Olympia 2022: „Du bist vor nichts sicher und gibst dich mit Haut und Haaren in deren Hände“

Kaum einer kennt Olympia so gut wie Georg Hackl. Die Rodellegende ist auch bei Olympia 2022 in Peking mit dabei. Die Skepsis vor den Olympischen Spielen in Peking ist groß, Hackl hat schlechte Erfahrungen gemacht.
Bischofswiesen/Peking - Auf den letzten Drücker hat es dann also doch noch geklappt. „Wir sitzen am Flughafen in Zürich”, lautete die kurze Nachricht von Georg Hackl am Dienstagnachmittag.
Eigentlich hätte es für die deutsche Rodellegende bereits am Samstag zu Olympia 2022 nach Peking gehen sollen, dann kam die Nachricht eines positiven Corona-Tests in seinem Umfeld.
Olympia 2022: Hackl fordert - „Man hätte diese Spiele verschieben müssen“
Dienstag war die Deadline. Hackl blieb negativ und fliegt jetzt also zu jenen Olympischen Spielen in China, die er stets äußerst kritisch betrachtet hat und das auch unmittelbar vor der Abreise nach Peking tut.
„Man hätte diese Spiele verschieben müssen. Tokio im vergangenen Jahr hat es doch vorgemacht. Unter den aktuellen Corona-Bedingungen ist diese gesamte Veranstaltung ein einziges Risiko“, betont der 55-Jährige im Gespräch mit chiemgau24.de.
Hackl zu Olympia: „Es ist die völlige Ungewissheit, die einen stets begleitet“
Hackl ist geprägt von Erlebnissen, die wie aus einer anderen Welt erscheinen. Im November waren die Rodler bereits in Yanqing, wo die Rodel-Wettbewerbe bei Olympia 2022 ausgetragen werden.
Dies hat Spuren hinterlassen. „Ich steige mit sehr gemischten Gefühlen in den Flieger nach Peking. Man weiß nicht, was einen vor Ort erwartet und ist den Gegebenheiten ausgeliefert. Es ist die völlige Ungewissheit, die einen stets begleitet“, schildert er seine Gefühlslage und präzisiert.
„Kommunikativ ist die Lage vor Ort höchst problematisch. Man ist nur von vermummten Gestalten in Marsmenschen-Kostümen konfrontiert. ,Gesprochen’ wird, wenn überhaupt mit einer Übersetzungs-App, die Unsicherheit ist allgegenwärtig”, erklärt der dreifache Olympiasieger.

Er erzählt von absurden Einreisebedingungen, die viel Zeit und Geduld in Anspruch nehmen. „Es fängt beim Ausfüllen der ,Health-Declaration’ an. Das ist derart kompliziert und keiner kann dir helfen. Wenn die Bürokratie dann mal bewältigt ist, beginnt ein schier endloser Prozess des Wartens“, den Hackl mit einem skurrilen Beispiel benennt.
Geplante Pinkelpause wird zu absurdem Szenario
„Wir saßen längst im Bus, um vom Flughafen in Peking nach Yanqing zu kommen. Ich musste mich erleichtern und signalisierte, dass ich urinieren müsse. Man reichte mir in den voll besetzten Bus eine Urinflasche, aussteigen durfte ich nicht.“
Im Hotel angekommen, geht das Warten weiter. „Uns wurden die Ausweise abgenommen, die Koffer waren nicht da und keiner wusste, wie und wann es weitergehen würde. Olympisches Flair und all das, was Olympia ausmacht, kann unter solchen Bedingungen nicht aufkommen. Es geht ja nicht nur um den Sport, es geht um Kontakt zu anderen Sportlern und das gemeinsame Leben im olympischen Dorf. All das wird in Peking nicht möglich sein“.
Auch sportlich sieht er die Lage aufgrund des stets vorhandenen Infektionsrisikos sehr kritisch. „Die besten der Nicht-Positiv-Getesteten werden gewinnen. Es sollten bei Olympia aber die Besten gewinnen, unabhängig von PCR-Tests, die möglicherweise nicht nachvollziehbar sind“, sagt er und mahnt eindringlich.
„Du bist da drüben vor nichts sicher und gibst dich mit Haut und Haaren in deren Hände. Das betrifft nicht nur die Tests, auch was deine Daten angeht hast du keine Handhabe mehr.”
Rodeln bei Olympia 2022: Bahn stellt sehr hohe Ansprüche
Hackl ist im deutschen Teil für die Schlitten der Rodler vom Königssee verantwortlich und ein wichtiger Bestandteil der deutschen Mannschaft. Die Rodler zählen auch in diesem Jahr zu den Medaillenkandidaten bei Olympia.
Entsprechend muss er jetzt all das ausblenden, was ihn rund um Olympia 2022 beschäftigt und konzentriert sich voll auf die Arbeit. „Die Bahn stellt hohe sportliche Ansprüche und hat sehr viele Eigenheiten. Entsprechend müssen wir unser Material ideal abstimmen, die Verhältnisse sind mit denen, wie wir sonst im Weltcup kennen, nur schwer vergleichbar.“
Da helfen die Erfahrungswerte vom November. „Wir haben einen klaren Plan und wissen, wie wir die Schlitten abstimmen müssen“, gibt sich Hackl zuversichtlich.
Das betrifft auch die sportliche Leistungsfähigkeit der deutschen Rodler, die ab dem 5. Februar um Medaillen kämpfen. „Wir sind in allen Disziplinen hervorragend aufgestellt und haben überall das Potenzial, Medaillen zu gewinnen. Aber die Konkurrenz ist sehr stark und die Bahn hat ihre Tücken.“

Wenn es rein um den Sport geht, merkt man ihm an, dass da doch so etwas wie ein olympisches Feuer in ihm brodelt. „Ich muss versuchen, die Begleitumstände so weit wie möglich auszublenden und konzentriere mich voll auf meine Arbeit.“
Damit ist er auch gut beraten, die Bedingungen in China sind nicht verhandelbar. „Wir müssen jetzt alle funktionieren, der Fokus liegt voll auf dem Sport. Die Chinesische Mauer schaue ich mir lieber auf Bildern an“, sagt er mit einem Lachen abschließend.
Quelle: chiemgau24.de
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