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Fallstricke: Ohne Testament drohen böse Überraschungen bei der Erbfolge

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Sobald es um das Erben geht, kann es kompliziert werden. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Erbfolge.

München - Wenn Michaela Porten-Biwer die Tücken gesetzlicher Erbfolge erklären soll, greift sie zu einem fiktiven Fall. „In der Klasse meiner Tochter habe ich das am Beispiel von Harry Potter erzählt“, sagt die Rechtsanwältin. Wäre Harry im Kampf gegen Voldemort gestorben, wäre sein Vermögen – ohne Testament–an seine nächste Verwandte gefallen: seine verhasste Tante. „Da haben dann alle gesagt: Nein, das würde Harry nicht wollen“, erzählt Porten-Biwer. Das Beispiel macht deutlich: „Es muss sich jeder fragen, ob die gesetzliche Erbfolge für einen selbst ausreicht.“ Die tz beantwortet die wichtigsten Fragen:

Drei Generationen, eine Familie: Wer erbt wann was? Die wichtigsten Fragen zur Erbfolge beantwortet.
Drei Generationen, eine Familie: Wer erbt wann was? Die wichtigsten Fragen zur Erbfolge beantwortet. © IMAGO/Lisa F. Young

Bekommen Eheleute automatisch alles?

„Gibt es kein Testament, so erben die Abkömmlinge, also Kinder und Enkelkinder, vor Eltern, Geschwistern und Großeltern. Daneben erbt der Ehegatte oder die -gattin“, sagt Tamara Große-Boymann, Fachanwältin für Erbrecht. „Das ist einer der größten Irrtümer: Die meisten Menschen denken, dass Eheleute automatisch allein erben.“ Wie hoch der Anteil des Gatten oder der Gattin ist, hängt vom Güterstand ab. Bei einer Zugewinngemeinschaft, einer Ehe ohne Ehevertrag, erbt der Überlebende regelmäßig eine Hälfte, die andere Hälfte erben Kinder oder Enkel. Sind die Kinder bereits verstorben, gehe das Erbe auf deren Kinder über, erklärt Stephanie Herzog vom Deutschen Anwaltverein. Ihr Beispiel: Ein Mensch hat keinen Ehepartner und hinterlässt ein Kind. Ein zweites ist gestorben, hat aber selbst zwei Kinder gezeugt. „Hier erbt der erste Nachkomme die Hälfte, die Enkel je ein Viertel“, so Herzog. Hatte die verstorbene Person keine Kinder, sind die Eltern des oder der Verstorbenen berechtigt.

Was droht bei Erbengemeinschaften? 

Im Falle mehrerer Erben entsteht eine Erbengemeinschaft, erklärt Große-Boymann. Das allerdings ist oft problematisch. „Insbesondere wenn ein Grundstück vererbt wurde, wird es häufig schwierig“, sagt Große-Boymann. Zum Beispiel dann, wenn zwei Eheleuten ein Familienhaus zu gleichen Teilen gehört und einer von beiden stirbt. Ohne Testament wird die Haushälfte des Verstorbenen unter den Erben aufgeteilt. Der überlebende Ehepartner erhält 50 Prozent und besitzt somit drei Viertel von Haus und Grundstück. Das andere Viertel geht an die Kinder – oder andere Verwandte – der verstorbenen Person. Große-Boymann: „Wenn die Kinder es geltend machen, müsste der Elternteil Miete für sein eigenes Haus zahlen.“

Insbesondere wenn ein Grundstück vererbt wurde, wird es häufig schwierig

Tamara Große-Boymann, Fachanwältin für Erbrecht.

Was passiert ohne Erben?

Falls kein Erbberechtigter aufgefunden wird, geht das Vermögen an den Staat. Normalerweise erbt das Bundesland.

Was ist mit Patchwork-Familien?

„Das Bürgerliche Gesetzbuch stammt in ursprünglicher Fassung aus dem Jahr 1900“, so Anwältin Porten-Biwer. „Es kennt keine Patchwork-Familie und keine unverheirateten Lebensgefährten.“ Wer Stiefkinder bedenken will, muss sie in einem Testament einschließen. Die gesetzliche Erbfolge schließt sie genauso aus wie Menschen, mit denen die verstorbene Person über Jahrzehnte unverheiratet zusammengelebt hat. 

Wer erbt nach Scheidungen?

„Wenn etwa Mutter und Tochter bei einem Unfall sterben und die Mutter kein Testament gemacht hat, ist der leibliche Vater der Tochter erbberechtigt“, erklärt Porten-Biwer. „Da muss ich mich schon fragen: Will ich das?“ 

Was erben uneheliche Kinder?

„Wenn es sich um ein leibliches Elternteil handelt, ist es erbberechtigt“, sagt Anwältin Herzog. Als Nachweis reicht die Geburtsurkunde allein nicht. Die Vaterschaft muss anerkannt oder gerichtlich festgestellt sein, was im Erbscheinverfahren selbst nicht geschieht. Adoptierte Kinder sind leiblichen Kindern gleichgestellt. Wer als Minderjähriger adoptiert wurde, hat nur einen Anspruch auf das Erbe seiner neuen Eltern. Adoptierte Erwachsene sind in beiden Familien erbberechtigt. 

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