Diesel-Wolke über Genf
Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer fürchtet um den Wettbewerbsvorsprung deutscher Autobauer und beklagt die Renaissance der PS-Boliden.
„In diesem Jahr liegt eine dicke Dieselwolke über Genf“, stellt Ferdinand Dudenhöffer süffisant fest. Der Chef des CAR-Center Automotive Research und Professor an der Universität Duisburg-Essen macht sich im Vorfeld des Genfer Automobilsalons, der am Donnerstag beginnt, Sorgen um die europäischen Autobauer, die um ihren Wettbewerbsvorsprung kämpfen müssten. Dieser Vorsprung heiße Diesel. Audi, BMW, Daimler, Jaguar-Landrover, Renault, Peugeot-Citroën und selbst Porsche seien übermäßig stark vom Diesel-Motor abhängig, so Dudenhöffer. Bei den Herstellern Audi und BMW würden mehr als Dreiviertel aller weltweit verkauften Neuwagen mit Dieselmotor ausgerüstet sein.
Einbruch in den USA
Der Auto-Professor nennt auch einen Grund für diese Situation: „Subventionierter Diesel-Treibstoff in vielen europäischen Ländern und strengere Kohlendioxid-Vorschriften haben einen regelrechten Diesel-Boom in Europa ausgelöst. Mehr als 50 Prozent aller in West-Europa verkauften Neuwagen ‚dieseln‘“. Dagegen spiele in Asien oder Nordamerika, wo mehr als zwei Drittel aller weltweiten Autos verkauft würden, der Diesel-Pkw so gut wie keine Rolle.
Nach Experten-Berechnungen sind die Verkäufe von Diesel-Fahrzeugen von BMW und Mercedes im Januar um mehr als 60 Prozent eingebrochen. So sind weniger als zwei Prozent der US-Verkäufe der beiden Autobauer noch Diesel-Fahrzeuge. So hat BMW im Januar in den USA mehr i3- und i8-Elektro-Autos verkauft als Diesel und Mercedes mehr Smart als Diesel.
Die Neuerscheinungen treten in Genf in diesem Jahr in den Hintergrund, zumal eine ausgesprochene Durchbruch-Innovation dieses Jahr in den Messehallen am Lac Leman nicht zu sehen ist. Stattdessen setzt der Megatrend der SUV seinen Siegeszug fort. Billiges Benzin und Diesel lässt die Käufer auf große und PS-starke Neuwagen umschwenken. „Die Autowelt hat mit dem billigen Kraftstoff den Rückwärtsgang eingelegt“, stellt der Auto-Professor fest. Highlight, so Dudenhöffer, bleibe auf dem Genfer Salon das Roboter-Auto von Google. „Das ist eine Revolution, die unser Bild vom Auto von morgen verändern wird“, meint er.
Unterdessen bleibt nach den Berechnungen des CAR-Center auch in diesem Jahr die Welt PKW-Konjunktur im Wachstum – wenn auch mit kleinerem Tempo als im Vorjahr: „Im Jahr 2016 werden nach unserer Prognose 2,4 Prozent oder 1,85 Millionen Pkw und Light Trucks mehr verkauft als im Vorjahr. Die Branche kann damit einen neuen Rekordwert von 80,1 Millionen Pkw-Verkäufen erwarten“, berichtet Dudenhöffer. „Und die Grenzen des Wachstums liegen noch weit weg. Trotz Anzeichen einer etwas schwächeren weltwirtschaftlichen Entwicklung wird es in wichtigen Kernmärkten weitere Zuwächse bei den Neuwagenverkäufen geben“, so Dudenhöffer weiter.
China gibt noch Schub
Wichtig für die Automobilbranche bleibe China als der größte Markt der Welt. Dort werde weiterhin mit einem Wirtschaftswachstum von 6,5 Prozent im Jahre 2016 gerechnet. Zusammen mit den Steuererleichterungen für den Kauf von Neuwagen mit kleineren Motoren (unter 1,6 Liter Hubraum) sorge das Wirtschaftswachstum in China für den Absatz von 20,9 Millionen Neuwagen. Das sei ein Plus von 4,5 Prozent. Damit würden 50 Prozent des weltweiten Absatzwachstums durch China gestellt, so die Schätzungen Dudenhöffers.
„Mittlerweile fahren 172 Millionen Pkw und Nutzfahrzeuge auf Chinas Straßen. Knapp 107 Millionen der Fahrzeuge sind Pkw. Damit entfallen auf 1000 Chinesen 78 Pkw. Diese Kennzahl zeigt, dass der Markt China noch deutliches Aufnahme-Potential hat. In Deutschland etwa beträgt die Pkw-Dichte 560 Pkw pro 1000 Einwohner“, sagt der Auto-Experte.