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Milch ist kaum noch etwas wert

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Der Herr links mit Sonnenbrille ist Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt ? die protestierenden Bauern halten ihn für überflüssig.
Der Herr links mit Sonnenbrille ist Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt ? die protestierenden Bauern halten ihn für überflüssig. © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)

So wenig Geld haben Bauern für ihre Milch noch nicht bekommen: Weniger als 20 Cent zahlen manche Molkereien derzeit für einen Liter. Viele Landwirte kämpfen um ihre Existenz, in Brüssel und in Berlin wird nach Lösungen gesucht.

Der Milchpreis fällt immer weiter. Einige Molkereien zahlen nach Angaben der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ inzwischen nur noch 18 bis 19 Cent je Liter. Damit sei der Preis erstmals unter die Marke von 20 Cent gefallen, schreibt das Blatt unter Berufung auf Molkereivertreter. Gestern stand das Thema auf der Agenda der EU-Landwirtschaftsminister in Brüssel.

Einige Molkereien hätten bereits vor längerem Preise von weniger als 20 Cent angekündigt, sagte der Marktreferent der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen, Frank Feuerriegel. „Im Durchschnitt wird der Preis im Mai bei um die 20 Cent liegen“, sagte Feuerriegel. Im März hatten in Deutschland große Molkereien noch um die 24 Cent je Liter gezahlt. Wegen eines Überangebots sind aktuell die Milchpreise in ganz Europa im Keller. Um kostendeckend wirtschaften zu können, bräuchten die rund 75 000 Milchbauern in Deutschland einen Erzeugerpreis von etwa 40 Cent pro Liter.

Die Bundesregierung will eingreifen. Es seien Direkthilfen in einer Größenordnung von 60 bis 100 Millionen Euro im Gespräch, hieß es im Landwirtschaftsministerium. Eine Entscheidung soll bei dem zum 30. Mai einberufenen „Milchgipfel“ von Agrarminister Christian Schmidt (CSU) fallen. Der Deutsche Bauernverband (DBV) verlangt jedoch eine wesentlich umfangreichere Unterstützung. „Es wird nur dann eine Entlastung geben, wenn wir insgesamt deutlich in den oberen dreistelligen Millionen-Bereich hineinkommen“, sagte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken: „Alles andere wäre nur Symbolpolitik.“

Schmidt dagegen betonte, dass die Überproduktion den Preis drücke und auch dort die Lösung liege: „Es gibt nur einen Weg, wir müssen die Produktion eindämmen.“ Eine Rückkehr zu einer Quotenregelung, um die Milchmenge zu verringern, lehnt Schmidt weiter ab, stellte aber zugleich Hilfen für die Bauern in Aussicht. „Wir werden den Bauern mit Steuererleichterungen und Liquiditätshilfen zur Seite stehen“, sagte Schmidt. Denkbar seien etwa Bürgschaften für Kredite. Der Milchquote trauert auch der DBV nicht nach, dagegen verlangt der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), finanzielle Zuschüsse an eine Verringerung der Produktion zu koppeln. Die jahrelang praktizierte EU-Milchquotenregelung war im vergangenen Jahr ausgelaufen.

Die EU hatte aber im März unter anderem den Weg für freiwillige, zeitlich begrenzte Mengenreduzierungen in den EU-Staaten für Milchprodukte freigemacht. Produzenten können sich bei den Produktionsmengen absprechen, ohne kartellrechtlich in Probleme zu geraten. Die freiwillige Marktstabilisierung habe noch nicht gegriffen, sagte der österreichische Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter bei einem Treffen der EU-Agrarminister in Brüssel. „Die Mengen, die im Markt nicht verkraftbar sind, drücken auf den Preis, und hier müssen wir gegensteuern.“ Voraussichtlich im Sommer soll auf EU-Ebene darüber beraten werden, wie wirksam die getroffenen Maßnahmen und ob weitere nötig sind.

Schmidt kritisierte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) für seine Entscheidung, die Fusion der Supermarktketten Edeka und Kaiser’s Tengelmann zu genehmigen. „Wir müssen eine weitere Konzentration der Supermärkte vermeiden. Kleine Bauern haben gegen die Handelsriesen kaum eine Chance“, sagte Schmidt.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter, forderte, die Bundesregierung müsse strukturelle Reformen anpacken und sich für eine Begrenzung der produzierten Milchmenge einsetzen.

Aldi senkt weiter

Anfang Mai hatte der Discount-Marktführer Aldi die Preise für einen Liter frische Vollmilch von 59 auf 46 Cent heruntergesetzt – das hat Signalwirkung für den gesamten Handel. Bei den Erzeugern kommt davon ebenfalls weniger an. Am Ende werde aber nur eine Verringerung der Milchmenge helfen, sagte Schmidt. „Nur wenn weniger Milch auf den Markt kommt, steigt der Preis.“

Aldi Nord hatte wie auch andere Händler die weiteren Preissenkungen mit dem Überangebot auf dem weltweiten Milchmarkt begründet. Die Molkereien hätten deshalb die Milch billiger angeboten. Das werde dann auch an die Verbraucher weitergegeben. Der Handel sei nicht für das Überangebot an Rohmilch verantwortlich.

(dpa,rtr)

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