Studie enthüllt: Fast jeder Mensch in Europa atmet schlechte Luft

Feinstaub kostet weltweit Millionen Menschenleben pro Jahr. Eine neue Studie liefert dramatische Werte. Experten zufolge ist es noch schlimmer.
Brüssel – Vergangene Woche beschloss das Europäische Parlament strengere Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid, um die Luftqualität in Europa zu verbessern. Höchste Zeit, so scheint es: Eine am Mittwoch (20. September) veröffentlichte Untersuchung der britischen Zeitung Guardian belegt, dass rund 98 Prozent der Menschen in Europa gesundheitsschädliche Luft einatmen.
Feinstaubbelastung: Europa steht vor „schwerer Krise der öffentlichen Gesundheit“
Man müsse den wissenschaftlichen Erkenntnissen folgen und die Luftqualitätsnormen an die WHO-Leitlinien anpassen, sagte der spanische Europaabgeordnete Javi López zu der Entscheidung über strengere EU-Grenzwerte. „Die Bekämpfung der Luftverschmutzung in Europa erfordert sofortiges Handeln. Diese in Zeitlupe ablaufende Pandemie fordert einen verheerenden Tribut von unserer Gesellschaft und führt zu vorzeitigen Todesfällen und einer Vielzahl von Herz-Kreislauf- und Lungenkrankheiten“, so der Sozialdemokrat weiter. Laut einer Untersuchung des Guardian sterben jedes Jahr 400.000 Menschen in Europa an den Folgen gefährlicher Luftverschmutzung.
Feinstaub (Typ PM 2,5)
Die Messungen der Studie beziehen sich auf Feinstaub des Typs PM 2,5, der vor allem bei der Verbrennung fossiler Stoffe wie Kohle, Benzin oder Diesel entsteht. Die Bezeichnung PM steht für Particulate Matter und bezieht sich auf winzige Partikel. Im Falle von PM 2,5 haben die Feinstaubteile einen Durchmesser von nur 2,5 Mikrometern (µm) und können dadurch in die Lunge eindringen. So gelangen die Schadstoffe auch in den Blutkreislauf, wodurch sie fast jedes Organ des Körpers in Mitleidenschaft ziehen können. Laut WHO-Leitlinien soll die PM 2,5-Konzentration im Jahresdurchschnitt fünf Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m3) nicht überschreiten.
98 Prozent der Europäer und Europäerinnen leben in Regionen mit „hochgradig schädlicher Feinstaubbelastung“, so die Studie weiter, die auf Daten von 1.400 Bodenmessstationen sowie Satellitenbilder basiert. Dabei bezogen sich die Forschenden auf die von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgelegten Grenzwerte. Rund zwei Drittel der Menschen in Europa leben demnach in Gebieten, in denen die Feinstaubbelastung sogar mehr als das Doppelte der WHO-Grenzwerte beträgt. „Dies ist eine schwere Krise der öffentlichen Gesundheit“, sagte Roel Vermeulen, Professor für Umweltepidemiologie an der Universität Utrecht, der das Forscherteam der Guardian-Studie leitete.
Drei Viertel der Menschen in Deutschland lebt mit mehr als Doppeltem des WHO-Richtwerts
In Nordmazedonien ist die Luftverschmutzung der Guardian-Studie zufolge in Europa am höchsten und liegt teilweise fast um ein Sechsfaches über dem WHO-Grenzwert. Insgesamt ist der Osten Europas stärker belastet als der Westen. Eine Ausnahme bildet allerdings der Norden Italiens, wo die Feinstaubbelastung teilweise das Vierfache des WHO-Richtwertes beträgt. In Deutschland lebt rund drei Viertel der Bevölkerung mit mehr als dem Doppelten des Richtwerts. Doch es geht auch anders: Besonders sauber war die Luft den Messungen zufolge indes in Schweden sowie in Nordschottland.
Luftverschmutzung ist nach wie vor die häufigste umweltbedingte Ursache für frühzeitige Todesfälle in der EU, so die Warnung des Europäischen Parlaments. Das Tragische an diesen Zahlen ist, dass die Tode vermeidbar wären. Das tatsächliche Leid könnte Experten zufolge sogar noch höher sein. „Die Schätzung berücksichtigt nicht die Millionen von Fällen nicht tödlicher Krankheiten, die mit Behinderungen verbrachten Jahre, die Krankenhausaufenthalte oder die gesundheitlichen Auswirkungen anderer Schadstoffe“, gab Hanna Boogaard, Expertin für Luftverschmutzung in Europa am US Health Effects Institute, laut Guardian zu bedenken.
Weltweite Todesfälle durch Luftverschmutzung: Diese Regionen sind in Deutschland betroffen
Weltweit sterben jährlich acht Millionen Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung durch fossile Brennstoffe, wie eine Studie im Jahr 2021 ergab, an der auch Forscherinnen und Forscher von der University of Harvard beteiligt waren. Die Zahlen liegen damit deutlich höher als ursprünglich angenommen. Allein in Deutschland sterben demnach 200.000 Menschen an Feinstaubfolgen, das entspricht rund einem Fünftel aller Todesfälle jährlich.
Die Feinstaubbelastung sei hierzulande besonders im Ruhrgebiet, in Berlin, Frankfurt und Hamburg hoch, so die Studie. Die Daten sprechen eine klare Sprache: Die Umstellung auf erneuerbare Energien rettet Menschenleben.