Störfeuer für die Deutsche Börse

Scheitern die Übernahmepläne der Deutschen Börse einmal mehr an der Konkurrenz aus den USA? Der Rivale ICE will der geplanten Fusion mit der britischen LSE offenbar nicht tatenlos zusehen.
Die Deutsche Börse muss sich bei ihrer geplanten Übernahme der Londoner Börse auf Konkurrenz einstellen. Der US-Rivale Intercontinental Exchange (ICE) hat ebenfalls ein Auge auf die London Stock Exchange (LSE) geworfen. Für die Deutschen wäre es nicht das erste Mal, dass die Amerikaner ihnen den Fisch von der Angel wegschnappen. Wie die ICE mitteilte, werde über ein Angebot für die LSE nachgedacht. Allerdings gebe es noch keine Gespräche mit den Briten. Damit tritt das ein, womit Analysten seit Bekanntgabe der Übernahmepläne gerechnet haben: Die Amerikaner schauen einer Fusion der größten europäischen Börsen nicht tatenlos zu. „Ein Gegenangebot könnte die Deutsche Börse in Zugzwang bringen, ihre eigene Offerte aufzustocken“, sagte ein Börsianer.
In einer ersten Reaktion teilte der Frankfurter Börsenbetreiber mit: „Die Deutsche Börse hat die Ankündigung eines möglichen Übernahmeangebotes für die LSE durch die Intercontinental Exchange zur Kenntnis genommen und wird eventuelle, weitere Entwicklungen intensiv beobachten.“ Die Gespräche mit der LSE zum Zusammenschluss würden unverändert fortgeführt. Die Londoner Börse äußerte sich zuvor ähnlich.
Laut der Agentur Bloomberg spricht auch die Chicago Mercantile Exchange (CME) mit Beratern darüber, ob sie die EU-Börsenfusion torpedieren könnte, etwa mit einer Offerte für die LSE. Die CME wollte sich dazu nicht äußern. Die US-Börse hatte Insidern zufolge 2013 auch bei der Deutschen Börse wegen einer Fusion angefragt, war aber abgeblitzt.
Keine Überraschung
Das Störfeuer aus den USA komme für die Deutsche Börse und die LSE nicht überraschend, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person zur Nachrichtenagentur Reuters. „Es war klar, dass die Amerikaner kommen werden.“ Die Deutsche Börse setzte darauf, dass eine Fusion auf Augenhöhe für LSE angenehmer sei als ein Kauf durch einen deutlich größeren amerikanischen Konkurrenten. Zudem hofften beide Unternehmen auf politische Unterstützung aus Brüssel, Berlin und London. Eine Fusion von Deutscher Börse und LSE unterstütze schließlich das von der EU angestoßene Projekt einer Kapitalmarktunion.
Die nächsten Wochen werden nun zeigen, ob sich die Amerikaner aus der Deckung wagen und der Deutschen Börse auf der Ziellinie ein Bein stellen. Nach dem britischen Übernahmegesetz müssen sich die Amerikaner bis Ende März entscheiden. Auch die Deutschen müssen in den kommenden Wochen ihre Pläne mit einem offiziellen Angebot untermauern. Bis spätestens 22. März muss entweder ein bindendes Angebot gemacht oder der Deal vorerst abgeblasen werden. Im Volksmund heißt die Regel am Londoner Finanzplatz „Put up or shut up“ (in etwa: Lass Taten folgen oder halte den Mund).
LSE-Aktie auf Rekordhoch
Die Aktie der Deutschen Börse war zu Handelsbeginn mit Verlusten in den Tag gestartet, gewann später in einem freundlichen Markt aber leicht hinzu. Die Papiere der LSE zogen in Erwartung eines Bietergefechts stark an und legten um bis zu acht Prozent zu, markierten dabei ein Allzeithoch bei mehr als 2900 Pence.
Nach 2000 und 2005 ist die vor wenigen Tagen verkündete Absicht der Deutschen Börse, die LSE zu übernehmen, der dritte derartige Versuch. Aktionäre beider Konzerne sollen dabei ihre Anteile in Papiere einer neuen Holding tauschen, an der die Deutschen dann mit 54,4 Prozent die Mehrheit hätten. Zusammen würden die beiden Unternehmen nach Börsenwert zu den US-Schwergewichten ICE und CME in Chicago aufschließen.
Der Börsenkonzern ICE
Die Intercontinental Exchange (ICE) ist ein Börsenkonzern mit Sitz in Atlanta, USA, der auf den elektronischen Handel von Optionen und Futures auf Elektrizität, Energie- und Agrarrohstoffe sowie Emissionen spezialisiert ist. Zur ICE gehört neben der New Yorker Wall Street bereits die Londoner Terminbörse LIFFE.
Neben der Hürde eines möglichen Mitbieters sitzen der Deutschen Börse auch noch die Wettbewerbsbehörden im Nacken. Zustimmen müssten einer Fusion unter anderem die EU-Regulierer. Brüssel hatte den letzten großen Anlauf der Frankfurter zu einer Megafusion mit der New Yorker Börse NYSE Euronext Anfang 2012 krachend scheitern lassen. Ende 2012 hatte dann die ICE zugeschlagen und die New Yorker Börse übernommen.
Es war ein weiterer Tiefschlag für die Frankfurter: Im November 2006 hatte die Deutsche Börse schon die damals noch eigenständige europäische Mehrländerbörse Euronext schlucken wollen – hier wiederum machte die NYSE den Deutschen einen Strich durch die Rechnung.
(dpa,rtr,ba)