Der US-Bundesstaat Montana hat bereits ein Gesetz verabschiedet, das ein Verbot von Tiktok ermöglichen soll. Zwar ist nicht sicher, ob ein solches Verbot auch vor Gericht Bestand haben würde. Dennoch schwebt diese Möglichkeit nun seit Monaten über dem US-Ableger aus dem Hause Bytedance in Peking.
Tiktok setzte 2022 in den USA fast sechs Milliarden US-Dollar durch Werbung um, ist also für den Konzern lukrativ. Daher bietet Tiktok den US-Behörden umfangreiche Zugeständnisse an. Die Betreiber scheinen bereit zu sein, den Amerikanern die Kontrolle über Inhalte und Daten der Anwendung abzutreten. Tiktok, so heißt es, würde den Behörden die Zusammenstellung eines Management-Teams überlassen, Kernsegmente seiner Technologie an den US-Softwarehersteller Oracle abgeben und die Algorithmen zur unabhängigen Prüfung freigeben.
Dieser Plan wurde „Project Texas“ getauft, weil Oracle dort seinen Firmensitz hat. Das berichtete das Onlineportal Cyberscoop. Die Idee für Project Texas hatte die Plattform selbst ins Spiel gebracht. Samm Sacks vom Paul Tsai China Center der Yale Law School sieht darin „ein ernsthaftes Bemühen, den Bedenken der US-Regierung Rechnung zu tragen.“ „Die US-Regierung würde die ultimative Aufsicht und Kontrolle über die Einhaltung der Vereinbarungen bekommen“, sagte er dem Onlineportal.
Die US-Regierung befürchtet ideologische Einflüsse der chinesischen Regierung auf die rund 80 Millionen Nutzenden in den USA. Denn Tiktoks Algorithmus generiert Vorschläge von Inhalten für seine User nicht nur anhand eigener Vorlieben und die der jeweiligen Kontakte – sondern durchsucht stattdessen die gesamte Bibliothek der hochgeladenen Videos. Dadurch ist es möglich, den Nutzenden beliebige Inhalte vorzulegen. Chinesische Softpower eben. Die Steuerung kann aber auch in Zensur und geblockten Suchbegriffen münden.
Tiktok sieht sich zu Unrecht am Pranger. Und es muss sich nun auch noch gegen Vorwürfe eines Insiders wehren. Der frühere Chef der Ingenieursabteilung des US-Geschäfts wirft dem Mutterkonzern ByteDance vor, sich als „Propaganda-Werkzeug“ der chinesischen Regierung angedient zu haben. Tiktok habe zum Beispiel „Hass gegen Japan“ geschürt und Inhalte eingeschränkt, die pro-demokratische Demonstranten in Hongkong unterstützten. Der Ex-Mitarbeiter betonte zudem, dass chinesische Behörden Zugang zum gesamten Datenmaterial des Unternehmens aus den USA gehabt hätten.
Die Aussage befeuert die Sorge der US-Behörden, dass Tiktok der chinesischen Regierung einen gewaltigen Fundus an persönlichen Daten von US-Bürgern zur Verfügung stellt, mit denen ein akribisches Überwachungssystem gefüttert wird. China nutzt seine Technologie, um weltweit gegen Kritiker vorzugehen.
Bytedance hatte Anfang Dezember den Zugriff auf Daten von Nutzern aus dem Rest der Welt angekündigt. Tiktok verteidigte die Entscheidung als „nachgewiesene Notwendigkeit“, damit Angestellte in China ihren Job machen könnten. Die Weitergabe bewege sich beispielsweise im Einklang mit der europäischen Datenschutzverordnung.
Der Haken an der Sache: Chinesische Unternehmen in der Volksrepublik sind per Gesetz zur Zusammenarbeit mit den Behörden gezwungen. Wenn die Behörden Daten verlangen, muss sich ein Unternehmen beugen. „Da nutzt auch eine europäische Datenschutzverordnung nichts. Wir haben es mit einem autoritären Staat zu tun, den keine Gesetzeslage von einem Zugriff abhält“, sagt Cyber-Ermittler Beerhenke.
Mit Project Texas könnten in den USA alle für die nationale Sicherheit relevanten Prozesse in die separate Unternehmenseinheit übertragen werden. Die neue Organisation würde eine Geschäftsführung erhalten, die von der Investitionsaufsicht CFIUS genehmigt werden müsste. Eine amerikanische Version der App würde also komplett von den chinesischen Eigentümern abgeschirmt werden. (Marcel Grzanna)