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Deutsche-Bank-Eigner in Nöten

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Von: Panagiotis Koutoumanos

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Für ihre 9,9 Prozent an der Deutschen Bank hat die HNA-Gruppe 3,4 Milliarden Euro gezahlt. Davon sind 2,7 Milliarden fremdfinanziert.
Für ihre 9,9 Prozent an der Deutschen Bank hat die HNA-Gruppe 3,4 Milliarden Euro gezahlt. Davon sind 2,7 Milliarden fremdfinanziert. © Arne Dedert (dpa)

Lange Zeit galt die HNA Group als die Speerspitze der weltweiten chinesischen Einkaufsoffensive, als ein Symbol des Ehrgeizes und des Reichtums Chinas. Doch nur innerhalb weniger Monate scheint der Konzern, der bei seiner ausschweifenden Shoppingtour auch zum größten Aktionär der Deutschen Bank avanciert ist, für viele seiner Beteiligungen zu einem Sicherheitsrisiko geworden zu sein. Als abschreckendes Beispiel zeigt HNA, wie sich eine kreditfinanzierte Expansion rächen kann – wenn das zuvor in China protegierte Unternehmen den Rückhalt der Politik verliert.

Wie schlimm steht es um einen Großkonzern, der offenbar gezwungen ist, einen Teil seines Tafelsilbers zu verkaufen, sich Geld zu Wucherzinsen leihen muss – und dabei plötzlich seine gewohnte Verschwiegenheit aufgibt, um landauf, landab lautstark darauf hinzuweisen, wie vertrauenswürdig er ist? Diese Frage stellen sich nicht nur die Führungsriegen der zahlreichen Unternehmen, bei denen sich die chinesische HNA-Group in den vergangenen drei Jahren weltweit eingekauft – oder sogar das Zepter übernommen hat. Diese Frage treibt auch immer mehr Aktionäre, Vermögensverwalter und auch Finanzaufsichtsbehörden um.

„Gar nicht schlimm“, versichert HNA-Mitbegründer und Verwaltungsratschef Chen Feng. Ja, der Konzern kämpfe derzeit mit Liquiditätsproblemen – aber die seien nur kurzfristiger Natur. HNA sei gerade knapp bei Kasse, weil das Marktumfeld schwieriger geworden sei und zudem die chinesische Wirtschaft nur noch relativ moderate Wachstumsraten erreiche. „Zinserhöhungen der Fed und eine rigidere Kreditpolitik in China haben zum Jahresende bei vielen chinesischen Unternehmen zu Liquiditätsengpässen geführt“, behauptet Chen. Soll heißen: Kein Grund zur Sorge. Zum Beweis beschreitet HNA einen höchst ungewöhnlichen Weg: Ende vergangener Woche verschickte der Konzern eine E-Mail, derzufolge er die Identitäts- und Bonitäts-Checks mehrerer Großbanken bestanden und von ihnen eine Art Unbedenklichkeitsbescheinigung erhalten habe. Zu den Geldhäusern zählen demnach das US-Institut JP Morgan, die Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse sowie das japanische Geldhaus Nomura. Die Banken selbst äußerten sich dazu nicht. „Diese Nachricht ist ein positives Zeichen dafür, dass sich das Blatt wendet in einer Zeit, in der HNA genau unter die Lupe genommen wird“, erklärte das Unternehmen.

Deutsche-Bank-Kurs sinkt

Tatsächlich zeigt diese Nachricht zunächst nur, welch großes Misstrauen gegenüber dem undurchsichtigen Konzern von der südchinesischen Tropen-Insel Hanoin derzeit in der Finanzwelt herrscht. Und daran vermögen auch dessen Beruhigungspillen nichts zu ändern: Gestern berichtete die Finanzagentur Bloomberg, dass HNA seine Gläubiger vor einem möglichen Liquiditätsengpass von mindestens 2,4 Milliarden Dollar gewarnt haben soll – daraufhin suchten viele Deutsche-Bank-Aktionäre erneut das Weite, verlor die Aktie bis zu vier Prozent. Laut Bloomberg muss HNA alleine im ersten Quartal rund zehn Milliarden Dollar an Schulden zurückzahlen.

Komplexes Konglomerat

Seit Monaten mehren sich die Anzeichen, dass HNA in großen finanziellen Schwierigkeiten steckt. Mehr als 40 Milliarden Dollar hat der Konzern in den vergangenen drei Jahren für Firmen-Beteiligungen und -Übernahmen ausgegeben – und dabei ein riesiges Reich geschaffen, das Fluggesellschaften, Flughäfen, Handelskonzerne, Hotel-Gesellschaften und Banken umspannt. Der Regionalflughafen Hahn im Hunsrück gehört dazu, genauso wie eine 25-Prozent-Beteiligung an den Hilton-Hotels oder der US-IT-Großhändler Ingram Micro. Und seit Mai 2017 ist HNA mit einem Anteil von 9,9 Prozent auch Großaktionär bei der Deutschen Bank. Ebenso fasziniert wie gierig verfolgten Fondsmanager und Berater, wie die Chinesen ein Unternehmen nach dem anderen verschlangen. Woher das Geld kam, fragte lange Zeit niemand. Nun ist die Angst groß, dass der Konzern unter seinen Schulden zusammenbricht und seine Beteiligungen mit in den Abgrund reißt.

Wie hoch der Schuldenberg ist, den die HNA-Gruppe zusammengetragen hat, weiß niemand außerhalb des Konzerns. Das komplexe Konglomerat umfasst inzwischen 16 börsennotierte Unternehmen und noch viel mehr Firmen-Mäntel und Überkreuzbeteiligungen. „Die Firmen-Struktur ist völlig undurchsichtig“, beklagt Kai Lucks, Vorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Akquisitions. „Da wird fast nichts offengelegt.“

Horrende Zinsen

Aber die Risse in dem Konzerngebilde werden immer deutlicher – und die Bemühungen, diese zu kitten immer größer. Inzwischen sind die Aktien von sieben der insgesamt 16 HNA-Beteiligungen vom Handel ausgesetzt. Diese kamen zuletzt auf einen Börsenwert von 30,6 Milliarden Dollar. Offizielle Begründung: eine demnächst anstehende Umstrukturierung des Konzern-Vermögens, die laut einer Tochtergesellschaft „äußerst weitreichend sein wird und mit vielen Gesprächen und Verhandlungen“ einhergehe. Dann sind da konzerneigene Fluglinien, die Gebühren für geleaste Maschinen nicht fristgerecht begleichen können. Da sind Konten von Konzerntöchtern, die eingefroren werden, weil sie mit Banken um die Fälligkeit von Krediten streiten. Da ist die wichtigste Tochtergesellschaft in Hongkong, die für die zweite Brückenfinanzierung eines Bauvorhabens „um mehr Zeit“ bittet, einen Partner sucht – und deren 2018 und 2019 auslaufende Anleihen über insgesamt 6,1 Milliarden Dollar mit mehr als 20 Prozent rentieren. Deutlicher könnte das Misstrauensvotum der Finanzmärkte kaum ausfallen. Da muss auch die Muttergesellschaft einen kräftigen Risiko-Aufschlag zahlen, wenn sie sich Geld leiht: Zuletzt war sie bereit, zwölf Prozent für Ein-Jahres-Finanzierungen zu zahlen.

Zweifel an Verkäufen

Zugleich versucht die HNA-Führung, einen Teil ihres Tafelsilbers loszuschlagen: Vergangene Woche erst kündigte sie an, den Schweizer Flugzeug-Abfertiger Swissport im Laufe des Jahres an die Börse bringen zu wollen – den weltweit größten Abfertiger von Passagieren und Fracht für die Luftfahrtbranche, der zuletzt 2,7 Milliarden Euro erlöst hat. Vorher wollen die Chinesen auch ihren weltweit tätigen Schweizer Flugzeug-Caterer Gategroup (früher Gategourmet) an die Börse bringen, den sie 2016 für 1,5 Milliarden Dollar übernommen und von der Börse genommen hatten. Mitte Januar hatte die HNA-Gruppe bereits ihre Absicht bekanntgegeben, ihren 29,5-Prozent-Anteil an der spanischen NH-Hotel Group zu verkaufen.

„Wie viel Geld HNA dabei in die Kassen fließen können“, ist allerdings völlig offen“, sagt Nigel Stevenson, Analyst der Beratungsfirma GMT Research. Bei Swissport beispielsweise wurden in den vergangenen fünfzehn Jahren keine Gewinnzahlen veröffentlicht. Was im Unternehmen wirklich steckt, ist wegen der lückenhaften finanziellen Berichterstattung von außen betrachtet nicht einschätzbar. Laut Anleihe-Investoren lasten auf Swissport fremdfinanzierte Darlehen und Schrott-Anleihen in Höhe von circa einer Milliarde Euro. Zudem habe Swissport in den vergangenen vier Monaten zahlreiche Kurzfrist-Kredite an andere HNA-Töchter vergeben müssen, heißt es. „Wie dieser Börsengang angesichts der hohen Verschuldung funktionieren soll, ist mir schleierhaft“, sagt einer der Investoren, „und davon abgesehen: Wer sollte sich als Minderheitsaktionär mit HNA zusammentun wollen?“ Die Chinesen wollen sich nach eigenem Bekunden nicht von allen Anteilen an Swissport trennen.

Ähnlich schwierig könnten sich auch die anderen Versuche von HNA gestalten, über Beteiligungsverkäufe an das dringend benötigte Kapital zu kommen. Aktien der börsennotierten Gesellschaften sind von HNA in vielen Fällen als Kredit-Sicherheiten bei Banken hinterlegt worden. Und viele der Konzerntöchter sind laut Finanzkreisen hochverschuldet – weil die HNA-Gruppe den übernommenen Firmen die großteils kreditfinanzierten Kaufsummen aufgebürdet hat. „Sollte HNA versuchen, Vermögenswerte zu verkaufen, die sie auf diese Weise akquiriert haben, würde ein Großteil des Verkaufserlöses an die Gläubiger fließen“, gibt Stevenson zu bedenken. So verwundert es nicht, dass fast drei Monate nach der Ankündigung von HNA-Vorstandschef Tan Xiangdong, Vermögenswerte zu veräußern, erst ein kleiner Deal gelungen ist: Am vergangenen Freitag schlug HNA in Australien ein Bürogebäude für rund 161 Millionen Dollar los.

In Ungnade gefallen

Und von Chinas Führung hat die HNA-Gruppe keine Hilfe zu erwarten. Aus vielerlei Gründen: Peking schätzt vor allem Auslandsgeschäfte, die chinesischen Unternehmen technologisches know-how bringen. Beteiligungen an Flughäfen, Hotel-Ketten und Banken stießen seit jeher eher auf Unverständnis. Hinzu kommt, dass die Parteiführung bei den früher von ihr lautstark geforderten Auslandsinvestitionen längst auf die Bremse tritt – angesichts der hohen Kapitalabflüsse aus dem Reich der Mitte. Dass es HNA gleichwohl gelang, seine entfesselte Einkaufstour fortzusetzen, hatte der Konzern neben der verstärkten Finanzierung im Ausland seinen guten politischen Beziehungen zu einzelnen Provinzregierungen zu verdanken, die ihm den Zugang zum heimischen Schattenbanken-System sicherten.

Aber diese Beziehungen scheinen inzwischen ein Ende gefunden zu haben. Offenbar ist die HNA in einem politischen Scharmützel um die künftige Rolle von Wang Qishan – bis vor kurzem einer der mächtigsten Männer Chinas – ausgestochen worden. Wang war nicht nur der oberste Korruptionsjäger des Landes und ein enger Vertrauter von Staats- und Parteichef Xi Jinping. Für die chinesische Wirtschaftselite war Wang auch der wichtigste Kontakt zur Wall Street. Bis er beschuldigt wurde, der tatsächliche Kopf der HNA-Gruppe zu sein. Entsprechende Gerüchte sind nicht nur in China gestreut worden, sondern auch im Ausland. Allen voran von einem chinesischen Exil-Milliardär namens Guo Wengui in New York. Konkrete Belege für diese Vorwürfe gibt es nicht – deshalb ist Guo von HNA in New York wegen Verleumdung verklagt worden. Aber die Vorwürfe gegen den Privatkonzern – der auch im Wettbewerb mit den von Peking gepäppelten chinesischen Staatsunternehmen steht – haben gereicht, um ihn ins politische Abseits zu drängen. Im vergangenen Sommer begannen Chinas Regulierungsbehörden, die HNA-Gruppe genau zu durchleuchten. Nur wenige Monate später wurden die Finanzprobleme des Konzerns offenbar. „Jetzt ist auch in China die Ära der Oligarchen angebrochen“, kommentiert ein in der Rhein-Main-Region ansässiger Unternehmer aus China in Anspielung auf die Entwicklung in Russland. Sich in dieser Ära zu behaupten wird HNA schwerfallen.

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