Warum deutsche Hockey-Asse immer vorne mitmischen

Sportprominenz auf dem Hockeyplatz im Sportzentrum Nord-West: Deutsche Meisterinnen leiten in dieser Woche den Nachwuchs an. Wir haben bei den Coaches im Ferien-Camp des HC Bad Homburg ein Meinungsbild eingeholt, weshalb Deutschland - im Gegensatz zu anderen Sportarten wie Fußball oder Leichtathletik - kontinuierlich mit den Nationalteams in der internationalen Spitze mitmischt.
Bad Homburg -Aina Kresken (23) und Paula Schröder (20) sind noch junge Bundesligaspielerinnen, aber schon Deutscher Meister. „Endlich“, sagen sie. Mehrere Male habe es für ihren Verein, den Mannheimer HC, in der Feldhockey-Bundesliga nur zum zweiten Platz gereicht. Ehe im Juni der Nervenkrimi gewonnen wurde: Sieg im Penalty-Shootout gegen den Club an der Alster.
Die beiden jungen deutschen Meisterinnen sind in der letzten Ferienwoche wie ihr Mannheimer Bundesliga-Kollege Jan Philipp Fischer, U18-Europameisterin Charlotte Hendrix und deren Teamkameradin Julie Pieper sowie John Elliott, Trainer des Erstliga-Aufsteigers bei den Männern, SC 80 Frankfurt, vom HC Bad Homburg engagiert worden. Ihre Aufgabe: 65 Nachwuchsspieler im Alter von neun bis 14 Jahren ein bisschen besser zu machen.
Beim Ferien-Camp im Sportzentrum Nord-West kommt natürlich auch der Spaß nicht zu kurz. Einmal ist die in Frankfurt-Eschersheim aufgewachsene Paula Schröder mit Mädels bei einer „Aufwärm-Polonaise“ zu fetziger Musik zu sehen. Allgemein sind Hockeyspieler und auch -trainer aber ziemlich ehrgeizig. Deshalb wurde ihr Verein zuletzt auch „nur“ zweimal Zweiter, wie Kresken und Schröder finden. Deshalb wurden jüngst der dritte und vierte Platz der Frauen- respektive Männer-Nationalmannschaft bei den Europameisterschaften vor heimischem Publikum in Mönchengladbach schon als Misserfolge gewertet. Medial, aber vor allem von den Spielern und Verantwortlichen selbst.
Die jungen Deutschen Meisterinnen, die sich in einer Trainingspause im Pressegespräch vor dem Vereinsheim auf der Clubanlage locker und aufgeschlossen präsentieren, können das gut nachvollziehen. „Wenn man genauer hinschaut, stecken in unserem Sport sehr disziplinierte und sehr ehrgeizige Menschen dahinter. Die müssen sich auch noch um Job und Studium kümmern und rocken das trotzdem“, meint Paula Schröder.
Wenn es bei der EM auch nicht zum Titel gereicht hat: Die deutschen Nationalteams haben in dieser Sportart ein Alleinstellungsmerkmal inne, das sie von anderen Mannschaftssportlern unterscheidet. Sie mischen kontinuierlich bei Großereignissen in der europäischen und internationalen Spitze mit - ob in der Jugend oder bei den Aktiven. Da dürften beispielsweise die derzeit einigermaßen erfolglosen deutschen Kicker schon neidisch sein.
Dank der Vereine kommen immer Talente nach
Dieses gewaltige Maß an Kontinuität ist nach Meinung des langjährigen Bundesliga-Spielers Jan Philipp Fischer (31), der im Vorjahr mit Mannheim Deutscher Meister geworden war, hauptsächlich ein Verdienst der Vereine. Aufgrund akribischer Nachwuchsarbeit an mehreren Standorten wie in Hamburg, Köln, Berlin oder dem Ruhrgebiet gebe es in der Jugend nie schwächere Jahrgänge, international werde auch in den U-Teams die erste Geige gespielt.
„Das ist schon sehr gut, was bei uns läuft“, sagt Fischer, wenn auch früher mit Laufschule und Athletik-Training begonnen werden könnte, um noch mehr Potenzial auszuschöpfen.
Auch John Elliott (36), ein gebürtiger Waliser, seit 2015 in Deutschland Profi-Trainer, ist von der Vereinslandschaft hierzulande begeistert. Alles sei gepflegter und auch profitabler als im Vereinten Königreich, wo Hockey allgemein ja als populärer einzustufen ist.
Was Elliott auch beispielsweise im Vergleich mit den Niederlanden, die führende Hockey-Nation in Europa, gut findet: „In den Vereinen wird langfristig gedacht. In Holland geraten Trainer nach zwei Niederlagen unter Druck. Da bist du schnell deinen Job los“, erläutert der Mann aus Cardiff, übrigens in fließendem Deutsch.
Auch Aina Kresken, 2022 mit der deutschen U21-Nationalmannschaft in Südafrika Vize-Weltmeister, und Paula Schröder, deren großes Ziel die nächste U21-WM im Dezember in Chile ist, loben ihren Verein. Die Miete für die Wohngemeinschaft bezahlt zu bekommen und einen gemeinsamen Kleinwagen nutzen zu können, sehen die Bundesligaspielerinnen nicht als selbstverständlich an.
Enorme Flexibilität im Studium
Auch das Spitzensport-Stipendium der Metropolregion Rhein-Neckar heben die beiden hervor. Die Unternehmerfamilie Klaus Greinert und die Dietmar Hopp Stiftung ermöglichen durch ihre Förderung ein Studium an der Universität Heidelberg, das auf die Profilaufbahn abgestimmt ist. Über eine Spitzensportbeauftragte können Studierende einen Tutor für individuelle Lerneinheiten zugeteilt bekommen, falls wegen Training und Wettkämpfen Stoff nachgeholt werden muss.
Die Flexibilität während des Studiums führt so weit, dass punktuell an anderen Universitäten gebüffelt werden kann. „Als wir letztes Jahr im Trainingslager in Barcelona waren, habe ich dort an der Uni eine Jura-Klausur nachgeschrieben“, erzählt Paula Schröder. Noch während des Abiturs war die Frankfurterin vom SC 80 nach Mannheim gewechselt, mehrmals die Woche mit dem ICE ins Training gedüst, Papa Oliver habe sie am späten Abend immer vom Hauptbahnhof abgeholt. „Alleine hätte ich das nie wuppen können.“
Auch die zweifellos leistungsfördernden Vereinswechsel der zweimaligen Jugendmeisterin Aina Kresken, erst mit dem Club Raffelberg in Duisburg (2014), dann mit HTC Uhlenhorst Mülheim (2017), sind so erst möglich gewesen. „Nur durch viel Unterstützung von den Eltern kannst du es bis zum Ende durchziehen.“ Ihr Ziel: ihrem Debüt im Frauen-Nationalteam weitere Einsätze folgen lassen.
Der Nachteil gegenüber anderen Top-Nationen
Der deutsche Hockeysport, da sind sich die Camp-Trainer auf der Bad Homburger Anlage einig, sei der von der Struktur her eigentlich gegen zentralistisch ausgelegte Fördersysteme wie in den Niederlanden (Amsterdam) oder Argentinien (Buenos Aires) klar im Nachteil. Die Hockey-Elite trainiere dort jede Woche zusammen. Umso wichtiger, so Aina Kresken, sei für deutsche Spieler das hohe Spielniveau in den Bundesligen - und nicht zuletzt der Ehrgeiz und die Disziplin, mit der jeder Einzelne seinen Traum verfolge. Denn vom Hockey leben können nur ganz wenige.
„90 Prozent der Bundesligaspielerinnen studieren“, sagt Paula Schröder, „zu einer solchen dualen Karriere gehören viel Wille, Disziplin und Organisation. Das muss man wirklich wollen.“
HCH-Jugend: Die zweitmeisten Meldungen in Hessen
Der HC Bad Homburg ist sozusagen als Verein hessischer Vizemeister. Was die Meldungen für die Feldhockeyrunde betrifft, sind 29 Jugendmannschaften hinter „Platzhirsch“ SC 1880 Frankfurt (36) der zweithöchste Wert in Hessen. Auf die Bad Homburger folgen SaFo Frankfurt (24 Jugendteams) und der MTV Kronberg (23). Alleine 20 Nachwuchsmannschaften des HCH spielen um die Hessenmeisterschaft. Laut Markus Schrick, Trainer der U 12 und U 14 des Clubs, streben mehrere Teams eine Endrundenteilnahme an. Das Gros des Einspartenvereins mit 577 Mitgliedern sind Kinder und Jugendliche: deren 353.
Die laufende Trainingswoche für die Jugend bezeichnete der HC Bad Homburg als „Hockey PUR Camp“. Es ist eines von mehreren Feriencamps im Jahr und dient der Saisonvorbereitung. Erneut gelang es Organisator Markus Schrick, mehrere Akteure aus der Bundesliga und Jugendnationalteams dafür als Trainer zu gewinnen.
