Mehr Hessen in der Schuldenfalle
Das reiche Hessen ist in Sachen Überschuldung nur Mittelmaß. Die Städte Offenbach, Wiesbaden und Kassel zählen bundesweit zu den Problemfällen.
Hessen gehört zu den reichsten deutschen Bundesländern: Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 43 073 Euro je Einwohner (Stand 2015) liegt es direkt hinter den Stadtstaaten Hamburg und Bremen sowie Bayern auf Platz vier. Doch nicht alle Hessen profitieren gleichmäßig von der hohen Wirtschaftsleistung: Es stecken im Land sogar etwas mehr Menschen in der Schuldenfalle fest als im Bundesdurchschnitt. Jeder zehnte Erwachsene, genau 10,07 Prozent, in Hessen ist überschuldet, wie aus dem Schuldner-Atlas 2016 der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervorgeht. Das bedeutet: Gut eine halbe Million Hessen können ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen. Im Vergleich zum Vorjahr, als die Quote noch bei 10,0 Prozent lag, ist die Zahl der Überschuldungsfälle um rund 8000 gestiegen.
Hessen liegt knapp über der bundesweiten Verschuldungsquote von 10,06 (Vorjahr: 9,82) Prozent. Die stärksten Anstiege verzeichneten im Vorjahresvergleich Baden-Württemberg (8,34 Prozent; plus 0,25 Punkte), Bayern (7,35 Prozent) und Sachsen (9,89 Prozent, beide plus 0,24 Punkte). Diese Bundesländer und Thüringen (9,24 Prozent) bleiben unterhalb des bundesweiten Schnitts. Schlusslichter in Deutschland sind weiterhin Bremen und Berlin, beide immerhin mit (leichten) Rückgängen der Überschuldungsquote.
Offenbach ganz hinten
Besonders augenfällig: Unter den zehn Städten mit den höchsten Überschuldungsquoten befinden sich gleich zwei aus Hessen. Offenbach liegt mit 17,79 Prozent bundesweit auf dem viertschlechtesten Platz aller 402 Landkreise und Kreisfreien Städte (allerdings war es 2015 mit 18,01 Prozent noch der drittschlechteste Rang). Wiesbaden kommt mit nun 16,77 Prozent (Vorjahr: 16,01 Prozent) auf den zehntschlechtesten Platz und ist damit die Landeshauptstadt mit der höchsten Überschuldung bundesweit. Nur zwei Plätze davor rangiert die Stadt Kassel (16,37 nach 16,47 Prozent). Die kriselnden Industriestädte Offenbach und Kassel haben auch sehr hohe, das reiche Wiesbaden eine relativ hohe Arbeitslosenquote. Im Langzeitvergleich zwischen 2004 und 2016 weist Wiesbaden (plus 4,01 Punkte) nach Herne (plus 4,86 Punkte) den deutschlandweit höchsten Anstieg der Überschuldungsquote auf, es rangiert nun zwischen Städten wie Halle/Saale und Duisburg. Bundesweite Schlusslichter sind die Städte Bremerhaven (20,8 Prozent), Pirmasens (18,38 Prozent) und Wuppertal (18,08 Prozent).
Deutlich schlechter als der Bundesdurchschnitt ist auch der Landkreis mit der höchsten Quote in Hessen, der Werra-Meißner-Kreis (11,56 Prozent nach 11,34 Prozent im Vorjahr); dahinter liegen nur Kreisfreie Städte. Der Kreis Limburg-Weilburg liegt schon im Mittelfeld, allerdings stieg die Quote innerhalb von zwölf Monaten von 10,67 auf 10,86 Prozent. Damit wurde der Kreis von der Stadt Frankfurt überholt, wo die Quote von 10,9 auf 10,75 Prozent zurückging.
Reicher Main-Taunus-Kreis
Die bestplatzierten hessischen Landkreise sind auf den Rängen 72 und 75 der Main-Taunus-Kreis und der Hochtaunuskreis, wo die Überschuldungsquoten um jeweils 0,02 Punkte auf 7,10 bzw. 7,19 Prozent stiegen, und auf Platz 100 der Landkreis Fulda (7,77 Prozent, plus 0,12 Punkte). In diesen Regionen liegen auch die Arbeitslosenzahlen besonders niedrig. Besser als im Bundesdurchschnitt schneiden auch der Rheingau-Taunus-Kreis (8,13 Prozent), Darmstadt-Dieburg (8,64), der Kreis Offenbach (9,16), der Lahn-Dill-Kreis (9,53), der Kreis Groß-Gerau (9,57) und der Wetteraukreis (9,88) ab. Bundesweit Spitze sind die bayerischen Kreise Eichstätt (3,79 Prozent), Erlangen und Schweinfurt.
Creditreform hatte den Schuldner-Atlas erstmals vor zehn Jahren vorgestellt, als die Überschuldung gerade ihren Höhepunkt erreicht hatte; nach einer deutlichen Entspannung steigen die Quoten seit 2011 wieder. Schulden wiederum hängen eng mit den Einnahmen zusammen: Während sich die Menschen in der unteren Hälfte der Einkommensverteilung im Jahresdurchschnitt um rund 300 Euro verschulden, spart das oberste Prozent der Haushalte gut 58 000 Euro jährlich. Umgerechnet auf die Sparquote heißt das: Die untere Hälfte verschuldet sich jedes Jahr mit 1,6 Prozent des Einkommens, das oberste Prozent spart 35 Prozent.