Bau-Krise und Wohnungsnot in Deutschland: Ampel vor erneuter Zerreißprobe
Wie soll man das Problem fehlender Wohnungen in den Griff kriegen? Innerhalb der Ampel-Koalition gibt es darüber unterschiedliche Auffassungen.
Berlin – Innerhalb der Ampel-Koalition gab und gibt es einige Brandherde, die sich immer wieder am Streit um die Verwendung von Geldern entzünden. Jetzt droht neuer Ärger, weil Bundeskanzler Olaf Scholz und die Grünen unterschiedlicher Ansicht sind, wie die Bau-Krise in Deutschland gemeistert werden soll.
Wohnungsnot in Deutschland: Grüne widersprechen in Bau-Krise Kanzler Scholz
Im Kampf gegen den Wohnungsmangel bevorzugt Scholz einen massiven Neubau. „Wir brauchen in Deutschland (...) noch 20 neue Stadtteile in den großen Städten auf der grünen Wiese“, hatte der Kanzler kürzlich bei einer Kommunalkonferenz der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin gesagt. Auch brauche es in den Städten eine Verdichtung, sowie einen „dringend erforderlichen“ Abbau von Bürokratie.

Der Koalitionspartner FDP stimmte dem Kanzler in Teilen zu. „Nur mit Nachverdichtung werden wir gerade in Ballungsräumen den dringend benötigten Wohnraum nicht schnell genug schaffen können“, sagt ihr Bauexperte Daniel Föst dem Tagesspiegel. Beides sei nötig: Nachverdichtung und neue Stadtviertel.
Gegen neue Stadtviertel: Grüne wollen in der Bau-Krise Wohnungsnot durch Bestandsausbau lösen
Doch eine ganz andere Sicht der Dinge hat der grüne Koalitionspartner. „Indem wir umbauen, aufstocken, Dachgeschosse ausbauen, Lücken füllen und Leerstandflächen nutzen, können bis zu vier Millionen neue Wohnungen entstehen“, sagte der Grünen-Bauexperte Kassem Taher Saleh dem Tagesspiegel und sprach sich damit gegen weitere Versiegelungen aus. Dies sei „bezahlbarer und klimafreundlicher als die Forderung von Scholz, wie in den 70ern nur auf der grünen Wiese zu bauen.“
Einem Positionspapier zufolge, das dem Tagesspiegel vorliegt, sind bestehende Gebäude für die Grünen-Bundestagsfraktion „die zentrale Stellschraube, wenn es um Investitionsimpulse, Klimaschutz und neuen Wohnraum geht.“ Darin seien 20 Maßnahmen aufgelistet, wie bezahlbarer Wohnraum „im Einklang mit Klimaschutz“ geschaffen werden könne.
Ampel-Koalition wegen Bau-Krise von selbst gestecktem Wohnungsbau-Ziel weit entfernt
Angesichts der Bau-Krise ringt die Politik um Lösungen. Die Ampel-Koalition war vor zwei Jahren mit dem Vorhaben gestartet, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen. Doch die Realität ist ernüchternd. Bereits zur Mitte des Jahres war das Ziel deutlich verfehlt. Neueste Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen zudem, dass in den ersten neun Monaten des Jahres weniger als 200.000 neue Wohnungen in Deutschland genehmigt wurden. Das sind 29,7 Prozent weniger als im Vorjahresvergleich.
Als Grund für diese Entwicklung werden hohe Baukosten und stark gestiegene Bauzinsen angeführt. Als Folge brachen die Aufträge im Baugewerbe, vor allem im Wohnungsbau, in Deutschland deutlich ein. Im September sogar auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Der Präsident des Handwerks warnte im September vor einem Kollaps in der Baubranche und schlug Alarm. „Das Baugewerbe droht gerade komplett einzubrechen“, hatte Jörg Dittrich der Bild am Sonntag gesagt. (mt)