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Milchbauern können auf Hilfe hoffen

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Im Jahre 2015 waren deutschlandweit noch 76 966 Milch erzeugende Betriebe registriert. Damit hat sich die Zahl seit 1999     halbiert.
Im Jahre 2015 waren deutschlandweit noch 76 966 Milch erzeugende Betriebe registriert. Damit hat sich die Zahl seit 1999 halbiert. © Carsten Rehder (dpa)

Die Erwartungen der Milchbauern sind hoch: Bei einem Spitzentreffen am Montag in Berlin soll Linderung für die finanzielle Notlage vieler Höfe beschlossen werden. Andere Konsequenzen bleiben aber umstritten.

Die deutschen Milchbauern können wegen der dramatischen Preiskrise auf staatliche Unterstützung in Millionenhöhe hoffen. Vor einem „Milchgipfel“ bei Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) am heutigen Montag zeichnete sich ein Hilfspaket ab, damit Betriebe finanzielle Engpässe wegen der seit Monaten fallenden Erlöse besser überbrücken können. Über grundlegende Neuordnungen, wie die hohe Milchmenge auf dem Weltmarkt als Ursache des Preistiefs besser gesteuert werden kann, hat sich jedoch neuer Streit entzündet.

Schmidt stellte für das Treffen in Berlin „schnelle direkte Hilfen“ in Aussicht. „Wir werden eine Reihe von Betrieben über Bürgschaften, Kredite sowie steuerliche Erleichterungen stützen“, sagte er. Im Gespräch war ein Hilfspaket von mindestens 100 Millionen Euro. Schmidt will zudem erreichen, die Risiken des Milchmarkt fairer zu verteilen, die bisher vor allem bei den Bauern liegen.

Zum „Gipfel“ sind Spitzenvertreter der Landwirte, der Molkereien und des Einzelhandels ins Ministerium eingeladen. Die Milchpreise für die Bauern sind zuletzt teils unter 20 Cent je Liter gefallen, zur Deckung der Kosten gelten mindestens 35 Cent als nötig.

Neues Preismodell?

Bauernpräsident Joachim Rukwied bekräftigte den Ruf nach „konkreter, sofort wirksamer Unterstützung“. Notwendig seien ein Liquiditäts- und Bürgschaftsprogramm sowie Steuerentlastungen nicht nur für Milchviehhalter, sondern für alle landwirtschaftlichen Betriebe, sagte er.

Schweinehalter spürten ebenfalls schon länger eine Preiskrise. Der „Bild“-Zeitung sagte Rukwied zudem: „Wir brauchen neue verbindliche Absprachen zwischen Bauern, Molkereien und dem Handel.“ Teile der Milchmengen müssten für die Bauern preislich abgesichert werden können. So könnten Bauern für 83 Prozent der Milch einen festen Preis für eine gewisse Zeit bekommen, für die restlichen 17 Prozent einen anderen Preis. „Dann könnten die Bauern planen, und eine abmelkende Kuh sechs Wochen früher zum Schlachter gehen, als sie sonst gehen würde.“ Als „theoretisch denkbar“ bezeichnete der Bauernpräsident auch einen „Soli“ von zwei Cent auf Milchprodukte. „Lieber wäre es den Bauern aber, sie könnten ihr Einkommen über auskömmliche Preise erzielen.“

Keine Sondersteuer

Eine vom Discounter Lidl ins Gespräch gebrachte Sondersteuer für Milch lehnte die Union ab. „Wenn der Staat etwas regeln will, dann soll der Staat es regeln. Durch eine Sondersteuer, die alle gleichermaßen trifft“, hatte Unternehmenschef Klaus Gehrig gesagt. „Damit stiehlt sich vor allem der Handel aus seiner Verantwortung. Denn sein ruinöser Preiskrieg mit Lebensmitteln ist Teil des Problems“, sagte Fraktionsvize Gitta Connemann. Sie machte deutlich, dass die Politik in Not geratenen Bauern helfen werde. An erster Stelle müssten aber die Marktbeteiligten handeln: „Überproduktionen kann die Branche nur selbst zurückfahren.“ Sie warnte vor einer „Glorifizierung der Milchquote“, die 2015 in der EU abgeschafft worden war. Wichtig sei auch das Verhalten des Verbrauchers: „Die Entscheidung, wie viele Milchbauern nach dieser existenziellen Krise noch wirtschaften werden, trifft am Ende er.“

Handel wehrt sich

Der Lebensmittelhandel trat Schuldzuweisungen entgegen. „Der Handel allein ist nicht in der Lage, für Auszahlungspreise zu sorgen, die für Milchbauern auskömmlich sind“, sagte ein Verbandssprecher. Wesentliche Ursache der Krise sei der grundsätzliche Mechanismus der Marktwirtschaft: „Die Milchpreise gehen zurück, weil das Angebot die Nachfrage übersteigt.“ Wie sich aktuell zeige, sei die deutsche Milchwirtschaft „mittlerweile viel zu stark vom Weltmarkt und seinen Turbulenzen abhängig“. Verbrauchern biete der Handel ein breites Angebot an Milchprodukten, bei dem sie auch aus unterschiedlichen Preissegmenten wählen könnten.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter schlug vor, Höfe, die ihre Milchproduktion für mindestens ein Jahr senkten, müssten „gestaffelte Soforthilfen“ erhalten. Molkereien sollten bis spätestens Ende Juli „wirkungsvolle Maßnahmen zur Mengenreduzierung und Erhöhung der Auszahlungspreise“ vorlegen.

Mit hunderten leeren Gummistiefeln und Arbeitsschuhen wollen Milchviehhalter heute vor dem Brandenburger Tor protestieren. Die Aktion richte sich dagegen, dass beim Milchgipfel Beratungen über die Köpfe der Milchbauern und auch der Länderagrarminister hinweg erfolgen sollten, teilte der Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) mit. Am Dienstag seien bundesweit weitere dezentrale Aktionen geplant.

(dpa,afp)

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