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Bahn-Chef will „Blödsinn“ beenden

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Von: Panagiotis Koutoumanos

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Bahn-Chef Rüdiger Grube sieht den Staatskonzern auf Kurs.
Bahn-Chef Rüdiger Grube sieht den Staatskonzern auf Kurs. © Soeren Stache (dpa)

Vor allem friedfertige Mitarbeiter haben der Deutschen Bahn AG im ersten Halbjahr einen Gewinnanstieg beschert, obwohl der Umsatz des Konzerns stagnierte.

Der Boom der Fernbusse hat in der deutschen Verkehrslandschaft vieles in Bewegung gesetzt – am Ende auch die schwerfällige Deutsche Bahn: Um von den neuen Rivalen auf der Straße nicht überrollt zu werden, wirft der Staatskonzern nicht nur massenweise 19-Euro-Billigtickets für seine Intercity- und ICE-Züge auf den Markt – seit dem vergangenen Jahr hat der Schienen-Koloss auch die Kapazitäten seiner eigenen, lange Zeit vernachlässigten Fernbus-Tochter „Berlin-Linien-Bus“ vervierfacht.

Ruinöses Geschäft

Hinter dem unangefochtenen Marktführer Flixbus – der nach zahlreichen Übernahmen auf einen Marktanteil von rund 70 Prozent kommt – und dem gelben Postbus aus Bonn ist die Bahntochter immerhin zum drittgrößten Fernbus-Anbieter hierzulande avanciert – weil auch sie mit Dumpingpreisen unterwegs ist.

Aber damit soll nun bald Schluss sein: „Wir werden diesen Blödsinn nicht mehr lange mitmachen“, betonte gestern Bahn-Chef Rüdiger Grube in Berlin, als er die Halbjahreszahlen des Konzerns präsentierte. „Wir nehmen da beim Ticketverkauf durchschnittlich 3,7 Cent pro Kilometer ein. Es müssten aber sechs Cent sein, um schwarze Zahlen zu schreiben“, rechnete Grube vor. Der Vorstand werde sich im zweiten Halbjahr intensiv mit der Frage beschäftigen, wie das Geschäft „anders gestaltet werden könnte“.

Wie hoch die Verluste gewesen sind, welche die Fernbus-Sparte im ersten Halbjahr eingefahren hat, verriet der Bahn-Chef nicht. Aber sie haben zweifellos dazu beigetragen, dass der Gewinn der Fernverkehrssparte im Konzern zurückgegangen ist, obwohl der Umsatz zugelegt hat. Vor allem dank der 2,3 Millionen verkauften Spar-Tickets, welche die Zahl der Fahrgäste in den IC- und ICE-Zügen auf einen Rekord von 66,7 Millionen trieben, stiegen die Erlöse um 4,7 Prozent auf rund zwei Milliarden Euro. Gleichwohl sank der Gewinn der – inzwischen nur noch sechstgrößten – Konzernsparte vor Zinsen und Steuern (Ebit) um 5,3 Prozent auf mickrige 54 Millionen Euro. Was Finanzvorstand Richard Lutz nicht nur mit den Billigtickets, sondern auch mit höheren Kosten begründete.

Der Ergebnis-Rückgang mag auf den ersten Blick zwar moderat erscheinen. Zu bedenken ist allerdings, dass auch der Fernverkehr im ersten Halbjahr 2015 aufgrund des längsten Streiks in der Unternehmensgeschichte sowie Unwettern zahlreiche Zugausfälle zu beklagen hatte. Allein die Streiks hatten laut Bahn beim Konzern-Ebit mit rund 300 Millionen Euro ins Kontor geschlagen.

Rechnet man diesen 300-Millionen-Effekt heraus, entpuppt sich auch das gesteigerte Konzern-Ebit das Grube gestern so hervorhob, als außerordentlich schwach. Denn er legt nur um 117 Millionen Euro auf rund eine Milliarde Euro zu – bei einem stagnierenden Umsatz von rund 20 Milliarden. Grube sah sich aber durch das Ergebnis in seiner Jahresprognose bestätigt: „Wir sind zuversichtlich, dass wir unsere wirtschaftlichen Ziele für 2016 erreichen werden.“ Dann soll der Betriebsgewinn 1,86 Milliarden Euro betragen. Unterm Strich will Grube statt des Verlusts im Vorjahr einen Gewinn von 500 Millionen Euro ausweisen.

Dass der operative Gewinn im ersten Halbjahr nicht höher ausfiel, liegt auch an der Schwäche des zweitgrößten Geschäftsfeldes im Bahn-Konzern, der DB Regio – die das von den Bundesländern bestellte und bezahlte Nahverkehrsangebot betreibt. Sie musste ebenfalls einen Gewinnrückgang hinnehmen: Während der Umsatz mit 4,28 Milliarden Euro mehr oder weniger stagnierte, sank das Ebit um 4,0 Prozent auf 334 Millionen Euro. Der Grund: Dem Staatskonzern sind weitere Aufträge von Bundesländern weggebrochen, weil er bei den Ausschreibungen gegen private Konkurrenz das Nachsehen hatte. Inzwischen ist der Marktanteil von DB Regio auf 70 Prozent gesunken. Um Anteile zurückzugewinnen, will die DB nun verstärkt mit neuen regionalen Nahverkehrstöchtern in den Wettbewerb gehen, wie Grube darlegte. Nach entsprechenden Vereinbarungen mit den Gewerkschaften dürfen diese Töchter laut Bahn-Chef zumindest vorübergehend mit niedrigeren Lohnkosten operieren.

Richtig düster sieht es noch beim Schienengüterverkehr aus: Bei einem weiter rückläufigen Umsatz hat die DB Cargo ihren Verlust im Vorjahresvergleich zwar um rund ein Viertel zurückgefahren. Aber Erlösen von 2,3 Milliarden Euro stehen noch 53 Millionen Euro Miese gegenüber. Der im Juni beschlossene Restrukturierungsplan sieht die Schließung von 200 Verladestationen vor sowie einen nicht bezifferten Personalabbau.

Gut, dass die Bahn AG da trotz großer Wettbewerbsbedenken in Brüssel immer noch über das Schienennetz herrscht, das vor allem vom Steuerzahler finanziert wird: Die DB Netz bleibt die Cash-Cow des Staatskonzerns: Das Ebit stieg um weitere 20 Prozent auf knapp 400 Millionen Euro und weist nun eine Umsatzrendite von 15,4 Prozent aus. Auf eine Rendite von immerhin 7,7 Prozent kommt die DB Regio, die über die Bundesländer ebenfalls von Steuergeldern finanziert wird. Zum Vergleich: Auf einen Wert von gerade mal 2,7 Prozent kommt die mit Abstand größte Konzernsparte – das unter der Marke „Schenker“ geführte internationale Logistik-Geschäft, das seinen Gewinn deutlich stärker als den Umsatz auf 200 Millionen Euro erhöhte.

Angst vor dem Brexit

Und auch das Auslandsgeschäft mit den Bus- und Bahngesellschaften für den Personentransport entwickelt sich weiter gut: Die DB Arriva steigerte ihren Gewinn um fünf Prozent auf 106 Millionen Euro. Da aber 60 Prozent ihres Geschäfts auf Großbritannien entfallen, rechnet Grube zumindest langfristig mit negativen Folgen durch das Brexit-Votum vom 23. Juni. Das ist besonders relevant, weil der Bahn-Vorstand aus Geldnot nicht nur einen Minderheitsanteil an DB Schenker, sondern auch an DB Arriva verkaufen will, am liebsten per Börsengang. Das Management sei nun dabei, die Lage zu analysieren, so Grube. Im Winter will der Bahn-Chef nach gestriger Aussage dem Aufsichtsrat einen Plan zur Teilprivatisierung von Schenker und Arriva vorlegen.

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