitglieder in den deutschen Sportvereinen sind unter 18 Jahre. Und deren Eltern werden demnächst an die Wahlurne gebeten. Das sieht ganz nach einem folgenschweren Eigentor aus.

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