Stada vor ungewisser Zukunft

Beim Pharma-Hersteller Stada ist die Palastrevolution teilweise gelungen. Mit nur rund 7 Prozent der Stimmen schaffte es der Investor AOC, den Aufsichtsratschef Abend in die Wüste zu schicken. Das wird Folgen für den M-Dax-Konzern haben.
Nach der Abwahl des Aufsichtsratschefs Martin Abend steht der Pharma-Hersteller Stada vor einem Umbruch. Mit einem Stimmenanteil von nur rund sieben Prozent ist es dem aktivistischen Großaktionär Active Ownership Capital (AOC) gelungen, wesentlichen Einfluss auf die ehemalige Apotheker-Genossenschaft zu erlangen. Die in Deutschland beispiellose Attacke konnte aber nur gelingen, weil bei dem M-Dax-Konzern aus Bad Vilbel vieles im Argen lag. „Gehaltsexzesse und Vetternwirtschaft“ waren einige der Vorwürfe. Ob der letzte unabhängige Hersteller von Nachahmermedikamenten in Deutschland nun zerschlagen wird, blieb unklar.
Erst nach 13 Stunden stand fest: Abend muss gehen, was im AOC-Lager zu lautem Jubel führte. Die Luxemburger konnten ihrerseits aber mit dem Schweizer Ex-Novartis-Manager Eric Cornut nur einen ihrer vier Kandidaten im Kontrollgremium unterbringen – und ihn auch nicht wie geplant zum Vorsitzenden des Kontrollgremiums machen. Nachfolger Abends wurde stattdessen der bisherige Vize Carl Ferdinand Oetker.
Stada befindet sich komplett im Streubesitz und war ein vergleichsweise leichtes Ziel für die Attacke: Gut zwei Drittel der 62,3 Millionen Aktien halten nach Unternehmens-Angaben diverse institutionelle Anleger, darunter AOC. Der Rest liegt bei privaten Investoren, zehn Prozent besitzen traditionsbewusste Apotheker und Ärzte. Die genaue Aufteilung ist nicht bekannt, auch nicht der exakte Anteil der AOC. Laut einer Stimmrechtsmitteilung von Anfang April hatte der in Luxemburg beheimatete Fonds seinerzeit Zugriff auf etwa sieben Prozent der Anteile, direkt sowie über Optionen.
Der AOC und ihren Aufsichtsratskandidaten schlug von anderen Aktionären deutliches Misstrauen entgegen: Drei der Manager, inklusive Cornut, haben eine berufliche Vergangenheit beim Schweizer Pharma-Riesen Novartis, einer dieser drei hat fast sein ganzes Berufsleben für die Gründer des Generika-Herstellers Hexal, die Brüder Strüngmann, gearbeitet. Nach dem Verkauf an Novartis sammeln sie etliche Investments in der Biotech- und Gesundheitsbranche. AOC trete als „selbst ernannter weißer Ritter mit geschlossenem Visier“ auf, so dass nicht einmal ausgeschlossen werden könne, dass dahinter ein Konkurrent stehe, sagte Peter Barthvon der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Man wolle Stada nicht zerschlagen, beteuerten die AOC-Gründer Klaus Röhrig und Florian Schuhbauer. Als langfristiger Ankerinvestor und aktiver Eigentümer wolle man das Unternehmen in eine bessere Zukunft führen, erklärte Schuhbauer. AOC habe dafür bereits Massenentlassungen vorgeschlagen, ließ Vorstandschef Matthias Wiedenfels sofort wissen.
Der 43-Jährige hat in den wenigen Wochen seiner Amtszeit einige Verbesserungsmöglichkeiten für das Unternehmen aufgezeigt. Markenartikel wie das Grippemittel Grippostad oder die Sonnenpflegeserie Ladival sollen auf möglichst vielen Märkten angeboten werden, neue Chancen bieten Nahrungsergänzungsmittel und Schönheitsprodukte. „Unsere Planungen sind nicht weit von den Vorstellungen des Vorstands entfernt“, meinte dazu AOC-Mann Röhrig.
Der „Sonnenkönig“
Viel war bei der Hauptversammlung von Corporate Governance die Rede, den Regeln für gute Unternehmensführung. Hier hat Stada in den vergangenen Jahren unter Abends Aufsicht große Angriffsflächen geboten. Der im Sommer mit Millionenabfindung abgetretene Stada-Chef Hartmut Retzlaff gehörte trotz der vergleichsweise geringen Größe seines Unternehmens zu den bestverdienenden Vorstandschefs in Deutschland, seine Pensionsansprüche wurden erst oberhalb von 30 Millionen Euro gekappt, während sein Sohn Steffen innerhalb des Unternehmens eine außergewöhnlich schnelle Karriere hinlegte. Die Stada-Aktionäre hatten die Nase voll und lehnten mit einer Mehrheit von knapp 75 Prozent ein neues Vergütungssystem für den Vorstand ab.
Möglicherweise aus Selbstschutz ließ Abend durchblicken, dass er sich gegen den „Stada-Sonnenkönig“ nicht immer durchsetzen konnte. In der Folge erregten sich auch Kleinaktionäre über die alte Führung, die in Serbien und Russland besonders riskante Auslandsunternehmungen gestartet hatten, die in den vergangenen Jahren für kräftige Verluste gesorgt hatten. „Dass man in Russland kein Geld verdienen kann, weiß jeder, nur Sie nicht“, schmetterte ein erregter Kleinaktionär dem verbliebenen Restvorstand und Aufsichtsrat entgegen. Die AOC-Angreifer erhielten für ihre Kritik an Vetternwirtschaft und der schleppenden Geschäftsentwicklung dann auch häufiger starken Beifall.
Vorstände gesucht
Abends Nachfolger Oetker will nun den Umbau vorantreiben. „Wir sind uns einig, dass wir im Interesse des Unternehmens auf dem Weg der Erneuerung konsequent weiter voranschreiten wollen – und das im richtigen Maß und Tempo“, sagte der 43-jährigen Bankier aus der Bielefelder Milliardärs-Familie. Er ging nach seiner Wahl einen Schritt auf die kritischen Anteilseigner AOC zu: „Wichtiger Kernpunkt unserer Arbeit soll der konstruktive Dialog mit allen Aktionärsgruppen sein.“ AOC will sein rund 150 Millionen Euro schweres Aktienpaket behalten: „Wir werden Stada nach dieser notwendigen Erneuerung als Ankeraktionär weiter unterstützen“, erklärte der Investor am Sonntag. Der Fonds war im Frühjahr eingestiegen. Seither ist die im Nebenwerteindex M-Dax notierte Stada-Aktie um 44 Prozent gestiegen.
Oetker sitzt seit 2009 im Aufsichtsrat von Stada, seit 2014 war er Abends Stellvertreter. 2015 verließ er das familieneigene Bankhaus Lampe, an dem er auch beteiligt ist. Heute führt er die private Vermögensverwaltung der Familie, die zu den reichsten in Deutschland gezählt wird. Ihr gehören der Nahrungsmittelkonzern Dr. Oetker, die Reederei Hamburg-Süd und der Frankfurter Getränkekonzern Radeberger.
Eine der ersten Aufgaben des neuen Aufsichtsrats ist die Suche nach zwei Vorständen für Vertrieb und Produktion, die Retzlaffs Aufgaben übernehmen sollen. Vorstandschef Wiedenfels wartet auf seine endgültige Bestätigung – das hatte Abend ausdrücklich dem neu besetzten Gremium überlassen. Der Jurist ist bisher zunächst nur für ein Jahr bestellt. Er war im Juli eingesprungen, als Retzlaff sich krank gemeldet hatte. Der Vertrag mit Retzlaff, der Stada in 23 Jahren vom Mittelständler zum Milliarden-Konzern gemacht hatte, wurde Mitte August gegen eine Millionen-Abfindung endgültig aufgelöst.
(dpa,rtr)