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Börsen im Fusionsfieber

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Der neue Vorstandsvorsitzende Carsten Kengeter baut die Deutsche Börse in hohem Tempo um. Sein neuester Coup: Fusion mit London.
Der neue Vorstandsvorsitzende Carsten Kengeter baut die Deutsche Börse in hohem Tempo um. Sein neuester Coup: Fusion mit London. © Alexander Heinl (dpa)

Bei ihren zahllosen Versuchen, sich mit großen Wettbewerbern zusammenzuschließen, ist die Deutsche Börse schon oft gescheitert. Im Visier waren bereits die Handelsplätze in Zürich und Mailand, mehrfach die Londoner Börse LSE sowie die NYSE Euronext in New York. Der neue Börsen-Chef Carsten Kengeter überrascht mit einem neuen Vorstoß.

Die Deutsche Börse in Frankfurt und die LSE in London wagen einen neuen Fusionsversuch. Damit tritt Börsen-Chef Carsten Kengeter in die Fußstapfen des früheren Vorstandsvorsitzenden Werner Seifert, der sich gleich zweimal am Fusionsversuch mit London verhoben hatte.

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf die Fusionsnachricht gestern die Finanzmärkte in aller Welt. Um 14.07 Uhr meldete die Nachrichtenagentur Reuters: „Die Deutsche Börse und die London Stock Exchange (LSE) verhandeln über eine Fusion. Das sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen.“ Die Bombe war geplatzt, die Geheimgespräche damit öffentlich geworden. Um 15 Uhr dann: „LSE bestätigt Fusionsgespräche.“ Kurz darauf die offizielle Mitteilung per E-Mail: „Deutsche Börse AG: Potentieller Zusammenschluss unter Gleichen zwischen Deutsche Börse AG und London Stock Exchange Group plc“.

Aktie hebt ab

Um 15 Uhr war „high noon“ an der Frankfurter Wertpapierbörse. Die Aktie der Deutschen Börse war wie ein Torpedo in die Höhe geschossen, markierte ihr Tageshoch bei 83 Euro. Das war ein Plus von 8,7 Prozent. Auf einen Schlag war die Börse damit um eine Milliarde Euro wertvoller. Auch bei den Tagesumsätzen erklomm der Frankfurter Börsenbetreiber vorübergehend die Spitzenposition im Dax. Das konnte die Aktie des Fusionspartners LSE sogar noch toppen: Sie gewann in der Spitze rund 18 Prozent an Wert. Am Ende eines verlustreichen Handelstages war vom Höhenflug des Frankfurter Börsenbetreibers noch ein stattlicher Zugewinn von 3,2 Prozent übrig geblieben.

Doch angesichts der vielen noch ungeklärten Details sollte man beim Verteilen von Vorschusslorbeeren für den Mega-Deal sehr vorsichtig sein, meinte ein Frankfurter Analyst. Wer rückt bei der fusionierten Börse auf den Chefsessel? Wo wird der Sitz der neuen Dachgesellschaft sein? Das sind ganz zentrale Fragestellungen, die in den kommenden Verhandlungen noch geklärt werden müssen. Wie beurteilt der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir als Aufsichtsbehörde der Frankfurter Wertpapierbörse das Projekt? Wie schätzt die europäische Kartellbehörde den Zusammenschluss zur unangefochtenen Nummer eins in Europa ein? Diese Expertisen entscheiden letztlich über Erfolg oder Scheitern. Und was wird bei einem „Brexit“ aus dem Vorhaben?

NYSE-Trauma

Der Pulverdampf des letzten Fusionsversuchs ist noch nicht restlos verflogen. Vor ziemlich genau vier Jahren war die geplante Fusion mit der New Yorker Börse NYSE am Widerstand der EU-Wettbewerbshüter krachend gescheitert. Das NYSE-Trauma lähmte die Börse. Kengeters Vorgänger Reto Francioni hatte nach dem Misserfolg versucht, aus eigener Kraft zu wachsen. Doch mit der Trägheit ist bei Kengeter Schluss: Kaum im Amt, untermauerte der gelernte Investmentbanker mit zwei Übernahmen für zusammen mehr als 1,3 Milliarden Euro die Aufbruchstimmung. Mit der Devisenhandelsplattform 360T erschloss sich die Börse ein ganz neues Geschäftsfeld.

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