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Fremdenhass: Sachsens Wirtschaft bangt um Standort

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Hilfe für Flüchtlinge: Christian Böttcher (r.) vom Mitteldeutschen Verkehrsverbund in Borna  zeigt den neuen, in arabisch gedruckten Flyer.
Hilfe für Flüchtlinge: Christian Böttcher (r.) vom Mitteldeutschen Verkehrsverbund in Borna zeigt den neuen, in arabisch gedruckten Flyer. © Jan Woitas (dpa-Zentralbild)

Die Wirtschaft in Sachsen sorgt sich nach fremdenfeindlichen Vorfällen um den Standort.

Durch Angriffe auf Asylbewerber, Brandstiftung in Flüchtlingsheimen und Pegida-Demonstrationen drohen Sachsen nicht nur schwere Imageschäden, sondern auch messbare Nachteile für die Wirtschaft. Das befürchtet der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden, Detlef Hamann. Dies könne Auftragseingänge oder die Anwerbung von Fachkräften von außerhalb Sachsens betreffen. Es werde für Sachsens Unternehmer „immer schwieriger, auf den Märkten ein positives Bild sächsischer Wirtschaftskraft zu präsentieren“, sagte Hamann dem „Handelsblatt“.

Die ausländerfeindlichen Zwischenfälle bereiten auch der Chipindustrie Kopfzerbrechen. „Die Schlagzeilen, die jeden Tag auf Bürger und Unternehmer einprasseln, machen ziemlich klar, dass wir ein Problem haben. Das ist eindeutig“, sagte Heinz Martin Esser, Präsident des regionalen Branchenverbands Silicon Saxony. Die Industrie am Standort habe international starke Verbindungen: „In unserer Hightech-Industrie arbeiten Mitmenschen aus vielen Ländern.“ Sachsen ist traditionell das Mekka der Halbleiterindustrie in Deutschland. Rund 50 000 Menschen arbeiten dort in der Branche, die börsennotierte Infineon und der Auftragsfertiger Globalfoundries im Besitz des arabischen Emirats Abu Dhabi unterhalten hier wichtige Werke. „Wir brauchen diese Globalität. Wir werden alles dafür tun, sie zu erhalten“, sagte Esser. Geplant sei eine gemeinsame Erklärung der 350 Mitgliedsfirmen und eine Kommunikationskampagne auch innerhalb der Betriebe. „Das, was hier auf der Straße passiert, macht die Leute nicht fröhlich.“ Insider berichteten zudem, dass sich manche Unternehmen bemühten, Besprechungen mit internationalen Teilnehmern nicht am Montag in Dresden abzuhalten, wenn dort Pegida demonstriert.

„Einen hohen Preis“

Auch Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sorgt sich um das Ansehen Deutschlands in der Welt. „Der Eindruck, dass bei uns gegen Ausländer demonstriert wird, schadet unserem Land“, sagte Kramer: „Es muss selbstverständlich sein, dass Asylsuchende in Deutschland unabhängig von ihrer Bleibeperspektive mit Respekt behandelt werden.“ Die sächsische DGB-Vorsitzende Iris Kloppich hatte sich ebenfalls schon früh gegen Ausländerfeindlichkeit ausgesprochen: „Alle gesellschaftlichen Kräfte in Sachsen haben die Aufgabe, für Weltoffenheit und Toleranz zu werben.“

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sagte: „Die Wirtschaft Sachsens wird für die Fremdenfeindlichkeit mancher seiner Bewohner einen hohen Preis zahlen.“ Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich warnte ebenfalls, dass Anschläge Touristen und Wirtschaftsbetriebe abschrecken könnten. Er werde dafür arbeiten, weiteren Schaden von Sachsen abzuwenden. Das wolle die Landesregierung mit einem breiten Aktionsbündnis gesellschaftlicher Kräfte gegen Rechtsextremismus und durch mehr Polizisten erreichen.

Der Tourismus in Dresden leidet bereits. 2015 gingen die Übernachtungszahlen erstmals nach sechs Jahren Wachstum um drei Prozent zurück, bei den Ankünften gab es ein Minus von 2,3 Prozent. Bettina Bunge, Geschäftsführerin der Dresden Marketing GmbH (DMG), sprach von einem „Pegida-Effekt“ und einem Imageverlust für die sächsische Landeshauptstadt. Vor allem bei Gästen aus dem Inland macht sich Zurückhaltung bemerkbar: 2015 sank die Zahl ihrer Übernachtungen um 5,1 Prozent.

(rtr,tba)

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