Arbeitslosigkeit auf 25-Jahres-Tief

Das „Brexit“-Votum und weltwirtschaftliche Risiken mögen viele Firmenchefs verunsichern – auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist davon bisher kaum etwas zu spüren. Lediglich die beginnende Sommerflaute sorgt für leicht steigende Arbeitslosenzahlen.
Trotz wachsender Flüchtlingsarbeitslosigkeit und einsetzender Sommerflaute bleibt die Arbeitslosigkeit in Deutschland weiter auf Rekordtief. Mit 2,661 Millionen Jobsuchenden verzeichnete die Bundesagentur für Arbeit (BA) die niedrigste Juli-Arbeitslosigkeit seit 25 Jahren, wie Behördenchef Frank-Jürgen Weise sagte. Das waren zwar 47 000 Erwerbslose mehr als im Vormonat, aber 112 000 weniger als im Vorjahr. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,1 Punkte auf 6,0 Prozent.
„Der Arbeitsmarkt hat sich im Juli gut entwickelt“, resümierte Weise. Mit der einsetzenden Sommerpause sei die Zahl der erwerbslosen Menschen zwar gestiegen. Das habe aber allein saisonale Gründe: Viele Lehrlinge würden nach ihrer Ausbildung nicht sofort übernommen und meldeten sich deshalb erst einmal arbeitslos. Auch stellten Firmen vor den Werksferien in der Regel kaum neue Leute ein und entließen häufig zum Quartalsende. Ohne diesen Saisoneffekt wäre die Zahl der Arbeitslosen im Juli um 7000 gesunken.
Auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sieht den Arbeitsmarkt weiterhin auf einem „stabilen Hoch“. So habe die Zahl der Erwerbstätigen zuletzt im Juni weiter zugenommen – überwiegend deshalb, weil weiter mehr Menschen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung kommen.
Die Quoten in Ost- und Westdeutschland gleichen sich immer weiter an, da die Arbeitslosigkeit im Westen im Vorjahresvergleich um 2,4 Prozent sank, im Osten hingegen um 8,4 Prozent. Zuletzt lag die West-Quote bei 5,5 Prozent, die Ost-Quote bei 8,2 Prozent. Bundesweites Schlusslicht ist Bremen mit 10,7 Prozent, am besten stehen Bayern und Baden-Württemberg (3,3 bzw. 3,7 Prozent) da. Problemfälle bleiben das einwohnerstärkste Bundesland Nordrhein-Westfalen mit einer Quote von 7,8 Prozent – drei ostdeutsche Bundesländer liegen mittlerweile vor NRW – und Berlin mit 9,5 Prozent. Auf Ebene der Städte und Landkreise war im Juli mit einer Quote von 14,9 Prozent Gelsenkirchen bundesweites Schlusslicht in der deutschen Arbeitsmarktstatistik, vor Bremerhaven mit 14,6 Prozent. Am besten standen die bayerischen Kreise Eichstätt und Pfaffenhofen mit 1,3 bzw. 1,7 Prozent da.
Flüchtlingsarbeitslosigkeit
Weiter gestiegen ist derweil die Flüchtlingsarbeitslosigkeit. Im Juli waren nach Angaben von BA-Vorstandsmitglied Detlef Scheele 141 000 geflüchtete Menschen bei den Jobcentern arbeitslos gemeldet. Das seien 10 000 mehr als im Vormonat. „Die Zahl der arbeitslosen Flüchtlinge steigt derzeit monatlich in 10 000er-Schritten“, sagte er. Für die kommenden Monate schließt die Bundesagentur allerdings eine stärkere Zunahme nicht aus, nachdem das Bundesamt für Migration inzwischen Fortschritte beim Abbau der Asylanträge mache.
Weitere 135 000 Asylbewerber absolvierten derzeit einen Sprach- und Integrationskurs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Und 32 000 würden in Förderkursen auf das Berufsleben in Deutschland vorbereitet. Beide Gruppen gelten damit offiziell nicht als arbeitslos, sondern werden in der sogenannten Unterbeschäftigungsstatistik geführt. Dort werden neben Arbeitslosen auch Jobsuchende registriert, die von der Bundesagentur finanzierte Förder- oder Trainingskurse absolvieren. Die gesamte Unterbeschäftigung (ohne Kurzarbeit) lag wegen dieser beiden Gruppen nur noch geringfügig um 0,3 Prozent unter dem Vorjahresstand.
Nach einer BA-Analyse sind die arbeitslosen Flüchtlinge überwiegend jünger als 35 Jahre. Etwa drei Fünftel von ihnen kämen allenfalls für einen Hilfsarbeiterjob in Frage, weil sie nicht ausreichend Deutsch sprechen, zu jung seien, um in ihrer Heimat einen Beruf erlernt zu haben, oder weil sie keine Berufsausbildung hätten. Für sie kämen vor allem Jobs bei Reinigungsfirmen, in Lagern oder bei Kurierdiensten, als Koch oder im Sekretariat in Frage. Der Gewerkschaftsbund DGB appellierte an die Arbeitgeber, ihre Zusagen einzulösen, Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Wer über Fachkräftemangel klagt, muss auch ausbilden“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Dies gelte für Einheimische und Zugewanderte.
Bisher kann der robuste deutsche Arbeitsmarkt laut Bundesagentur für Arbeit die jobsuchenden Flüchtlinge noch gut verkraften. Das liege auch an der wachsenden Zahl der Arbeitsplätze. So stieg nach aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes die Zahl der Erwerbstätigen im Juni saisonbereinigt im Vergleich zum Vormonat um 45 000 auf 43,67 Millionen – das sind 533 000 mehr als im Vorjahr. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung legte nach einer BA-Hochrechnung im Mai saisonbereinigt um 56 000 zu. Mit 31,42 Millionen Menschen lag die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 697 000 im Plus.
Weniger Minijobs
Sonstige Formen der Erwerbstätigkeit haben, anders als häufig behauptet, abgenommen. So ist die Zahl der Selbständigen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im zweiten Quartal um 0,7 Prozent auf 4,31 Millionen gesunken. In Arbeitsgelegenheiten waren laut BA zuletzt 85 000 Arbeitslosengeld-II-Empfänger beschäftigt, elf Prozent weniger als vor einem Jahr.
Auch die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten hat sich um 0,6 Prozent verringert auf 4,84 Millionen. Darüber hinaus übten 2,57 Millionen Menschen, 8,2 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, zusätzlich Mini-Nebenjob aus, gegenüber dem Vorjahr 4,1 Prozent mehr; diese zählen in der Erwerbstätigenrechnung allerdings nicht mit, da sie schon mit ihrer Hauptbeschäftigung erfasst wurden.
(dpa,tba)