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Die lange Zeitreise des Thomas Cook

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Mit seiner ersten Weltreise in den Jahren 1872 und 1873 ebnete Cook den Weg zur Fernreise. Unter anderem gehörten Ägypten und die Türkei zu den Etappenzielen dieser Expedition. Heute meiden immer mehr Urlauber beide Länder ? zu groß ist die Angst aufgrund der akuten Terrorgefahr.
Mit seiner ersten Weltreise in den Jahren 1872 und 1873 ebnete Cook den Weg zur Fernreise. Unter anderem gehörten Ägypten und die Türkei zu den Etappenzielen dieser Expedition. Heute meiden immer mehr Urlauber beide Länder ? zu groß ist die Angst aufgrund der akuten Terrorgefahr. © Thomas Cook (Thomas Cook)

Thomas Cook ist der älteste Reisekonzern der Welt – und einer der erfolgreichsten noch dazu. Trotz gegenwärtiger Krisen blickt er positiv in die Zukunft.

Reisen und dem Alkohol trotzen: Die Geburt jenes Einfalls machte Thomas Cook zum stolzen Papa des Pauschaltourismus. Am 5. Juli 1841 organisierte der tiefgläubige Baptistenprediger einen Kurztrip für Abstinenzler. Mit dem Zug ging es von Leicester nach Loughborough. Der Ausflug ermöglichte 500 Schlechtverdienern die vorübergehende Flucht aus einem durch harte Arbeit, beengte Wohnverhältnisse und allzu oft auch durch Alkohol geprägten Alltag. Gemeinsame Anfahrt, kollektive Versorgung, organisierte Attraktionen – ein Schnürpaket an touristischen Leistungen – der Inbegriff einer Pauschalreise! Cooks Initiative war von Erfolg gekrönt, die Ära des Massentourismus angebrochen.

Heute, 175 Jahre später: In Scharen zieht es Reiselustige unter der Flagge von Cooks Unternehmen in ferne Länder. Beruhigungsschnäpschen während des Flugs, Sektempfang in der Hotellobby, Happy Hour an der Bar – sein ursprüngliches Ziel, Menschen auf Touristenpfaden vom Alkohol fortzuführen, ist gescheitert. Ebenso wenig wie auf Wein, Bier und Spirituosen verzichtet der Weltbürger des 21. Jahrhunderts allerdings auf die Erkundung fremder Länder und Kulturen. Jährlich betreut Cook an die 20 Millionen Kunden, ein Fünftel davon allein in Deutschland. 22 000 Mitarbeiter kümmern sich in mehr als 1000 Reisebüros um die Reiselustigen.

Im vergangenen Geschäftsjahr erzielte der Konzern einen Erlös von 7,8 Milliarden Pfund (knapp 9,3 Milliarden Euro). In Deutschland gelang ein Umsatz von 2,1 Milliarden, der operative Gewinn lag bei 211 Millionen Pfund. Und doch: Immer wieder schwächeln die Geschäfte – auch zuletzt. Nicht nur belastet der EU-Austritt Großbritanniens das Unternehmen – am Tag des Votums sackte die Aktie um knapp 15 Prozent ein, seither hat sie sich nur schleppend erholt. Auch die Buchungen für die Sommersaison liegen Konzernangaben zufolge über alle Zielgebiete hinweg fünf Prozent niedriger als noch vor einem Jahr. Der Grund: Bei Thomas Cook drückt die Tourismuskrise am Bosporus kräftig aufs Geschäft. Ohne das Ziel Türkei lägen die Sommerbuchungen 2015 sogar sechs Prozent über dem Vorjahreswert. Der nach TUI zweitgrößte Anbieter touristischer Leistungen ist in Deutschland und Großbritannien Marktführer für Reisen in das orientalische Abendland. Aufgrund der regelmäßigen Attentate im letzten Jahr machen Urlauber jedoch einen großen Bogen um Vorderasien.

Neue Ziele, neue Hotels

Doch so schnell lässt sich der Konzern nicht in die Knie zwingen. Längst hat Thomas Cook Lösungsansätze erarbeitet. Fürs Winterprogramm – so teilt die Unternehmensleitung mit – sei das Angebot in Ländern verstärkt worden, die Alternativen zu den klassischen – derzeit von Terror heimgesuchten – Winterzielen Ägypten und Tunesien böten. Den stärksten Produktausbau gibt es auf der Lieblingsinsel der Deutschen, Mallorca, mit gleich zehn Unterkünften. Zum ersten Mal findet sich außerdem Madeira im Katalog. Insgesamt wurden 330 Hotels und 33 Rundreisen neu ins Programm aufgenommen.

„Generell“, so erklärt Stefanie Berk, Geschäftsführerin Thomas Cook Zentraleuropa, „ist das Verlangen nach Urlaub ungebrochen.“ Alle Ziele bis auf die Türkei und Nordafrika verzeichnen starke Wachstumsraten. „Gerade in einer schwierigen Welt braucht der Mensch Abstand und Erholung. Urlaub ist da nicht wegzudenken.“ Besonders Fernziele würden sich immer größerer Beliebtheit erfreuen. Sehr gefragt seien Reisen in die Karibik, vor allem nach Kuba und Mexiko, und auch nach Thailand. „Die Leute wollen die Welt entdecken“, so Berk. Zu den beliebtesten Zielen im Sommer 2016 würden bei den Thomas Cook-Veranstaltern die Balearen gehören, gefolgt von Griechenland, den Kanaren und Italien. Auch Urlaub im eigenen Land sei wieder gefragt, so liegt Deutschland knapp hinter den beliebtesten Flugreisezielen.

Zur Gründungszeit des Reisekonzerns war diese breite Auswahl an Destinationen noch undenkbar: Die Ausflüge, die Cook seinen Kunden offerierte, beschränkten sich zunächst auf England. Immerhin Tausende ergriffen somit erstmalig die Chance auf eine Zugfahrt. Mit wachsender Nachfrage weitete Cook das Repertoire seines mittlerweile kommerziell ausgerichteten Unternehmens allerdings bereits nach wenigen Jahren auf Schottland, Wales und Irland aus. Und schließlich organisierte er 1855 seine erste Europareise – sie führte nach Antwerpen, Brüssel, Straßburg, Paris, Heidelberg und nicht zuletzt auch nach Frankfurt. Auf dem Erfolg aufbauend, nahm er alsbald Ziele in der Schweiz und in Italien ins Sortiment auf. Erst Jahre später folgten dann erste Expeditionen nach Ägypten und Palästina.

Luxusurlaub ist gefragt

Mit seiner ersten Weltreise in den Jahren 1872 und 1873 ebnete Cook den Weg zur Fernreise. In 222 Tagen legte er 46000 Kilometer zurück. Sechs Jahre später übernahm sein Sohn das Geschäft. John Mason legte prompt klare Ziele fest, um die Zukunft des Unternehmens zu sichern. Mit der Absicht, international zu expandieren, sicherte er sich neue globale Partnerschaften. Außerdem baute er eine Flotte an Nil-Dampfschiffen – auf denen sich eine große Anzahl an Touristen preisgünstig versorgen ließ. Erst seine drei Söhne bemühten sich Anfang der 90er Jahre darum, auch Reisen für die gesellschaftliche Elite ins Sortiment aufzunehmen.

„Froh schlägt das Herz im Reisekittel, vorausgesetzt man hat die Mittel“, dichtete einst Wilhelm Busch. Cook wollte das zu Lebzeiten nicht hinnehmen. Heute jedoch verfolgt das Unternehmen längst nicht mehr die noble Absicht des Gründervaters, durch besonders günstige Tarife speziell jene Menschen ins Ausland zu befördern, die es sich eigentlich nicht leisten könnten. Im Gegenteil: „Wir wollen unser Premium-Segment ausbauen“, erklärt Berk. Das Profil der Hauptmarken Neckermann Reisen und Thomas Cook solle geschärft werden, letztere künftig den Namen „Thomas Cook Signature“ tragen und ausschließlich qualitativ hochwertige Hotels im Vier- und Fünf-Sterne-Bereich anbieten. „Signature Finest Selection“ deckt das Luxussegment ab und beinhaltet Hotels ab fünf Sternen. Diese Entscheidung ist wohldurchdacht. Wohingegen das klassische Geschäft mit den Pauschalreisen seit zehn Jahren schwächele, habe sich die Zahl der Buchungen exklusiverer Reisen verdoppelt, erklärt Berk.

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