Gegner-Check: Borussia Mönchengladbach sucht noch die richtige Balance

Zu Hause hui, auswärts pfui: Diese Problematik spielt eine wesentliche Rolle bei unserem ganz besonderen Blick auf den nächsten Eintracht-Gegner.
Der Trainer: Was viele nicht über Dieter Hecking wissen: Der Mann war drei Jahre lang Polizeimeister, bevor er seinen ersten Profivertrag bei Borussia Mönchengladbach unterschrieb. Vielleicht erklärt das seine mitunter recht bestimmte Art und die grimmigen Gesichtszüge. Hecking, in Castrop-Rauxel geboren, hat aber auch eine hessische Vergangenheit. Zur Saison 1985/86 wechselte er zu Hessen Kassel in die 2. Bundesliga. Dort wurde der Mittelfeldspieler unter dem späteren Eintracht-Trainer Jörg Berger zusammen mit dem späteren Eintracht-Stürmer Lothar Sippel zum Leistungsträger und erzielte in 102 Zweitligaspielen 18 Tore. Er stieg mit dem Verein in die Oberliga Hessen ab und wurde 1989 Torschützenkönig dieser Liga.
In seiner Zeit in Kassel wurde Hecking hauptsächlich als offensiver Mittelfeldspieler und Stürmer eingesetzt. Der Mann kann also Angriffsfußball. Und so will er die Fohlen in dieser Saison, in der es endlich wieder einmal mit Europa klappen soll, mutiger galoppieren lassen. Über Jahre spielten die Gladbacher in einem 4-4-2 mit leichten Abwandlungen, nun hat Hecking ein 4-3-3 mit nur einem defensiven Mittelfeldspieler vor der Abwehr einstudiert.
Zu Hause klappt das mit dem Angreifen ganz gut. Sechs Punkte und 4:1 Tore aus zwei Spielen sprechen eine klare Sprache. Also, Eintracht: Obacht heute Abend. Auswärts klappt es aber gar nicht gut. Bestes Beispiel: das 2:4 in Berlin am vergangenen Samstag. Zu unkonzentriert, zu naiv arbeiteten die Gladbacher vor allem nach hinten. „Li-Ko-To“ taufte „Bild“ die Berliner Taktik: Flanke von links, Kopfball, Tor. So leicht war es, Borussia zu besiegen. „Wir wollen offensiv spielen. Aber das, was in Berlin passiert ist, damit haben wir uns keinen Gefallen getan“, musste der Trainer zerknirscht zugeben.
Heckings Kontrakt in Gladbach läuft nur noch diese Saison, Gespräche wurden auf einen späteren Zeitpunkt vertagt – hundertprozentiges Vertrauen sieht sicher anders aus.
Die Stimmung: Nach der deutlichen Niederlage in Berlin durchwachsen. Man könnte die Gladbacher Befindlichkeit auf eine platte Kurzformel bringen: zu Hause hui, auswärts pfui. Dabei hat man am Niederrhein tief in die Kasse gegriffen, um in der Liga besser abzuschneiden. Geschätzt mehr als 32 Millionen Euro investierte der fünfmalige deutsche Meister in neue Spieler. Allen voran der Franzose Alassane Pléa vom OGC Nizza, der Sportdirektor Max Eberl die Vereins-Rekordsumme von etwa 23 Millionen Euro wert war. Viel Geld – und damit auch viel Druck für Trainer Dieter Hecking nach Tabellenplatz neun 2017/18. Denn die Erwartungen aus dem Umfeld sind hoch. Fast 60 000 Menschen kamen Mitte August zum Familientag in den Borussia-Park. Die Fans fiebern nach zwei eher dürren Spielzeiten auf die Europacup-Qualifikation, was Eberl zu einer ironischen Aussage verleitete: „Wenn ich gefragt werde, was ich mir erhoffe, sage ich natürlich: Ich will deutscher Meister werden.“ Wollen ist das eine, Können das andere.
Der Kader: Im Tor Yann Sommer, hinten Matthias Ginter, im Mittelfeld Christoph Kramer, auf dem Flügel Thorgan Hazard, im Angriff Kapitän Lars Stindl, der nach seiner schweren Sprunggelenksverletzung noch nicht in den Kader zurückkehren wird, der momentan ebenfalls angeschlagene Spielmacher Raffael sowie Neuzugang Alassane Plea – die Gladbacher haben etliche Spieler mit gehobenem Bundesliganiveau im Kader. Sie haben aber auch Probleme: In der Abwehr fehlt nach dem 25-Millionen-Verkauf von Jannik Vestergaard zum FC Southampton eine Säule, im Mittelfeld ein Aufbauspieler mit feinem Füßchen.
Die Bilanz: Gladbach ist ein Gegner, der der Eintracht liegt. Die Frankfurter haben die letzten beiden Partien (darunter das spektakuläre und erst im Elfmeterschießen entschiedene Pokal-Halbfinale 2017) in Gladbach für sich entschieden und sind seit drei Spielen dort unbesiegt. 50 Punkte holten die Frankfurter bei ihrem Lieblingsgegner und 127 Zähler insgesamt gegen Gladbach – jeweils Vereinsrekord für die Eintracht.
Und das noch: Auf einem nicht ganz unwesentlichen Feld haben aber die Fohlen schon vor der Partie die Nase vorn. Die Eintracht hat zwar vor dem Spiel gegen Leipzig stolz ihr 60 000. Mitglied präsentiert. In Mönchengladbach gibt es allerdings immer noch ein paar mehr: über 83 000.
(rich)