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Professorin Yvonne Ziegler: „Eine Frauenquote wäre hilfreich“

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Viele Frauen arbeiten in Gesundheits- und Sozialberufen – wichtig für die Gesellschaft, aber häufig schlecht bezahlt. Foto: dpa
Viele Frauen arbeiten in Gesundheits- und Sozialberufen – wichtig für die Gesellschaft, aber häufig schlecht bezahlt. Foto: dpa © dpa

"Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, so steht es im Grundgesetz (Artikel 3, Absatz 2). Doch wie gleichberechtigt sind Männer und Frauen tatsächlich? Leben wir schon in einer Welt, die weder Mann noch Frau bevorzugt? Es gibt viele Antworten auf diese Frage. Sicher jedoch ist, dass der Unterschied zwischen dem weiblichen und dem männlichen Geschlecht viele Bereiche des Alltags umfasst. Immer noch gibt es typische Frauen- und Männerberufe. Auch arbeiten viele Frauen nur halbtags, um am Nachmittag für ihre Kinder da zu sein. Wie fortschrittlich sind wir also beim Thema Gleichberechtigung? Dr. Yvonne Ziegler ist Professorin für Betriebswirtschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences. Seit 2007 arbeitet sie dort und lehrt nicht nur Betriebswirtschaft, sondern Dort forscht sie unter anderem zum Thema berufstätige Frauen. 2015 war sie Co-Autorin veröffentlichte sie zusammen mit einer Kollegin eine Studie zum Thema Karriereperspektiven berufstätiger Mütter. 2019 soll eine weitere Studie veröffentlicht werden. Die Junge-Zeitung-Autorinnen Julina Hauer, Saskia Bernshausen und Ella Staat sprachen mit ihr über die Karriereperspektiven von Frauen und über die Lohnlücke zu Männern.

Wie groß ist der Unterschied bei der Bezahlung zwischen Mann und Frau denn heute? 

In Deutschland liegt der Unterschied bei etwa 21 Prozent, bereinigt 6 Prozent. Bereinigt bedeutet, dass die Arbeitszeit und die Stelle berücksichtigt werden: Bei gleicher Arbeit in der gleichen Zeitspanne verdienen Frauen also durchschnittlich 6 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Damit gehört Deutschland im europäischen Vergleich zu den Ländern mit den höchsten Unterschieden bei der Bezahlung zwischen Mann und Frau. Der europäische unbereinigte Durchschnitt liegt bei 16 Prozent. Nachbarländer wie Belgien und Italien liegen bei nur 5 bzw. 6 Prozent.

Haben Frauen, statistisch gesehen, die gleichen Aufstiegschancen wie Männer?

Ich denke eher nicht: In der Schule und an den Universitäten ist eine absolute Chancengleichheit gegeben, aber danach eben nicht. Das liegt an vielen Gründen. Führungspositionen sind oftmals mit Männern besetzt, die ihresgleichen dann eher bevorzugen. Obwohl Frauen häufig in Schule und Studium bessere Noten erzielen als Männer, gibt es nach wie vor prozentual weniger Frauen in Führungspositionen.

Dieser Artikel wurde von Teilnehmerinnen der Jungen Zeitung geschrieben. Hier lesen Sie alles über Projekt.

Gibt es Branchen, in denen die Gehaltsspanne zwischen Mann und Frau besonders groß ist oder Aufstiegschancen für Frauen geringer sind?

Laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey aus dem Jahr 2016 gibt es Branchen, in denen von Anfang an nur wenige Frauen aufgenommen werden, von denen aber relativ viele bis zu den Chefpositionen aufsteigen: In der Automobilbranche wurden zwar nur 26 Prozent der Frauen aufgenommen, aber dafür konnten 13 Prozent bis in Führungspositionen aufsteigen. Es gibt aber auch das genaue Gegenteil: Branchen, die viele Frauen aufnehmen, bei denen aber wenige bis oben auf die Chefpositionen kommen, wie zum Beispiel im Bereich Logistik und Transport. Viele der Frauen, die in dieser Branche anfangen, bleiben dann oft im mittleren Management hängen.

Da Frauen weniger Geld bekommen, können sie auch weniger in die Rentenkasse einzahlen. Denken Sie, dies ist ein Grund für die zunehmend steigende Altersarmut?

Ich glaube, das ist ein generelles Problem. Von der Altersarmut sind sowohl Männer als auch Frauen betroffen. Ohne zusätzliche private Vorsorge ist es für viele Menschen in Deutschland schwierig, mit der gesetzlichen Rente den gewohnten Lebensstandard zu halten. Aber bei Frauen in Westdeutschland sieht es besonders kritisch aus, denn sie haben im Schnitt nur knapp 50 Prozent der Rente der Männer. Wenn eine Frau nach ihrer Babypause einen Job findet, wie viel Prozent verdient sie dann weniger als vor der Babypause? Wenn sie auf ihren „alten“ Job zurückkehrt, dann darf sie normalerweise keine Lohneinbußen haben. Viele Frauen wollen allerdings lieber in Teilzeit arbeiten und verdienen dann natürlich auch entsprechend weniger. Manchmal ist es auch so, dass man die Position, die man vor der Babypause innehatte, nicht mehr ausüben kann, weil einem nicht zugetraut wird, diese Stelle auch in Teilzeit zu belegen. Dann muss man sich oft einen anderen Teilzeitjob suchen, bei dem es geringere Löhne gibt. Oft nehmen Frauen, einfach um im Beruf zu bleiben, Abstriche hin, damit sie überhaupt etwas bezahlt bekommen. In den Umfragen wurde auch oft erwähnt, dass geplante Karriereschritte und Gehaltserhöhungen gestrichen wurden. Gelegentlich nehmen Frauen auch einen Teilzeit-Job an, der insgesamt schlechter bezahlt ist. Viele Arbeitgeber nehmen auch oft die Frauen aus der Babypause nicht zurück, weil sie diese für nicht mehr belastbar halten. Laut einer aktuellen, von mir und meiner Kollegin Graml durchgeführten Umfrage unter 2000 berufstätigen Müttern in Deutschland haben nur 55 Prozent der Führungskräfte aktiv ein Interesse an der Rückkehr der Mütter signalisiert.

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Was, denken Sie, müsste man tun, um die Unterschiede bei der Bezahlung zwischen Mann und Frau zu füllen?

Bei dieser Lücke ist es natürlich wichtig, darauf zu achten, dass man als Frau überlegt, was es für Berufe gibt, in denen man gut verdienen kann. Natürlich gibt es viele Berufe, die wichtig sind, diese werden dann aber oft nicht so gut bezahlt. Man sollte sich auf jeden Fall alle Optionen offen halten und in der Schule dann vielleicht nicht direkt Naturwissenschaften abwählen, weil diese Fächer in den gut bezahlten Jobs oft gebraucht werden. Mädchen müssen bei der Wahl von Schulfächern und Studium auch an Beschäftigungschancen und die Bezahlung denken. Ingenieurs- und Informatikabsolvent/innen erhalten deutlich mehr Geld als Sozialpädogogikabsolvent/innen. Außerdem müssen junge Frauen darauf achten, dass sich eine Teilzeittätigkeit und ein beruflicher Ausstieg beim Gehalt und der Rente bemerkbar machen. Im Übrigen wäre eine Quote für Frauen in Führungspositionen hilfreich, um jungen Frauen gleichberechtigte Chancen zu geben.

Woran liegt es, dass Frauen sich oft Berufe mit geringerer Bezahlung aussuchen?

Ich glaube, auf der einen Seite denken die meisten Frauen in erster Linie daran, was ihnen Spaß macht, und studieren Fächer wie zum Beispiel Germanistik oder Geschichtswissenschaften, bei denen schon im Vorhinein klar ist, dass dies zwar spannende Studienfächer sind, die aber nur wenige gut bezahlte Tätigkeiten bereithalten. Bei genau diesen Berufen ist der Arbeitsmarkt eng, da muss man dann besonders gut sein, um eine Stelle zu bekommen. Viele kriegen dann keine Stelle und gehen wieder zurück in die Wirtschaft, in den Bereich Pressearbeit oder Public Relations. Man sollte nicht immer nur ausschließlich nach seinen Interessen Studienfächer auswählen, sondern sich auch Gedanken machen, was man damit anfangen kann und welche Berufe einem damit offen stehen. Laut einer Studie der Zeitschrift Brigitte von 2017 bereut ein Drittel der befragten Frauen heute ihre Entscheidung der Berufswahl.

Die meisten Frauen entwickeln sich beruflich nicht weiter, es sind also Männer in den Führungspositionen. Warum?

Das hat verschiedene Gründe. Zum einen trauen sich viele Frauen oft nicht, da fehlt dann in vielen Fällen die Ermutigung. Männer sind da einfach selbstbewusster, die trauen sich mehr zu und überschätzen sich vielleicht auch mal. Bei Frauen ist das meist genau umgekehrt, sie wollen oft alles perfekt machen. Mädchen und junge Frauen sollten auch mutig und selbstbewusster sein und sich ein bisschen mehr zutrauen. Ich finde, da sollte man an die Studien- und Schulzeit zurückdenken, in der Mädchen oftmals sogar besser als die Jungs waren. Man muss sich bewusst machen, dass sich dies nicht ändert, nur weil man plötzlich nicht mehr in der Schule ist, sondern einen Beruf hat.

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