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Klimaschutz: Wie die fossile Inflation die EZB in Bedrängnis bringt

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Von: Prof. Oliver Holtemöller

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Prof. Dr. Oliver Holtemöller ist stellvertretender Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).
Prof. Oliver Holtemöller ist stellvertretender Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). © Imago/Litzka

Die Europäische Zentralbank hat sich dem Klimaschutz verpflichtet. Doch fossile Energieträger wie Öl und Gas werden immer teurer und treiben so die Inflation. Damit steht die EZB vor einem Zielkonflikt, schreibt Prof. Oliver Holtemöller vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) im Gastbeitrag.

Halle – Die Reduktion klimaschädlicher Treibhausgasemissionen ist ein erklärtes Ziel nationaler und internationaler Politik. Das ökonomisch effiziente Instrument zur Erreichung dieses Ziels ist ein globaler CO2-Preis, der hoch genug ist, um die Emissionen auf das gewünschte Maß zu drücken, oder ein globales Mengenziel mit handelbaren Emissionsrechten. Allerdings gibt es keine internationale Organisation, die in der Lage wäre, eine solche Politik zu organisieren und durchzusetzen.

EZB hat Klimaschutz in geldpolitische Agenda integriert

Auch in der Europäischen Union kommt eine effiziente Bepreisung von Treibhausgasen offenbar aus politischen Gründen nicht zustande. Daher wird mit allerhand Einzelmaßnahmen versucht, die Emissionsreduktionsziele zu erreichen. So hat die Europäische Zentralbank (EZB) im vergangenen Jahr im Zuge einer Revision ihrer geldpolitischen Strategie den Klimaschutz in die geldpolitische Agenda integriert.

Stimme der Ökonomen

Klimawandel, Lieferengpässe, Corona-Pandemie: Wohl selten zuvor war das Interesse an Wirtschaft so groß wie jetzt. Das gilt für aktuelle Nachrichten, aber auch für ganz grundsätzliche Fragen: Wie passen die milliarden-schweren Corona-Hilfen und die Schuldenbremse zusammen? Was können wir gegen die Klimakrise tun, ohne unsere Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel zu setzen? Wie sichern wir unsere Rente? Und wie erwirtschaften wir den Wohlstand von morgen?

In unserer Reihe Stimme der Ökonomen liefern Deutschlands führende Wirtschaftswissenschaftler in Gastbeiträgen ab sofort Einschätzungen, Einblicke und Studien-Ergebnisse zu den wichtigsten Themen der Wirtschaft – tiefgründig, kompetent und meinungsstark.

Sie argumentiert dabei etwa wie folgt: Um die Erderwärmung zu begrenzen, sei das Handeln vieler Akteure notwendig; und letztlich gingen mit den Folgen des Klimawandels auch Risiken für die Preisstabilität einher, deren Gewährleistung nach wie vor das Hauptziel der Geldpolitik ist.

Sollte die fossile Inflation mit restriktiver Geldpolitik bekämpft werden?

Aber was kann die Geldpolitik im Hinblick auf Treibhausgasemissionen tatsächlich erreichen? Sollte sie etwa ihr Preisstabilitätsziel neu definieren und Inflation unterschiedlich behandeln, je nachdem, was die Ursache von Preisanstiegen ist? Die Argumentation könnte wie folgt lauten: Wenn fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas teurer werden, gibt es für Unternehmen und Haushalte mehr Anreize auf nicht-fossile Energieträger umzuschwenken. Und dies reduziert die Treibhausgasemissionen.

Ist also fossile Inflation gut für das Klima und sollte daher nicht mit restriktiver Geldpolitik bekämpft werden? Nach dieser Logik wäre es auch gut, nicht mit geldpolitischen Mitteln gegen eine Rezession vorzugehen; denn in ökonomischen Schwächephasen sinken die Treibhausgasemissionen, wie wir zum Beispiel im Zuge der COVID-Pandemie gesehen haben.

EZB: Wohlfahrtssteigernde Geldpolitik geht nicht immer mit Klimaschutz einher

An dieser Stelle wird deutlich, was Ökonomen die Ziel-Instrumenten-Problematik nennen. Es kann Konflikte zwischen verschiedenen politischen Zielen geben, hier zwischen der Stabilisierung von Inflation und Konjunktur auf der einen und der Reduktion von Treibhausgasemissionen auf der anderen Seite. Betrachtet man die Geldpolitik vereinfacht als ein einzelnes wirtschaftspolitisches Instrument, dann können damit im Allgemeinen nicht makroökonomische Stabilisierung und Emissionsreduktion gleichzeitig erreicht werden.

Zwar gibt es im Werkzeugkasten der Zentralbanken eine ganze Reihe von verschiedenen Instrumenten; dass sich damit im Konflikt befindliche Ziele unabhängig erreichen ließen, ist aber zu bezweifeln. Zudem könnte der emissionsreduzierende Effekt einer restriktiven geldpolitischen Reaktion auf fossile Inflation über die damit verbundene Dämpfung der Konjunktur quantitativ durchaus bedeutsamer sein als das oben beschriebene Anreizargument zugunsten fossiler Inflation.

Insgesamt zeigt sich, dass (kurzfristig) wohlfahrtssteigernde Geldpolitik (im Sinne der Stabilisierung von Preisen, Einkommen, Arbeitslosigkeit usw.) nicht gleichzeitig diejenige Geldpolitik ist, die auch zu der größtmöglichen Reduktion der Treibhausgasemissionen führt.

Umgekehrt ginge eine Geldpolitik, die sich auf die Reduktion von Treibhausgasemissionen konzentriert, mit kurzfristigen Wohlfahrtsverlusten etwa aufgrund höherer Arbeitslosenquoten in Rezessionen einher. Es wird spannend zu sehen sein, wie die Europäische Zentralbank mit diesem durch die neue geldpolitische Strategie verstärkten Zielkonflikt umgehen wird. 

Zur Person: Prof. Dr. Oliver Holtemöller ist stellvertretender Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und Professor für Volkswirtschaftslehre, insb. Makroökonomik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

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