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Tristesse beim Blick auf die Weltrangliste

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Nummer 87 der Welt und damit schon zweitbeste deutsche Spielerin: Anna-Lena Friedsam.
Nummer 87 der Welt und damit schon zweitbeste deutsche Spielerin: Anna-Lena Friedsam. © dpa

Bei den Bad Homburg Open ereilte alle deutschen Tennis-Spielerinnen das Erstrunden-Aus. Unser Autor betreibt Ursachenforschung.

Bad Homburg -Wäre Tennis ein reiner Mannschaftssport, würden die deutschen Spielerinnen zur erweiterten Weltspitze gehören. Für die Endrunde der Top 12 des Billie-Jean-King-Cups hatte sich die Tennis-Nationalmannschaft mit einem 3:1-Sieg gegen Brasilien qualifiziert. Auch als Gute-Laune-Truppe zeichnete sich die Equipe von Rainer Schüttler im April in Stuttgart aus - für den Teamchef und Schlusssiegerin Anna-Lena Friedsam gab’s im Pressegespräch von euphorischen Mitspielerinnen eine Mineralwasserdusche.

Mit Blick auf die Weltrangliste steht das deutsche Damen-Tennis jedoch so schlecht wie lange nicht da. Tatjana Maria ist auf Rang 58 die beste Spielerin ihres Landes. 22 Nationen stellen mindestens eine höher eingestufte Akteurin. Bei den Bad Homburg Open, dem letzten WTA-Turnier auf Rasen vor Wimbledon, ereilte jetzt alle drei deutschen Spielerinnen das Erstrunden-Aus.

Nah dran am Achtelfinale war Friedsam. Im Match gegen die Ägypterin Mayar Sherif ließ die Neuwiederin, Nummer 87 der Welt, ihr Können als Angriffsspielerin immer wieder aufblitzen. „Spielerisch bin ich voll da“, sagte die 29-Jährige, die bereits seit 2011 Profi ist, aber immer wieder durch Verletzungen zurückgeworfen wurde (unter anderem zwei Schulter-Operationen). „Es ist eine Frage der Konstanz“, meinte Friedsam, die bisher zwei WTA-Turnierfinals erreicht hat. „Du brauchst Ergebnisse, egal wie. Wenn man länger im Turnier bleibt, kommt auch das gute Gefühl, das dich trägt.“

Andrea Petkovic, die nach ihrem Karriereende die größten Talente des Deutschen Tennis-Bundes als Mentorin begleitet, weiß, was den jungen Spielerinnen wie Jule Niemeier (23), derzeit 120. der Weltrangliste, noch fehlt. Größter Punkt neben spielerischen Steigerungsmöglichkeiten sei absolut das Mentale, sagte Petkovic in Bad Homburg, wo sie sich mit einem Show-Match von den Tennis-Fans verabschiedet hatte. „Petko“ meint nicht den Umgang mit Drucksituationen. „Es ist die Konzentrationsfähigkeit. Die wandert manchmal weg. Sie muss aber bei jedem Punkt da sein, um gegen die Besten der Welt bestehen zu können.“

Andrea Petkovic im Austausch mit Trainern

Die frühere French-Open-Halbfinalistin nutzte zur Erläuterung die ihr eigene Bildsprache: „Man bekommt gegen jede Spielerin das Fenster, über das man ins Match reinkommen kann. Doch je besser die Spielerin, desto kleiner das Fenster.“ Öfter war die Darmstädterin schon im Training von Talenten wie Eva Lys (21), tauschte sich auch mit deren sehr kooperativen Coaches aus. Neulich in Berlin sprang sie für die trainerlose Noma Noha Akugue (19) und Niemeier, deren Coach Christopher Kas einer anderen Verpflichtung nachkam, ein. „Wenn die Mädels jemanden brauchen, helfe ich gerne, ich habe ja die Gegnerinnen noch in meinen Notizbüchern“, sagte Petkotiv. Ambitionen für ein Traineramt hege sie aber nicht.

Beim WTA-Turnier in Berlin wurde „Petko“ am Court auch Zeuge der unglücklichen Verletzung Niemeiers. Nach einer bis dato verkorksten Saison hatte die Dortmunderin, der wegen ihres Potenzials grundsätzlich Größeres zugetraut wird, gerade mit einem Sieg gegen Titelverteidigerin Ons Jabeur aus Tunesien, Nummer sechs der Welt, ein Ausrufezeichen gesetzt. Sie musste jedoch nach einem Sturz auf die Hand im Achtelfinale aufgeben. Prompt war Petkovic als Seelenklempnerin gefragt.

Niemeier ließ Bad Homburg sausen und hofft, die Verstauchung ihres Handgelenks bis Wimbledon auszukurieren. Beim Grand-Slam-Turnier im Londoner Stadtteil hatte sie im Vorjahr aufhorchen lassen. Ausgerechnet gegen Tatjana Maria, Teamkollegin aus der deutschen Guten-Laune-Truppe, schied sie im Viertelfinale aus. Ein großer Nachteil für beide: Wegen des Wimbledon-Verbots für russische Spielerinnen hatte die WTA entschieden, keine Weltranglistenpunkte zu vergeben. Niemeier und Maria hätten normalerweise bei den folgenden Turnieren viel bessere Perspektiven gehabt.

Sieht so aus, als müssten die deutschen Tennis-Fans erstmal noch auf die Routiniers hoffen. Tatjana Maria (35) hat sich für Wimbledon auf ihrem Lieblingsbelag Rasen wieder viel vorgenommen. Überhaupt würde sie gerne noch ein paar Jahre spielen. Die ehemalige Weltranglistenerste und junge Mutter Angelique Kerber (35) plant ihr Comeback für Januar.

Jule Niemeier - hier nach ihrer Aufgabe in Berlin - hofft, bis Wimbledon wieder fit zu sein.
Jule Niemeier - hier nach ihrer Aufgabe in Berlin - hofft, bis Wimbledon wieder fit zu sein. © IMAGO/Beautiful Sports

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