Flut-Tragödie von Sizilien löst Debatte über illegales Bauen aus

Der tragische Tod von neun Mitgliedern einer Familie in einem überfluteten Haus hat in Italien eine Debatte über die Gefahren des illegalen Bauens ausgelöst.
Update vom 4. Juli 2019: In Italien ist der Vulkan Stromboli ausgebrochen. Die Eruption jagte Touristen und Einwohnern Angst und Schrecken ein, ein Mensch kam ums Leben.
Flut-Tragödie von Sizilien löst Debatte über illegales Bauen aus
Rom - Das Unglückshaus in Casteldaccia auf Sizilien war ohne Genehmigung viel zu nah an einem Flussufer erbaut worden und hätte längst abgerissen werden müssen, sagte der Bürgermeister des Ortes am Montag. Die behördliche Abrissanordnung von 2008 sei aber einfach ignoriert worden.
In der Nacht zu Sonntag war der Wasserstand in dem Fluss nach starken Regenfällen sprunghaft gestiegen. Das Landhaus am Ufer wurde überflutet, neun Angehörige einer Familie - vom Baby bis zur Großmutter - kamen ums Leben. Am Dienstag sollte für sie ein Trauergottesdienst in der Kathedrale von Palermo stattfinden.
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Casteldaccias Bürgermeister Fabio Spatafora beklagte sich über das weit verbreitete Problem des Bauens ohne Baugenehmigung. Seine Verwaltung habe wenig Handlungsspielraum, wenn die Besitzer die Aufforderungen zum Abriss ignorierten: "In diesem Fall muss die Stadt das Anwesen kaufen oder es selbst abreißen lassen", sagte er. "Oft hat sie dafür aber nicht das Geld - so wie Casteldaccia."
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Jedes 5. neue Gebäude ohne Genehmigung
Nach Angaben der nationalen Statistikbehörde Istat wird in Italien etwa jedes fünfte neue Gebäude ohne Baugenehmigung errichtet. Die regionalen Unterschiede sind groß: In Norditalien entstehen nur 6,7 Prozent der neuen Gebäude illegal, in Mittelitalien sind es 19 Prozent und in Süditalien 47 Prozent. Spitzenreiter ist die Region Kampanien, wo 64 Prozent aller neuen Gebäude illegal errichtet werden.
Wenn ein solches Gebäude erst einmal errichtet ist, bleibt es normalerweise auch stehen: Zwischen 2004 und 2018 wurden Anordnungen zum Abriss von 16.500 Gebäuden erteilt. Lediglich 496 wurde tatsächlich abgerissen.
Umweltschützer nahmen die Tragödie von Casteldaccia zum Anlass für scharfe Kritik. "Wir warnen seit 40 Jahren vor dem Bauen an Flussufern", sagte der Vorsitzende des Umweltverbands Legambiente, Stefano Ciagani. "Aber in Italien kann man immer mit einer Amnestie rechnen", beklagte er. "Nach jeder Tragödie sehen wir wieder die Krokodilstränen all jener, die das Problem des illegalen Bauens sonst ignorieren."
Italiens Vizeministerpräsident Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung kritisierte die Mitte-links- und Rechtsparteien, die in den vergangenen 20 Jahren in Sizilien regiert haben. Nach der Katastrophe vom Wochenende hätten diese Parteien "nun plötzlich erkannt, dass es dort illegales Bauen gibt", erklärte Di Maio. Dies sei "lachhaft".
Dem Politiker wird allerdings selbst vorgeworfen, sich auf der Insel Ischia für eine Amnestie für illegal errichtete Gebäude eingesetzt zu haben.
Der Regen in Mittelitalien hielt am Montag an. Neapels Bürgermeister Luigi de Magistris beschuldigte die Regierung, die Planung für die Katastrophenvorsorge vernachlässigt zu haben. Rom habe für derartige Fälle nicht genügend Mittel zur Verfügung gestellt. Was seine Stadt in den vergangenen Tagen durchgemacht habe, gleiche einem "Wetter-Erdbeben mit einem Tsunami obendrauf". Bereits seit einer Woche herrschen in weiten Teilen Italiens Unwetter mit Starkregen und Sturm.
Die EU-Kommission gab derweil in Brüssel bekannt, dass sie auf Bitten aus Rom das Erdbeobachtungsprogramm "Kopernikus" der Europäischen Raumfahrtagentur für die Regionen Venetien und Sizilien zur Verfügung stelle. Dies soll den italienischen Behörden beim Krisenmanagement helfen. Bei Bedarf sei Brüssel zu weiteren Hilfen bereit.
Bundeskanzlerin Merkel spricht Beileid aus
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach den Betroffenen am Montag ihr Beileid aus. Es sei "schwer zu fassen, wie sich friedliche Orte binnen kürzester Zeit in Schauplätze von Dramen verwandeln können", erklärte ihr Sprecher Steffen Seibert in Berlin.
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AFP