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Schlechtes Handynetz: Telekom, O2 & Co. sollen wegen schlechter Versorgung Strafe zahlen

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Erstmals verhängt die Bundesnetzagentur Bußgelder gegen die großen Handynetzbetreiber. Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen für die Branche haben.

Berlin – Die Bundesnetzagentur hat erstmalig Bußgeldverfahren gegen die deutschen Mobilfunknetzbetreiber Deutsche Telekom, Telefónica (O2) und Vodafone eingeleitet. Dies ist aufgrund von Mängeln im Mobilfunknetz geschehen. Die Behörde begründet dies mit einer „schuldhaften nicht rechtzeitigen vollständigen Erfüllung der Versorgungsauflagen“, wie aus einem Schreiben hervorgeht, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Das Verfahren wurde im September eröffnet, war jedoch bisher nicht öffentlich bekannt. Die betroffenen Unternehmen haben nun die Möglichkeit, Stellung zu beziehen. Eine Entscheidung wird im nächsten Jahr erwartet. Zusätzlich drohen den Unternehmen in separaten, gleichzeitig eingeleiteten Verfahren sogenannte Zwangsgelder.

500 Funklöcher hätten zum Jahreswechsel verschwinden müssen

Die Netzbetreiber sind der Meinung, dass sie die Ausbauauflagen nicht verletzt haben. Sie berufen sich auf eine Ausnahmeregelung: Wenn der Ausbau aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht möglich war - beispielsweise weil niemand ein Grundstück vermieten wollte, auf dem ein Funkmast errichtet werden kann - gilt die Auflage auch ohne Netz als erfüllt. Die Netzagentur ist jedoch der Ansicht, dass diese Begründung in einigen Fällen nicht zutrifft. Sie glaubt, dass an einigen Orten Antennen hätten installiert werden können.

Es geht um 500 4G-Funklöcher, in denen keiner der drei Netzbetreiber einen Empfang von 100 Megabit pro Sekunde ermöglicht. Diese sogenannten weißen Flecken hätten bis zum Jahreswechsel verschwinden müssen. Die Unternehmen konnten dies jedoch nicht in allen Fällen erreichen. Zudem haben die Anbieter in einigen Bundesstraßentunneln noch kein gutes Netz, obwohl dies vorgeschrieben ist. Dies ist ebenfalls Gegenstand der Verfahren.

Brancheninsider zufolge ist die Anzahl der Verstöße sehr gering. Sollten am Ende Bußgelder verhängt werden, dürften diese entsprechend niedrig ausfallen. Die Eröffnung der Verfahren wird eher als Signal an die Branche gesehen, sich beim Ausbau mehr zu bemühen und die Versorgungsauflagen vollständig einzuhalten. In der Vergangenheit hat die Netzagentur in ähnlichen Fällen ein Auge zugedrückt. So hat keiner der drei Netzbetreiber die Ausbaupflichten, die sich aus der Auktion 2015 ergaben, bis Ende 2019 eingehalten. Damals gab es keine Bußgelder.

Telefónica hatte damals große Schwierigkeiten. Bei der Telekom und Vodafone waren es nur kleine Defizite. Gegen Telefónica wurde im Jahr 2020 ein Zwangsgeldverfahren eingeleitet. Nachdem O2 jedoch stark verspätet das Ziel erreicht hatte, wurde das Verfahren eingestellt.

Netzagentur-Chef Klaus Müller setzt sich für Verbraucher ein

Die Netzagentur hat 2020 auf Bußgelder verzichtet, schwingt aber jetzt die Keule - obwohl die Verstöße damals viel größer waren als heute. Dies könnte auch an Klaus Müller liegen, der früher Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen war und seit 2022 Präsident der Netzagentur ist. In seiner neuen Funktion setzt er sich weiterhin stark für Verbraucherinteressen ein.

Dies ist nicht das erste Bußgeldverfahren gegen Telekommunikationsanbieter, aber das erste gegen etablierte Netzbetreiber. Seit dem Frühjahr geht die Netzagentur gegen den Neueinsteiger 1&1 vor, der gerade sein eigenes Mobilfunknetz aufbaut und dieses bald starten will. Für diesen Zweck ersteigerte 1&1 im Jahr 2019 erstmals Frequenzen. Ende 2022 hätte das Unternehmen 1000 5G-Standorte aktiviert haben müssen. Tatsächlich waren es jedoch nur fünf. Der Ausgang des Verfahrens ist noch offen.

Für ihre Netze benötigen die Unternehmen Funkfrequenzen verschiedener Bänder. Bei der Vergabe legt der Bund ein qualitatives Mindestniveau fest, auf das die Netze gebracht werden müssen. So mussten die Unternehmen bis Ende 2022 in jedem Bundesland 98 Prozent der Haushalte mit mindestens 100 Megabit pro Sekunde versorgen. Diesen zentralen Teil des Auflagenkatalogs erfüllten die Telekom, Vodafone und O2. Es gab jedoch auch Auflagen für Verkehrswege und die genannten weißen Flecken. Hier zeigten die Unternehmen nach Ansicht der Netzagentur Schwächen.

Politiker begrüßen Bußgeldverfahren der Bundesnetzagentur

Die 5G-Netzabdeckung in Hessen liegt im bundesweiten Vergleich auf dem letzten Platz.
Das deutsche Handynetz ist nicht immer sehr stabil. Dafür müssen die Verantwortlichen jetzt Bußgelder zahlen. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Genauere Zahlen, wie viele weiße Flecken und Tunnel als unversorgt gelten, sind nicht bekannt. Ein Sprecher der Netzagentur möchte sich nicht zum Thema Bußgeldverfahren äußern. Auch die Unternehmen geben auf Anfrage keine Zahlen bekannt.

Bundespolitiker und Verbraucherschützer reagieren positiv auf die Einleitung der Bußgeldverfahren. Die Unternehmen hätten der Behörde offenbar keine plausiblen Gründe vorlegen können, warum die Ausbaupflichten nicht vollständig eingehalten wurden, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Reinhard Houben. „Der Entwurf eines Bußgeldbescheides ist daher nur konsequent.“

Auch der Sozialdemokrat Johannes Schätzl lobt die Maßnahme. „Versorgungsauflagen machen nur dann Sinn, wenn sie auch konsequent durchgesetzt werden und Strafen folgen, wenn Auflagen nicht eingehalten werden“, sagt der Bundestagsabgeordnete. Der Grüne Maik Außendorf bezeichnet die Nichteinhaltung der Vorgaben als „ärgerlich“. Die Unternehmen müssten ihren Verpflichtungen nachkommen. „Die Verhängung von Bußgeldern durch die Bundesnetzagentur ist ein wichtiges Signal zur Durchsetzung der Versorgungsauflagen“, sagt er. Der CSU-Politiker Reinhard Brandl bezeichnet die Einleitung der Verfahren als „absolut richtig“.

Auch der Verbraucherschützer Felix Flosbach begrüßt die härtere Gangart der Netzagentur. Wenn die Behörde die Netzauflagen nun strenger kontrolliere und Verstöße ahnde, helfe das den Verbrauchern - „heute und in Zukunft“, sagt er.

Die Unternehmen weisen ihrerseits auf große Fortschritte hin, die sie beim Netzausbau gemacht haben. Nach Milliardeninvestitionen der Unternehmen sind die Netze tatsächlich deutlich besser als vor einigen Jahren. Die Bußgeldverfahren sind jedoch ein Hinweis darauf, dass es an einigen Stellen noch hapert. (wal/dpa)

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