Schärferer Sparkurs droht

Die Deutsche Bank schrammt nur knapp an einem Quartalsverlust vorbei, die Erträge brechen um ein Fünftel ein. Die Aktie stürzt um bis zu 5,25 Prozent ab.
Deutsche-Bank-Chef John Cryan muss beim Sparkurs vermutlich nachlegen. „Sollte das derzeit schwache wirtschaftliche Umfeld anhalten, müssen wir bei Geschwindigkeit und Intensität unseres Umbaus noch ehrgeiziger werden“, kündigte er gestern an. Und davon ist auszugehen, da die Risiken für die Konjunktur zuletzt deutlich zugenommen haben – Stichworte Terror und „Brexit“ – und die Zinsen mittelfristig eher noch tiefer in den Negativ-Bereich absinken dürften. Details, wo er ansetzen will, nannte Cryan nicht. Bisher will er 9000 der 101 300 Jobs abbauen, was auch die Schließung von 188 Filialen in Deutschland mit sich bringt.
Einmaleffekte
Nur knapp hielt sich Deutschlands größtes Geldinstitut im zweiten Quartal in den schwarzen Zahlen: Der Nachsteuer-Gewinn schmolz dahin auf 20 Millionen Euro, vor einem Jahr waren es noch 818 Millionen gewesen. Und das, obwohl die Bank von Einmaleffekten profitierte: Der Verkauf von Anteilen an Visa Europe brachte knapp 200 Millionen, Bewertungseffekte beim Versicherer Abbey Life weitere 70 Millionen. Zudem musste das Institut wider Willen kaum Geld für Rechtsstreitigkeiten zur Seite legen; die Rückstellungen dafür stiegen nur um 120 Millionen auf 5,5 Milliarden Euro. Doch eigentlich möchte Finanzvorstand Marcus Schenck die wichtigsten Fälle – dazu zählen der Geldwäsche-Skandal in Russland und die Verfahren um US-Hypotheken – möglichst schnell beilegen, und das wird weitere Milliarden kosten. Schenck blieb zuversichtlich, diese größten Brocken noch in diesem Jahr mit Vergleichen abarbeiten zu können.
Die Erträge brachen in sämtlichen Sparten weg, vor allem im Investmentbanking schnitt die Deutsche Bank schlechter ab als ihre US-Wettbewerber. JP Morgan, oder Goldman Sachs haben zuletzt starke Zahlen vor allem im Handel vorgelegt – die starken Schwankungen an den Finanzmärkten nach dem „Brexit“-Votum hatten den Handel in den USA belebt. In Europa konnte die Deutsche Bank nicht mithalten: Die Erträge im Kapitalmarktgeschäft brachen um 28 Prozent ein, im Handel mit Anleihen um 19 Prozent. Auch im Privatkundengeschäft und in der Vermögensverwaltung sanken die Einnahmen um elf bzw. acht Prozent.
Dünne Kapitaldecke
Alarmierend dünn ist die Kapitaldecke. Vor allem bei der Gesamtverschuldungsquote (Eigenkapital im Verhältnis zu den Schulden) kommt die Bank weiterhin nur auf 3,4 Prozent; hier wird unter Finanzaufsehern eine mittelfristige Mindestziffer von vier oder fünf Prozent diskutiert. Bei der harten Kernkapitalquote (Eigenkapital im Verhältnis zu den, nach komplizierten Modellen gewichteten, Risiken) erreicht die Bank bei Vollumsetzung der künftig strengeren Regeln ebenfalls nur 10,8 Prozent, was unter späteren Mindestanforderungen liegt. Der Verkauf der Anteile an der chinesischen Hua Xia Bank sollte bei dieser Quote Entspannung bringen, konnte aber noch nicht umgesetzt werden. Der Stresstest der europäischen Bankenaufsicht, dessen Ergebnisse übermorgen veröffentlicht werden, könnte mögliche Kapitallücken aufdecken. Ab einer Warnschwelle von 10,76 Prozent oder darunter (wobei Übergangsregeln greifen) droht zwar keine Kapitalerhöhung, aber eine Ausschüttungssperre.
Die beträfe neben den Aktionären – die ohnehin bis auf Weiteres keine Dividende bekommen sollen – auch die Inhaber der neuartigen Nachrang-Anleihen (AT1). Darüber wird an der Börse seit längerem spekuliert, doch sieht es nach Angaben eines Sprechers nicht danach aus, dass eine solche Sperre kommt. Im April des laufenden Jahres wurden an die Inhaber solcher Anleihen bereits 276 Millionen Euro ausgeschüttet, wodurch trotz des Mini-Quartalsgewinns das Ergebnis je Aktie (das abzüglich dieser Ausschüttung berechnet wird) bei minus 19 Cent lag. Heißt im Klartext: Der Gewinn reichte (auch im gesamten ersten Halbjahr) nicht aus, um die Zinsen für diese neuen Anleihen, die zusätzliches Kernkapital gebracht haben, zu bezahlen. Entsprechend fällt das Urteil des Kapitalmarkts aus: Obwohl in den Büchern der Bank 62 Milliarden Euro Eigenkapital stehen, ist sie an der Börse nur noch 17,3 Milliarden wert.
Der Verkauf der Postbank, einst für dieses Jahr geplant, rückt in immer weitere Ferne: „Einige glauben, dass wir die Postbank 2017 verkaufen müssen – das ist nicht der Fall“, sagte Schenck. Pläne für einen Börsengang der Tochter liegen wegen des Kurseinbruchs aller Bankaktien auf Eis.