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Fraport: Flugbewegungen nehmen deutlich zu

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Eine Boeing 747 auf dem Flughafen in Frankfurt am Main (Symbolbild).
Eine Boeing 747 auf dem Flughafen in Frankfurt am Main (Symbolbild). © Boris Roessler (dpa)

Jahrelang hat die Zahl der Flugbewegungen in Frankfurt abgenommen. Aber damit ist plötzlich Schluss. Werden wir nun auch langfristig deutlich mehr Starts und Landungen am Flughafen sehen – und hören? Welche Rolle spielen dabei die Billigflieger? Und sind die vereinbarten Lärmobergrenzen und Lärmpausen nur Mogelpackungen? Diese und andere Fragen stellten Wirtschaftsredakteur Panagiotis Koutoumanos und Chefredakteur Joachim Braun dem Fraport-Vorstandschef Stefan Schulte.

Herr Schulte, Sie sind seit insgesamt 14 Jahren im Vorstand der Fraport AG, davon mehr als acht Jahre Vorstandsvorsitzender. In dieser Zeit haben Sie einiges verändert. Haben Sie da eine Entscheidung gefällt, von der Sie sagen würden: die würde ich gerne zurücknehmen!?

STEFAN SCHULTE: Da hat es sicherlich die eine oder andere Fehlentscheidung gegeben. Und ich habe bei Entscheidungen auch sicherlich mal einem Mitarbeiter Unrecht getan – ohne, dass ich jetzt einen konkreten Fall im Kopf hätte. Das tut mir leid. Aber ich glaube, in Gänze haben wir das Unternehmen sehr gut weiterentwickelt: Wir sind heute schon an knapp dreißig Flughäfen weltweit aktiv und haben uns somit deutlich unabhängiger vom Standort Frankfurt gemacht.

Warum ist es denn so wichtig, dass sich die Fraport unabhängiger von Frankfurt macht?

SCHULTE: Lassen Sie mich andersherum antworten: Über Jahrzehnte haben wir am Heimatstandort viele Erfahrungen gesammelt, die wir nun gewinnbringend im Ausland nutzen, übrigens auch zum Wohl unserer Gesellschafter hier vor Ort – allen voran für das Land Hessen und die Stadt Frankfurt. Das Geschäft im Ausland ist rentabler als in Frankfurt. Wir machen rund ein Fünftel unseres Umsatzes im Auslandsgeschäft; der Anteil am Gewinn wird aber in diesem Jahr mehr als ein Drittel betragen. Das schlägt sich auch in unserem Nettogewinn nieder: Als ich 2009 antrat, lag dieser bei gut 150 Millionen Euro – für dieses Jahr peilen wir bis zu 350 Millionen Euro an. Und: Ein profitables Auslandsgeschäft sichert die knapp 21 000 Arbeitsplätze der Fraport AG.

Wobei auch Frankfurt erheblich zu diesem Gewinnanstieg beigetragen hat, nicht? Denn 2009 hatte der Anteil des Auslandsgeschäfts am Gewinn ja schon 23 Prozent betragen.

SCHULTE: Ja, stimmt. Unser Flughafen in Frankfurt hat sich sehr gut entwickelt. Darauf sind wir auch sehr stolz. Aber wenn wir die Relation betrachten, haben unsere Beteiligungen im Ausland über die Jahre hinweg noch mehr zur Gewinnentwicklung beigetragen. Und das werden wir auch in den nächsten Jahren beobachten.

Haben Sie sich denn auch persönlich weiterentwickelt? Als Sie 2009 den Vorstandsvorsitz von Wilhelm Bender übernahmen, war der Tenor in den Medien: „Mr. Flughafen Bender, der große Kommunikator, wird abgelöst von Schulte, dem Mr. Taschenrechner, der drei Mal überlegt, bevor er sich äußert, und der erst lockerer wird, wenn er sich von Vertrauten umgeben weiß“.

SCHULTE: Das öffentliche Bild eines Managers ist sehr eng mit seiner Funktion verbunden. Bevor ich Vorstandsvorsitzender wurde, war ich mehrere Jahre lang Finanzvorstand. Aus dieser Funktion heraus ergab sich dieses Bild – auch weil ich als Finanzvorstand nicht so stark an der Kommunikationsfront aktiv war. Als Vorstandsvorsitzender änderte sich das natürlich. Sie selbst haben ja kürzlich geschrieben, dass ich deutlich lockerer geworden sei. Die Folge: Heute munkelt der ein oder andere, ob Schulte vor lauter strategischer Ausrichtung die Zahlen noch im Griff hätte. So prägt die Funktion das Bild. Aber keine Sorge, ich habe die Zahlen nach wie vor im Griff – auch wenn unser Finanzvorstand natürlich im Detail viel vertrauter damit ist.

Die Zahlen haben Sie sicherlich im Griff. Aber haben Sie nicht das Potenzial der Billigflieger unterschätzt? Noch vor zwei Jahren sagten Sie, dass keine nennenswerten Verschiebungen von Passagierströmen zu erwarten seien. Nachdem Sie aber Ryanair mit Rabatten nach Frankfurt gelockt hatten, entgegnen Sie Kritikern, dass Frankfurt pro Jahr rund eine Million Passagiere verloren habe an Flughäfen wie Stuttgart und Köln – wo Billigflieger stark vertreten sind.

SCHULTE: Ja, wir haben die Veränderungen des Marktes und der Kundenanforderungen genau analysiert und die Entscheidung, uns in größerem Maße für die Low-Coster zu öffnen, in der Tat spät getroffen. Aber zum einen müssen Sie bedenken, dass wir nach der Inbetriebnahme der neuen Landebahn Nordwest 2011 große Zuwachsraten hatten, die erst im Zeitverlauf abgeflacht sind. Zum anderen sind die Marktveränderungen deutlich stärker geworden. Darauf haben wir reagiert, der Schritt war richtig, wie sich zeigt. Frankfurt wächst wieder mit dem Markt und zwar auch bei den großen etablierten Fluggesellschaften und auch im Interkont-Bereich – trotz der gewachsenen Konkurrenz durch die Airports in Istanbul und am Persischen Golf. Insofern war auch der Ausbau des Frankfurter Flughafens mit der neuen Landebahn und dem zu bauenden Terminal 3 richtig. Dieses Jahr wird die Passagierzahl um mehr als fünf Prozent steigen – dabei entfällt der größte Wachstumsanteil übrigens auf die Lufthansa, vor allem durch den Einsatz größerer Maschinen und deren bessere Auslastung. Und angesichts der positiven Konjunktur-Prognosen erwarten wir für die kommenden zwei Jahre ebenfalls deutliches Wachstum am Flughafen.

Zwei Mal im Jahr veranstaltet der Internationale Airline-Verband IATA eine sogenannte Slot-Konferenz – eine Art Speed-Dating für Vertreter von Fluggesellschaften und Flughäfen, auf der frei gewordene Start- und Landerechte (Slots) vergeben werden. Nun hat in Madrid die 41. Slot-Konferenz stattgefunden. Welche weiteren Billigflug-Gesellschaften haben Sie denn da zum kommenden Sommerflugplan für Frankfurt gewinnen können? Vielleicht die britische Easyjet oder die Lufthansa-Tochter Eurowings?

SCHULTE: Wieso? Das ist doch gar nicht unser vorrangiges Ziel. Wir sind hier in Frankfurt bereits sehr gut aufgestellt. Richtig ist, dass Easyjet für Frankfurt Slots beantragt hat und diese erhalten hat. Alles Weitere werden wir jetzt abwarten.

Aber Sie haben doch immer wieder betont, dass der Marktanteil der Billigflieger in Frankfurt bei nur drei Prozent liegt und deutlich steigen soll. Warum nun die Kehrtwende? Aus Rücksicht auf die Lufthansa und die Fluglärm-Gegner, die Ryanair nicht in Frankfurt haben wollten?

SCHULTE: Der Marktanteil von Low Cost wird sich so entwickeln, wie der Markt das verlangt, also unsere Passagiere es erwarten. Entscheidend für uns ist, dass wir hier in Frankfurt mit der Lufthansa einen sehr starken Home-Carrier haben, der immer Hauptkunde bleiben wird und bei der Konsolidierung der europäischen Luftfahrtbranche eine starke Rolle einnimmt.

Aber wozu brauchen Sie dann in Frankfurt den Flugsteig G, den Sie 2020 für die Billigflug-Gesellschaften in Betrieb nehmen wollen? An diesem neuen Flugsteig sollen doch jährlich vier bis fünf Millionen Passagiere abgefertigt werden. Und mit Ryanair werden in diesem Jahr weniger als eine Million Reisende in Frankfurt starten und landen.

SCHULTE: Auch Ryanair und die anderen Low Coster werden in Frankfurt weiter wachsen. Aber unabhängig davon: Wir werden in diesem Jahr rund 64 Millionen Passagiere und damit plus 3 Millionen in Frankfurt begrüßen. Das heißt: Der Flughafen ist im Grunde schon stark ausgelastet. Und im kommenden Jahr erwarten wir ein ähnlich großes Wachstum wie dieses Jahr. Deshalb brauchen wir 2020 vorgezogen den Flugsteig G – das Terminal 3 wird erst 2023 in Betrieb gehen können.

Nun hat aber die Initiative „Zukunft Rhein-Main“ im November ein Gutachten vorgelegt, demnach der Flugsteig mit dem Planfeststellungsbeschluss zur Errichtung des dritten Terminals nicht vereinbar ist. Befürchten Sie, dass das hessische Verkehrsministerium bei seiner laufenden Prüfung auch zu diesem Schluss kommt und den Bau untersagt? Die Bauaufträge haben Sie ja schon ausgeschrieben.

SCHULTE: Da mache ich mir keine Sorgen. Wir sind davon überzeugt, dass unser Bauantrag für Pier G planfeststellungskonform ist.

Die Anwohner des Flughafens sind gegen eine große Zahl von Billigfliegern am Frankfurter Flughafen, weil sie befürchten, dass damit mehr Flugbewegungen einhergehen. Tatsächlich steigt in diesem Jahr nun die Zahl der Flugbewegungen, nachdem sie aufgrund des verstärkten Einsatzes größerer Flieger seit Jahren gesunken war. Ist das ein Trend, der sich verstetigen wird?

SCHULTE: Ja, davon gehen wir aus, da der Luftverkehrsmarkt insgesamt weiter wächst, Bürgerinnen und Bürger häufiger fliegen. Für uns ist wichtig, dass der Frankfurter Flughafen viele Ziele verbindet, große Destinationen ebenso wie kleine. Das ist die Funktion des Hubs in Frankfurt. Wir rechnen damit, dass die Zahl der Flugbewegungen in diesem und im nächsten Jahr um mehr als zwei Prozent steigen wird – auch, weil die Billig-Airlines für die kleineren Destinationen, die sie ansteuern, kleinere Flugzeugmuster einsetzen. Allerdings bleibt es dabei, dass die Passagierzahlen stärker wachsen werden als die Flugbewegungen. Bis wir die im Planfeststellungsbeschluss für den Flughafenausbau erlaubten 701 000 Flugbewegungen erreichen, werden ohnehin noch viele Jahre vergehen.

Aber die Unzufriedenheit ist jetzt schon groß. Zwar ist nun eine Lärmobergrenze beschlossen worden, derzufolge der Lärm nicht so stark ansteigen soll. Und schon seit Frühjahr 2016 sind Lärmpausen Teil des Regelbetriebs. Allerdings zeigen sich Kommunen, Bürger-Initiativen und Politiker mit den Lärmschutz-Maßnahmen unzufrieden. Von einer „Mogelpackung“ ist die Rede und einem „Lärm-Verschiebemodell“. Viele Anwohner beklagen, dass sie keine Entlastung spüren.

SCHULTE: Also wir werden vielfach angesprochen und angeschrieben, dass es leiser geworden ist – durch die Lärmpausen und durch das Nachtflugverbot, das in Frankfurt seit 2011 besteht. Und wir entnehmen Studien – die nicht wir in Auftrag gegeben haben –, dass das Thema Fluglärm in dieser Region eine immer geringere Rolle spielt. Und in diesem Zusammenhang ist wichtig zu erwähnen: Das aktuelle Beschwerdeniveau gegen Fluglärm liegt unter dem vor der Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest im Oktober 2011. In der Breite wird anerkannt, wie viel wir zur Minderung der Belastung unternommen haben und dass wir Vorreiter in Sachen Lärmschutz sind. Aber es wird natürlich immer Menschen geben, für die die Situation sehr schwierig ist; Menschen, die stark betroffen sind oder sich stark betroffen fühlen und die wir trotz aller Maßnahmen nicht überzeugen können.

Rührt die Unzufriedenheit auch daher, dass Bürger das Gefühl haben, die Belange des Luftverkehrs seien nach wie vor wichtiger als die Belange der Anwohner? Die Lärmobergrenze ist nicht rechtsverbindlich; und für den Fall einer Überschreitung der vereinbarten Werte gibt es keine Sanktionen – anders als von Verkehrsminister Tarek Al-Wazir ursprünglich vorgesehen.

SCHULTE: Wir haben zugesagt, dass wir die Lärmobergrenze einhalten wollen. Und das heißt, es wird nicht mehr wesentlich lauter werden als heute.

Viele Betroffene zweifeln daran.

SCHULTE: Zu Unrecht. Unsere wichtigste Währung heißt Vertrauen. Dies gilt für uns im Übrigen genauso wie für die Politik. Und dass die gefühlte Belästigung größer ist als die tatsächliche Belastung, muss ich so akzeptieren – davon lassen wir uns aber nicht entmutigen. Deshalb sind wir zusammen mit Partnern wie Lufthansa oder Condor entschlossen, das Wachstum des Fluglärms zu begrenzen. Aber, wie gesagt, es wird Menschen geben, die auch nach fünf, sechs oder sieben Jahren trotz aller Maßnahmen – wie zum Beispiel eine Entschädigung für die durch Fluglärm beeinträchtigte Nutzung des Außenwohnbereichs – die Situation nicht akzeptieren können. Die neue Landebahn wird auch in zehn, zwanzig Jahren noch in Betrieb sein – auch wenn mir manche Bürgerinitiativen in dieser Einschätzung da nicht zustimmen werden.

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