Wie schnell dehnt sich das Universum aus? Messungen geben keine eindeutige Antwort

In der Astrophysik gibt es Diskussionen darum, wie schnell sich das Universum ausdehnt. Neue Messungen sorgen für etwas Klarheit – aber kein eindeutiges Ergebnis.
Baltimore – Das Universum um uns scheint sich nicht zu verändern – doch der Schein trügt: Tatsächlich expandiert das Universum mit atemberaubender Geschwindigkeit. Diese Geschwindigkeit wird „Hubble-Konstante“ (H0) genannt. Doch hier beginnt bereits das Dilemma der Astrophysik: Es ist nicht eindeutig geklärt, mit welcher Geschwindigkeit sich das Universum ausdehnt, da bei den beiden gängigen Messmethoden unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden.
Misst man die Hubble-Konstante über die kosmische Hintergrundstrahlung, erhält man eine Expansionsrate von etwa 67 Kilometern pro Sekunde per Megaparsec (ein Megaparsec entspricht 3,26 Millionen Lichtjahren). Nutzt man jedoch einen speziellen Sternentyp namens Cepheiden für die Messung, endet man bei etwa 73 Kilometern pro Sekunde per Megaparsec. Die Diskrepanz zwischen diesen beiden Werten wird als „Hubble-Spannung“ bezeichnet und beschäftigt die Kosmologie und Astrophysik seit Jahren.
Wie schnell expandiert das Universum? Die Forschung weiß es nicht genau
„Hatten Sie schon einmal Schwierigkeiten, ein Schild zu sehen, das sich am Rande Ihrer Sichtweite befand? Selbst mit den leistungsfähigsten Teleskopen erscheinen die ‚Schilder‘, die die Astronomen lesen wollen, so klein, dass auch wir Mühe haben“, erklärt der Nobelpreisträger Adam Riess (Johns Hopkins University) das Dilemma seiner Branche in einer Nasa-Mitteilung. „Das Schild, das die Kosmologen lesen wollen, ist ein kosmisches Geschwindigkeitsbegrenzungszeichen, das uns sagt, wie schnell das Universum expandiert. Unser Schild ist in die Sterne in fernen Galaxien geschrieben“, so der Forscher weiter.
Riess erläutert den Ansatz der Astrophysik: „Die Helligkeit bestimmter Sterne in diesen Galaxien verrät uns, wie weit sie entfernt sind und wie lange das Licht unterwegs war, um uns zu erreichen, und die Rotverschiebung der Galaxien verrät uns, wie stark sich das Universum in dieser Zeit ausgedehnt hat, also die Expansionsrate.“ Die Cepheiden seien „der Goldstandard“.
Weltraum-Newsletter
Abonnieren Sie den kostenlosen Weltraum-Newsletter und bleiben Sie auf dem Laufenden.
Diskussion um Hubble-Konstante: JWST bestätigt „Hubble“-Messung
Weil die Ungenauigkeit bei der Expansionsrate des Universums so ungewöhnlich ist, wurden die Messungen regelmäßig durchgeführt – was die Wahrscheinlichkeit von Fehlern verringert. Doch es gab bisher eine Möglichkeit, die das Problem möglicherweise hätte erklären können: Die besten Cepheiden-Messungen stammten alle aus einer Quelle, vom „Hubble“-Weltraumteleskop – und es bestand die Möglichkeit, dass sich dort vielleicht ein Fehler versteckte.
Doch dem ist offenbar nicht so, denn auch das „James Webb“-Weltraumteleskop (JWST) der Raumfahrtorganisationen Nasa, Esa und CSA hat nun die Cepheiden vermessen und die bisherigen „Hubble“-Messungen bestätigt. „Die ‚Webb‘-Messungen liefern den bisher stärksten Beweis dafür, dass systematische Fehler in der Cepheiden-Photometrie von ‚Hubble‘ keine signifikante Rolle bei der derzeitigen Hubble-Spannung spielen“, betont Riess. „Dadurch bleiben die interessanteren Möglichkeiten auf dem Tisch und das Geheimnis der Hubble-Spannung vertieft sich.“
Hubble-Spannung könnte ein Hinweis darauf sein, was im Kosmos übersehen wurde
Bleibt die Frage: Warum kommt die Forschung auf zwei verschiedene Messwerte? „Die aufregendste Möglichkeit ist, dass die Spannung ein Hinweis auf etwas ist, das wir in unserem Verständnis des Kosmos übersehen haben“, meint Riess und fährt fort: „Sie könnte auf das Vorhandensein von exotischer dunkler Energie, exotischer dunkler Materie, eine Revision unseres Verständnisses der Schwerkraft oder das Vorhandensein eines einzigartigen Teilchens oder Feldes hinweisen.“
Eine Studie zum Thema wurde auf dem Preprint-Server ArXiv veröffentlicht und vom Fachjournal The Astrophysical Journal zur Publikation akzeptiert. (tab)