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Bei Betrug sollten Boni zurückgefordert werden

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Aufsichtsrat und Vorstand des VW-Konzerns verhalten sich in der Frage der Bonuszahlungen wie der berühmte Elefant im Porzellanladen. Über Geld und Moral sprachen wir mit Professor Klaus-Jürgen Grün, Leiter des Philosophischen Kollegs für Führungskräfte an der Frankfurter Goethe-Universität. Die Fragen stellte Michael Balk.

Wie bewerten Sie die Praxis in deutschen Unternehmen, Topmanager mit einem festen und einem variablen, erfolgsabhängigen Gehaltsbestandteil zu entlohnen?

Ich halte diese Form der Entlohnung für fortschrittlich, da sie zumindest eine Anpassung an reale Verhältnisse ermöglicht und unsere Erwartung, dass Entlohnung wahrnehmbar an Leistung gebunden sein müsse, berücksichtigt.

Sind Millionengehälter, wie sie etwa Herr Winterkorn und sein VW-Vorstandsteam bezogen haben, angemessen oder doch überzogen?

Was Herrn Winterkorn betrifft, so ist inzwischen bekannt, dass seine Bezüge an oberster Stelle der Vergütung von Managern rangierten. Unter störungsfreien Umständen wäre dies auch nicht bedenklich. Einem Fußballstar oder einer Schauspielerin würde man solche Einnahmen auch nicht streitig machen. Anders verhält es sich, wenn solche Gehälter von Managern aus Unternehmenverlusten gezahlt werden sollen. In diesem Fall meldet sich das moralische Gewissen der Öffentlichkeit. Dieses kann überhaupt auf Ressentiments gegen jede Art ökonomischer Interessen beruhen, aber auch auf dem einfachen Kalkül der Gerechtigkeit, das in dieser Art des Umgangs mit Gewinn und Verlust keinen Nutzen erkennen kann. Doch auch hierbei ist zu bedenken, dass im Gefühl der Gerechtigkeit nicht wahrgenommen wird, dass sie auf einer sehr schnell vom menschlichen Gehirn vorgenommenen Abschätzung des Nutzens beruht. Daher sollte auch Forderungen nach Gerechtigkeit in einem solchen Fall nicht vorschnell nachgegeben werden.

Welche Kennziffern (Gewinn/Verlust, Aktienkurs Dividende…) eignen sich als Determinante für Bonuszahlungen, welche nicht?

Vor allem Aktienkurse hängen von äußerst irrationalen Faktoren ab. Bonizahlungen auf sie zu stützen, würde ein leicht zu kritisierendes Maß an Willkür bedeuten. Gewinn und Verlust betrachte ich als geeignetere Kriterien zur Bewertung zumindest eines Teils der Boni, vor allem, wenn sie eine langfristige Tendenz aufweisen.

Im Fall VW beruhen sämtliche Bonuszahlungen der vergangenen Jahre, seit Beginn der Manipulation der Abgaswerte, auf verfälschten bzw. erschwindelten Jahresüberschüssen und Aktienkursentwicklungen. Sollten diese Boni nicht zurückgefordert werden?

Ich wünsche mir, dass sie zum Teil zurückgefordert werden könnten. Aber nur dann, wenn den Betroffenen die Mitwirkung oder das Mitwissen am Betrug nachgewiesen werden kann. Zudem ist zu bedenken, ob die Möglichkeit der Rückforderung auch rechtlich in Betracht gezogen werden kann.

Der Aufsichtsrat von VW tut sich bei der Behandlung der aktuellen Boni-Frage sehr schwer, hat einen faulen Kompromiss vorgeschlagen, anstatt einen klaren Verzicht auszusprechen und damit ein starkes Signal an Mitarbeiter, Kunden und Aktionäre auszusenden. Moralisch verwerflich? Betriebswirtschaftlich kurzsichtig?

Vom Aufsichtsrat erwarte ich in Krisen eine klare Linie und ein Signal der Stärke, auf denen seine Existenzberechtigung schließlich beruht. Er hat die Aufgabe, Macht zu kontrollieren. Kompromisse aus Schwäche halte ich für moralisch verwerflich. Ob sie betriebswirtschaftlich kurzsichtig sind, ist schwer pauschal zu beurteilen. Sollten die Kompromisse aus Schwäche getroffen worden sein, dann sind sie bestimmt auch aus betriebswirtschaftlicher Perspektive kurzsichtig. Sind sie aber strategisch mit Blick auf die Stabilisierung einer in Unordnung geratenen Führungsschicht, dann könnten sie auch mit wirtschaftlichem Weitblick zustande gekommen sein.

Wie hätten Sie es geregelt?

In der Boni-Frage hätte ich aus strategischen Gründen eine Maximalforderung gestellt: Streichung aller Boni für das laufende Jahr – und dann gewartet, was die Reaktion darauf wäre, um dann erst zu einem Kompromiss zu kommen.

Ist der unsensible Umgang in der Boni-Frage für das Image der Marke VW nicht noch weitaus schädlicher als die Schummelei an der Abgas-Software im Dieselmotor?

Das ist möglich. Der Umgang mit der Boni-Frage berührt unsere Emotionen, die zwar ebenso schnell erzeugt wie manipuliert und auch zum Verschwinden gebracht werden können. Die Schummelei dagegen ist ein klar einschätzbarer Sachverhalt, der sich bewerten lässt und für dessen Beseitigung wir Kosten berechnen können, die zuletzt in der Bilanz auch wieder verschwinden. In den Augen der Öffentlichkeit haben die Repräsentanten von VW zumindest das Vertrauen in ein der Sozialdemokratie nahe stehendes Unternehmen beschädigt. Das ist ein beachtlicher Imageschaden.

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