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Tischtennis: Durch den Terminstress bleibt viel auf der Strecke

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Küsschen für Tochter Emma: Dimitrij Ovtcharov bekommt in der Ballsporthalle Unterstützung von der Familie. Wenn er spielt, erlebt er das wegen seiner vielen Termine im Ausland selten.
Küsschen für Tochter Emma: Dimitrij Ovtcharov bekommt in der Ballsporthalle Unterstützung von der Familie. Wenn er spielt, erlebt er das wegen seiner vielen Termine im Ausland selten. © IMAGO/MaJo

Die Reform des internationalen Tischtennis-Turnierkalenders ist umstritten und sorgt bei manchen Spielern, Trainern und Ausrichtern für Unzufriedenheit. Wir haben beim WTT Champions in Frankfurt ein Meinungsbild eingeholt.

Frankfurt -Endlich konnte Dimitrij Ovtcharov einen Sieg mit seiner Tochter feiern. Das WTT Champions in Frankfurt und der Feiertag am Mittwoch in Nordrhein-Westfalen machten es möglich. Die Ovtcharovs wohnen in Düsseldorf, auf den einjährigen Sohn passten die Großeltern auf. „Emma sollte nicht morgen in der Schule erzählen müssen, dass ihr Papa verloren hat“, sagte die deutsche Nummer eins im Tischtennis nach dem zweiten Erfolg beim Elite-Turnier in der Ballsporthalle überglücklich.

Nach dem Herzschlag-Achtelfinale gegen den Schweden Mattias Falck (11:9 im fünften und letzten Satz) gab’s unter dem Jubel der knapp 3000 Zuschauer ein Küsschen für Ehefrau Jenny, dann für Emma. „Ich habe beim Spiel erst zu Jörg geguckt für die Taktik (Bundestrainer Roßkopf saß als Trainer an der Box, d. Red.) und dann zu meiner Tochter, um mir positive Emotionen zu holen“, schilderte der zweimalige Bronze-Medaillengewinner des olympischen Einzelwettbewerbs. So schön sei es, nach langer Zeit wieder ein solches Turnier in Deutschland zu haben. „Hier sind so viele Leute mit einer so großen Sportbegeisterung - das ist echt toll“, schwärmte der 35-Jährige.

Emma ist sieben, war aber erstmalig live dabei - dass ihr Papa so nah der Heimat spielt, ist nämlich selten. Ovtcharov steht bei keinem deutschen Bundesliga-Club unter Vertrag, sondern bei Olympiakos Piräus und dem TTC Neu-Ulm, der nach einem Zerwürfnis mit dem Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) nur an der Champions League teilnimmt. Der gebürtige Ukrainer jettet um den Globus - vor allem um sein Ranking (8), auch im Hinblick auf die Spiele in Paris, weiter zu verbessern.

Tischtennis: Weltrangliste belohnt Vielspieler

Anders als früher belohnt das Weltranglistensystem die Vielspieler. Lange Verletzte wie Timo Boll (68.) haben es schwer, wieder nach oben zu kommen. Was den Topspielern wiederum durch die Reisestrapazen fehlt, ist kontinuierliches Training, um auch in Topform zu kommen. Für zwei Spiele nach China, für eine Partie in den Oman, das sei wegen des K.o-Modus bei den WTT-Turnieren schon hart, sagte Ovtcharov. World Table Tennis (WTT) ist eine Tochtergesellschaft des Weltverbandes ITTF, mit der dieser in der Pandemie begann, den internationalen Terminkalender zu reformieren. Mit teuren Turnieren, die für die Fans einen Show-Charakter haben.

Tolle Show, aber kein Ertrag

Das Problem in der Post-Corona-Zeit: Die Veranstalter - die Rede ist von einer siebenstelligen Investition für ein Event - erzielen keine Gewinne. Termine werden recht kurzfristig angesetzt oder gecancelt. Insgesamt bot WTT in diesem Jahr 14 Turniere für die Weltspitze an. Bisher gab es pro Saison nur einen von vier geplanten „Grand Smash“, dem Turnier der höchsten Kategorie (2023 im März in Singapur).

„Der Terminkalender ist eine Katastrophe“, kritisierte Bundestrainer Roßkopf kürzlich. Die Einrichtung einer Task Force mit erfahrenen Fachleuten im Welt-Tischtennis regte der Dieburger an. Er selbst ließ sogar die Team-Europameisterschaft in Schweden aus, um mit Ovtcharov, Dang Qiu und Patrick Franziska in Düsseldorf endlich wieder intensiv trainieren zu können. Quasi eine Saisonvorbereitung im September.

Roßkopf, Boll: „Wichtig ist die TTBL“

Wichtig sei auf jeden Fall die Bundesliga (TTBL). Für europäische Spieler schon alleine, um sportlich von den Asiaten nicht abgehängt zu werden, pflichtet auch Timo Boll dem Bundestrainer bei. Auf dem Youtube-Kanal des DTTB wies der frühere Weltranglistenerste auch darauf hin, dass die meisten Spieler immer noch den Großteil ihres Gehalts bei ihrem deutschen TTBL-Verein verdienen, „das vergessen viele“.

Demgegenüber steht eine recht niedrige Antrittsprämie bei den WTT-Turnieren. In Frankfurt (Gesamtpreisgeld: 500 000 Euro) sollen es 4250 Euro pro Spielerin und Spieler sein. Wer dafür für eine Woche um die halbe Welt fliegt, für den bleibt nicht mehr so viel übrig.

Umso mehr wird in Spieler- und Trainerkreisen die Trendwende beim DTB seit dem Amtsantritt von Präsidentin Claudia Herweg vor knapp zwei Jahren befürwortet. Durch ihre Kontakte holte die vorherige ITTF-Führungskraft ein Turnier des zunächst vom deutschen Verband harsch kritisierten WTT nach Frankfurt. „Wir wollen und wir müssen den Sport wieder hier auf die Landkarte bringen mit einem Großereignis“, meint auch Roßkopf. Finanziell ist das Event in Frankfurt abgesichert. So sei es mit dem WTT vereinbart, sagte Herweg im Interview mit dieser Zeitung. Derweil zeichnet sich ein Erfolg ab. 20 000 Tickets habe man bisher abgesetzt, das Finalwochenende sei quasi ausverkauft, sagte Herweg.

WTT Champions: 2024 wahrscheinlich auch in Frankfurt

Das wird auch die Spieler freuen. „Am liebsten würde ich alle zwei Wochen gegen die Besten der Welt spielen“, sagte Patrick Franziska, „solche Spiele bringen dich voran.“ Und am liebsten auf deutschem Boden. Die gute Nachricht für ihn und die enthusiastischen Tischtennis-Fans: Eine Wiederholung des WTT Champions ist laut der DTTB-Präsidentin für 2024 vertraglich vereinbart. „Wahrscheinlich wieder in Frankfurt.“

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