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Timo Boll geht hart mit sich ins Gericht

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Zufriedenheit sieht anders aus: Timo Boll nach dem Aus beim Champions Turnier in der Ballsporthalle.
Zufriedenheit sieht anders aus: Timo Boll nach dem Aus beim Champions Turnier in der Ballsporthalle. © IMAGO/Ostseephoto

Der deutsche Star ist beim Champions-Turnier in Frankfurt schon raus. Seine siebte Olympiateilnahme ist in Gefahr.

Frankfurt -Es dauerte lange, bis wieder ein Lächeln den Weg ins Gesicht von Timo Boll gefunden hatte. Wenn auch nur Galgenhumor dafür sorgte, aber immerhin.

Hart war der erfolgreichste deutsche Spieler der Tischtennis-Geschichte mit sich schon im Kurzinterview am schwarzen Court in der abgedunkelten Frankfurter Ballsporthalle ins Gericht gegangen, vor den rund 3000 Zuschauern vom Moderator des Turniers World Table Tennis (WTT) Champions direkt zu seiner 1:3-Niederlage gegen Lee Sang Su befragt. „Ich hätte mir schon ein bisschen mehr von mir gewünscht, ich bin sehr enttäuscht“, sagte der 42-Jährige nach dem 6:11, 11:7, 8:11, 4:11 gegen den neun Jahre jüngeren Koreaner.

In der Mixed-Zone machte Boll vor den Journalisten so weiter. Viel zu hastig habe er gespielt, zu früh zu viel gewollt, den Touch nicht gehabt, die Bälle nicht gespürt. „Das ist dann zu wenig.“

Blass um die Nase, richtig mitgenommen sah der frühere Weltranglistenerste aus. Bis die Rede auf Helmut Hampl kam, jenen Trainer, der das außergewöhnliche Talent des Odenwälders schon erkannte, als der „Bub“ noch für den TSV 1875 Höchst spielte. Hampl saß beim womöglich hochkarätigsten Tischtennis-Turnier, das es bisher auf deutschem Boden gegeben hat, gestern nach langer Zeit wieder mal bei einem Boll-Match an der Box. Aus Schwalbach hat es der inzwischen 70-jährige Meistertrainer ja nicht weit in den Frankfurter Westen. „Vom Helmut kriege ich wahrscheinlich erstmal einen Anschiss für das, was ich da fabriziert habe“, sagte Boll - und da war es, das Lächeln.

Was der Familienvater in seiner schonungslosen Analyse nicht ansprach, war seine dreimonatige Pause im Frühjahr. Durch viele verletzungsbedingte Täler ist der Rekord-Europameister (acht Titel) und älteste Weltranglistenerste der Geschichte (zuletzt im März 2018) schon gegangen, aber selten durch ein so tiefes - die Schulter. Hinzu kam vor kurzem eine Corona-Erkrankung, die Boll sich bei einem Turnier in China eingefangen hatte. Sie ließ nur eine gut einwöchige Vorbereitung zu. Boll hatte als Weltranglisten-68. für Frankfurt eine Wildcard erhalten.

Formtechnisch sei er noch nicht so gut drauf, aber fit fühle er sich schon, sagte Boll. Bei den vielen kurzen Ballwechseln hätten die ihren Liebling unverdrossen lautstark mit „Timo, Timo“ anfeuernden Fans durchaus Gegenteiliges annehmen können. Boll, 75 Kilometer Luftlinie von seinem Odenwälder Zuhause entfernt spielend, war bei seinem „Heimspiel“ doch einige Male bei Angriffsschlägen des Koreaners sehr weit von einem Konter entfernt, hatte im vierten Satz mehrere schnelle Winner kassiert.

Boll ist raus, nur eine halbe Stunde dauerte das. Schnell kann es bei diesem Format einer der weltweit hochkarätigsten Turnierserien im Tischtennis gehen. Noch bis Sonntag spielen die weltbesten Männer und Frauen um ein Preisgeld von 500 000 Euro und um wichtige Weltranglistenpunkte im Hinblick auf die Olympischen Spiele. Die Champions der beiden 32er-Felder werden im K.o.-System ermittelt. Bei den Männern fehlen nur fünf der besten 30. Aus den Top 10 gehen acht an den Start, inklusive der Chinesen Fan Zhendong, dem Ersten des Rankings, und Ma Long, den viele für den besten Tischtennisspieler aller Zeiten halten.

Um sich nach Bolls Scheitern einen neuen Liebling auszusuchen, hat das Publikum die Qual der Wahl. Sabine Winter ist im Auftaktspiel mit 3:0 gegen Linda Bergström ins Achtelfinale eingezogen, am Abend gewann der Weltranglisten-Achte Dimitrij Ovtcharov gegen den Portugiesen Marcos Freitas überzeugend mit 3:1 (11:9, 8:11, 11:7, 11:6). Weitere deutsche Spieler sind an diesem Montag an der Reihe, zum Beispiel Ruwen Filius (um 15.45 Uhr gegen Mattias Falck/Schweden). Europameister Dang Qiu (14.) trifft in einem weiteren Bundesliga-Duell auf den Slowenen Darko Jorgic (20.10 Uhr). Am Dienstag greift mit Patrick Franziska (26.) ein weiterer Hesse um 21.20 Uhr gegen Lin Yun-ju (Taiwan) ein.

Timo Boll wird das Abschneiden der Nationalteam-Kollegen mit Interesse verfolgen. Nur zwei können in Paris im Einzel spielen, immerhin drei in der Mannschaft. Olympia ist Bolls großes Ziel, dort konnte der zweimalige WM-Dritte bei sechs Teilnahmen noch keine Einzelmedaille gewinnen. „Heute war das keine gute Empfehlung von mir“, sagte Boll, „aber zum Glück wird nicht morgen nominiert.“

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