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Chinas Airbus-Konkurrent hebt ab – aber nur dank westlicher Technik

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Von: Jörn Petring, Gregor Koppenburg

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Schaulustige beobachten die Comac C919 bei ihrem Jungfernflug 2017
Die Comac C919 bei ihrem Jungfernflug 2017: Der China-Flieger soll Airbus und Boeing Konkurrenz machen. © Greg Baker/afp

Schon bald soll Chinas Vorzeigeflieger Comac C919 den Betrieb aufnehmen. Die Maschine basiert zu großen Teilen auf westlicher Technologie – was zum Problem werden könnte.

Peking/Zhuhai – ABC: Airbus, Boeing, Comac, so sollte aus chinesischer Sicht die neue Dreifaltigkeit unter den Flugzeugherstellern in Zukunft aussehen. Ein Zeichen, dass sich der staatliche chinesische Hersteller nur mit den Besten der Welt messen will. Embraer, Bombardier, Mitsubishi oder Tupolev werden geflissentlich ausgespart. Bei der jährlichen Airshow China in Zhuhai, die am Dienstag begann, ist Comac daher einer der wichtigsten Aussteller. Comacs neuer Mittelstreckenjet C919 soll täglich zu einem Demonstrationsflug abheben.

Schon bald fliegt die C919 nach langer Entwicklungszeit jedoch nicht mehr nur auf Flugshows, sondern auch im regulären Passagierbetrieb. Lediglich zwei Lizenzen fehlen noch, nachdem die Flugaufsichtsbehörde CAAC ihr die Flugtauglichkeit bescheinigt hat. In einer Glückwunschbotschaft bezeichnete die Kommunistische Partei diesen Schritt als „Meilenstein“ und als „Früchte einer innovationsorientierten Entwicklung“.

Doch der vermeintliche Triumph chinesischer Technik hat eine Achillesferse: Die C919 hängt in ihrer Produktion von westlichen Zulieferteilen und Produktionslizenzen ab. Die nächste Runde des Handelskriegs könnte schnell einen Produktionsstopp nach sich ziehen. Technische Unabhängigkeit, wie sie die Regierung von Xi Jinping anstrebt, ist zumindest in diesem Bereich noch viele Jahre entfernt. Während sich Deutschland über seine Abhängigkeiten von China grämt, ist China in vielen Bereichen nicht minder auf einen funktionierenden Handel angewiesen.

C919 ist Spielball der Beziehungen zwischen China und den USA

Rumpf, Flügel und Heck der C919 stammen zwar aus chinesischer Produktion, die zentralen Flugsysteme, Bordelektronik und Triebwerke werden jedoch von US-amerikanischen oder europäischen Anbietern hergestellt. So kommen das Fahrwerkssystem und die Luftzufuhr inklusive Klimaanlage beispielsweise vom deutschen Unternehmen Liebherr.

Liebherr hat für die Entwicklung und Fertigung des Fahrwerks ein Gemeinschaftsunternehmen mit der chinesischen Firma Landing-Gear Advanced Manufacturing in Changsha gegründet. Auch die US-Anbieter Collins Aerospace, GE-Aviation und Honeywell Aerospace sind Joint Ventures mit chinesischen Unternehmen eingegangen. Diese liefern dann innerhalb Chinas die Teile an Comac.

Doch genau in diesen Joint Ventures sehen Experten auch eine entscheidende Schwäche. Sie seien nicht innovativ, sagt Luftfahrtexperte Richard Aboulafia von der Forschungshaus Teal Group. Das liege an den Joint-Venture-Gesetzen in China. Diese schreiben vor, dass technisches Wissen den chinesischen Partnern zugänglich sein muss. Sie bergen für Hersteller von Flugsystemen also die Gefahr des Technologie-Diebstahls. Die westlichen Firmen ziehen laut Aboulafia daraus die entsprechende Konsequenz: Sie bringen nicht ihre neueste Technik ein.

Erfolg oder Misserfolg der C919 entscheiden sich in China

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass über Erfolg oder Misserfolg des Fliegers hauptsächlich auf dem chinesischen Markt entschieden wird: Wie stark ist die chinesische Regierung bereit, in den Markt einzugreifen, um dem chinesischen Flieger Auftrieb zu geben? Vize-Ministerpräsident Liu He sagte bei seiner Glückwunschrede, der „riesige Inlandsmarkt muss gut genutzt werden“.

Der älteste Trick aus Chinas industriepolitischem Handbuch lässt sich bei der C919 jedoch nicht anwenden: die Abriegelung des eigenen Marktes für die Konkurrenz. Was bei Google und Facebook blendend funktionierte, ist in diesem Fall aufgrund der bestehenden Abhängigkeiten nicht möglich.

Zwar sieht es derzeit so aus, als werde Boeing zur Zielscheibe erster Restriktionen. Denn China ist das einzige größere Land weltweit, das die B737-Max seit seiner Absturzreihe nicht wieder fliegen lässt. Und China Southern kürzte kürzlich seine Bestellung von 737-Max um 100 Maschinen auf 78. Das zwang Boeing dazu, neue Abnehmer für die Flieger zu finden.

Ausgerechnet Donald Trump half der C919 auf die Sprünge

Laut Aboulafia sind Eingriffe in den Markt einerseits die einzige Chance für den Flieger, andererseits aber auch sein größtes Problem. „Um ihn erfolgreich zu machen, müssten die Grenzen für Importe geschlossen werden, aber das würde wahrscheinlich bedeuten, dass die westlichen Länder diesen Jet zerstören, indem sie System- und Technologie-Exporte stoppen.“ Den Flieger aber als komplett chinesischen Jet neu zu erfinden, würde jedoch viele Jahre dauern und etliche Milliarden Dollar kosten.

Einen solchen Streit hat es in der Geschichte des C919 vor zwei Jahren schon einmal gegeben. Damals hatte die US-Regierung in Erwägung gezogen, die Lieferung der Triebwerke zu stoppen. Diese sollten von der Firma CFM kommen. Dabei handelt es sich um ein Joint Venture zwischen der US-amerikanischen GE Aviation und der französischen Safran Aerospace.

Ausgerechnet Donald Trump hatte sich damals für die Interessen der chinesischen Seite eingesetzt, und die Abgabe der Triebwerke an Comac vorangetrieben. Doch die amerikanisch-chinesischen Beziehungen haben sich seither weiter verschlechtert. Wenn eine solche Entscheidung wieder auf die Tagesordnung kommen und diesmal zuungunsten von Comac ausfallen würde, könnte das die Produktion tatsächlich zum Erliegen bringen.

Zurückhaltende Käufer: Nur wenige Bestellungen für Chinas C919

Diese Gesamtlage gefährdet die Erfolgsgeschichte, die Chinas Führung für den eigenen Passagierjet vorgesehen hat. Zuletzt war es den Europäern mit Airbus in den 1970er-Jahren gelungen, einen großen Flugzeughersteller zu schaffen. Auf dem Papier ist Comac auf einem ähnlich guten Weg. Laut eigener Internetseite hat Comac 815 Aufträge von 28 verschiedenen Kunden in seinen Büchern. Selbst der nigerianischen Flugverkehrsministers Hadi Sirika bekundete pünktlich zum Parteitag der KPCh Interesse. Doch wer Sirikas Aussage genau liest, kann den Grad des Interesses deutlich besser einschätzen: „Wir haben diesen C919 noch nicht angesehen. Aber wenn er so gut ist wie die anderen, warum nicht.“ Ein Großauftrag ist das mit Sicherheit nicht.

Ähnlich sieht es bei den anderen Vorbestellungen aus. Laut der britischen Zeitung Financial Times handelt es sich überwiegend um Absichtserklärungen oder Optionen sowie Käufe von Leasing-Firmen, die noch keine direkten Abnehmer für die Flieger haben. Absichtserklärungen sind allerdings keine bindenden Kaufvereinbarungen, und Optionen sind lediglich ein Vorkaufsrecht auf ein bestimmtes Flugzeug in der Produktionskette. Sogar chinesische Airlines sind zurückhaltend. Erstkunde China Eastern bestellte nur vier Maschinen.

Hauptgrund für die Zurückhaltung ist der zu hohe Marktpreis bei geringerer Leistung als die Hauptkonkurrenten Airbus A-320 Neo und Boeing 737 Max. Die C919 kann von allen drei Jets die wenigsten Passagiere befördern und hat gleichzeitig die kürzeste Reichweite. Doch war es nie das Ziel von Comac, in diesen Bereichen zu punkten. Das schlagende Argument für die C919 war immer der Preis. Die C9191 sollte bei ähnlicher Qualität deutlich günstiger sein. Anfangs noch bei rund 50 Millionen US-Dollar angesetzt, ist der Preis allerdings bereits auf mehr als 100 Millionen Dollar angestiegen. Zum Vergleich: A320 Neo und B-737 Max kosten 110 beziehungsweise 117 Millionen. Dafür bekommen die Käufer jedoch nicht nur Flieger mit internationalen Fluglizenzen, sondern auch ein sehr gut ausgebautes Servicenetz an fast allen Flughäfen der Welt.

Jörn Petring und Gregor Koppenburg leben seit einigen Jahren als freie Autoren in Peking. Seit Anfang 2021 berichten sie von dort auch für China.Table.

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