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Lufthansa befriedet die Kabine

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Lufthansa-Vorstand Bettina Volkens (links), Schlichter Matthias Platzeck (Mitte) und Ufo-Chef Nicoley Baublies.
Lufthansa-Vorstand Bettina Volkens (links), Schlichter Matthias Platzeck (Mitte) und Ufo-Chef Nicoley Baublies. © Britta Pedersen (dpa-Zentralbild)

Fünfeinhalb Monate hat die vom früheren SPD-Politiker Matthias Platzeck geführte Schlichtung zwischen dem Lufthansa-Management und der Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO gedauert. Die erzielte Einigung ist nicht nur ungewöhnlich umfangreich – sie ist auch auf ungewöhnlich lange Zeit ausgelegt.

Hält die Tarifeinigung, was sich alle Beteiligten von ihr versprechen, werden die Kunden der Lufthansa in den kommenden sieben Jahre nicht mehr unter Streiks leiden müssen – zumindest nicht seitens des Kabinenpersonals. Denn Management und Flugbegleiter haben sich für die Zeit bis 2023 auf Mechanismen geeinigt, die „verhindern, dass ein Konflikt zwischen dem Unternehmen und den Mitarbeitern so eskaliert, dass es gleich zu Streiks kommt“, wie der Schlichter Matthias Platzeck es gestern Nachmittag bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit der Lufthansa und der Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO in Berlin formulierte. Zu diesem Zweck haben sich Management und Arbeitnehmer-Vertretung für die Zukunft nicht nur zu regelmäßigen Gesprächen verpflichtet – sollte UFO trotzdem einen Vollstreik ankündigen, kann das Unternehmen künftig auch sofort einen Schlichter anrufen und verbindlich entsprechende Verhandlungen ansetzen. In dem insgesamt drei Jahre währenden Tarifkonflikt hatte das Kabinen-Personal im vergangenen November eine Woche lang die Arbeit niedergelegt – es war der längste Streik in der Geschichte der Lufthansa.

„Da hat sich gezeigt, dass es große Probleme gibt, wenn die Sozialpartnerschaft nicht gepflegt wird“, sagte Platzeck an die Adresse von Lufthansa-Personalvorstand Bettina Volkens und UFO-Verhandlungsführer Nicoley Baublies, der bis April auch Chef der UFO gewesen ist. Die bisherigen Kontrahenten überschütteten indes den früheren SPD-Vorsitzenden und früheren Ministerpräsidenten Brandenburgs förmlich mit Lob. „Platzeck ist der Kunstgriff gelungen, unsere unterschiedlichen Interessen auf bestmögliche Art zu verheiraten: Lufthansa bekommt wirtschaftliche und politische Sicherheit, ohne dem einzelnen Mitarbeiter an irgendeiner Stelle etwas wegzunehmen“, so Baublies. „Wir danken ihm für seine hervorragende Arbeit“, betonte Volkens.

Ganze 29 Verträge umfasst nun die Einigung, die beide Seiten unter der Anleitung Platzecks in der mehr als fünfmonatigen Schlichtung gefunden haben. Dazu zählt auch eine Entgelt-Erhöhung mit ungewöhnlich langer Laufzeit: Von Januar 2016 bis Juni 2019 steigen die Gehälter der 19 000 Flugbegleiter in drei Stufen um insgesamt 5,5 Prozent. Bis September dieses Jahres gibt’s neben einer Einmalzahlung von 3000 Euro 2,2 Prozent mehr Lohn. Von Oktober an steigt das Gehalt um ein weiteres Prozent; weitere zwei Prozent kommen ab Januar 2018 hinzu. Last but not least steigt die Gewinnbeteiligung der Kabinen-Mitarbeiter deutlich. Zudem erhalten sie eine Beschäftigungsgarantie bis 2021. Dabei hat das Unternehmen auch zugesagt, seine Flugzeuge bis zum Jahr 2023 nicht mit Fremdpersonal zu besetzen. Im Gegenzug sollen die Personalkosten beim Kabinenpersonal um rund zehn Prozent im Vergleich zur bisher prognostizierten Entwicklung sinken – zumindest wenn die Belegschaft bei der Kernmarke Lufthansa um ein Prozent wächst.

Als beispielhafte Innovation priesen alle Beteiligten in diesem Zusammenhang die neue Vergütungstruktur: Aus dem viermonatigen Anlern-Job Flugbegleiter soll zusammen mit der IHK ein Ausbildungsberuf mit Bachelor-Abschluss entwickelt werden. Die höheren Entgeltstufen für Flugbegleiter mit mindestens 2150 Euro monatlichem Grundgehalt kann künftig nur noch erreichen, wer die 18-monatige Ausbildung absolviert – die von den Beschäftigten aber größtenteils selbst finanziert werden muss.

Neues Pensionssystem

Eine Lösung hat die Schlichtung schließlich auch beim bedeutsamsten Konflikt-Punkt herbeigeführt: dem Streit um die Neuregelung der Alters- und Übergangsversorgung des Kabinen-Personals. „Die Lösung ist für die Mitarbeiter gut auszuhalten und macht die betriebliche Versorgung für das Unternehmen kalkulierbarer“, kommentierte Platzeck die Einigung. Vor dem Hintergrund des Niedrigstzinsumfeldes und gerichtlich gekippter Altersgrenzen beim fliegenden Personal drängt die Lufthansa seit langem darauf, das in den 60er Jahren geschaffene, nicht mehr finanzierbare Pensionssystem zu reformieren. Da hat UFO nun eingelenkt, so dass die Lufthansa bei den Betriebsrenten künftig nicht mehr eine absolute Auszahlungshöhe garantieren muss, sondern nur noch die Höhe ihrer Beiträge. Und die sollen 5,2 Prozent des Gehalts betragen. Das Zinsrisiko geht damit auf die Mitarbeiter über. Neu eingestellte Mitarbeiter sind dabei aber schlechter gestellt: Sie erhalten für die ersten fünf Jahre keine Beiträge zur Versorgung, es sei denn, sie absolvieren die neue Ausbildung. Ohne diese erhalten die neuen Mitarbeiter auch nach fünf Jahren keine Übergangsversorgung.

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