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Vier-Tage-Woche: Vernichter der deutschen Wirtschaft oder Zukunft der Arbeitswelt?

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Die Gewerkschaft IG Metall fordert für die anstehenden Tarifverhandlungen in der Stahlindustrie eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Arbeitgeber sind empört – haben sie recht?

Berlin – Die IG Metall bereitet sich auf harte Verhandlungen bei der kommenden Tarifrunde in der Stahlbranche vor. Ihre Forderungen haben es in sich: 8,5 Prozent Lohnerhöhung, Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich, die Fortführung der Verträge zur Altersteilzeit. Und das in Zeiten des Fachkräftemangels. Die Arbeitgeber reagieren empört, angesichts der riesigen Herausforderungen für die Branche – nämlich der Umbau auf grüne Produktion – seien die Forderungen der Gewerkschaft nicht stemmbar.

IG Metall Verhandlungsführer: Arbeitgeber haben 7000 Arbeitsplätze abgebaut

Doch im Interview mit der WirtschaftsWoche hat Verhandlungsführer Knut Giesler die Forderungen der IG Metall genauer erklärt. So müsste die Verkürzung der Arbeitszeit nicht auf einen Schlag umgesetzt werden – sondern könnte auch nach und nach, jedes Jahr ein paar Stunden weniger. „Unser Ziel ist deshalb nicht die Arbeitszeitverkürzung zum 1. Januar 2025 oder zum 1. Januar 2026. Wir wollen damit starten, wenn sich die Transformation dem Ende zuneigt. In der Vergangenheit haben Arbeitszeitverkürzungen immer vier, fünf oder sogar sechs Jahre bis zur vollständigen Umsetzung gebraucht“, so Giesler.

Damit hätte die Industrie auch Zeit, sich auf den Wandel in der Arbeitswelt vorzubereiten. Giesler stellt im Gespräch aber auch klar: Die Arbeitgeber haben den Fachkräftemangel in Teilen auch selbst zu verantworten. „Sie haben in den vergangenen drei Jahren 7000 Arbeitsplätze abgebaut. Mich ärgert es massiv, dass die Arbeitgeber jetzt klagen, dass wir mit der Forderung nach einer kürzeren Arbeitszeit den Untergang des Industrielandes hervorrufen“. Er ist aber vom Gegenteil überzeugt: „Die Vier-Tage-Woche wird die Stahlbranche stärken.“

Ein Drittel der Vollzeitbeschäftigten wollen weniger arbeiten

Über eine Verkürzung der Arbeitszeit diskutiert aber nicht nur die IG Metall. Auch die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL), fordert bei ihrer anstehenden Tarifrunde mit der Deutschen Bahn kürzere Arbeitszeiten: von 40 auf 35 Stunden pro Woche. Sie fordern eine fünf Tage Woche, zudem soll die Mindestruhezeit auf 48 Stunden erhöht werden.

Damit greifen die Gewerkschaften auch Wünsche auf, die in der breiten Bevölkerung insgesamt auf Zustimmung treffen. Im Sommer hatte eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln ergeben, dass 32,1 Prozent der befragten Vollzeitbeschäftigten ihre Arbeitszeit gerne verkürzen würden. 37,5 Prozent sagten, dass sie mit ihrer aktuellen Arbeitszeit zufrieden seien.

IG Metall
Eine IG-Metall-Fahne weht im Wind. © Daniel Bockwoldt/dpa/Daniel Bockwoldt/Symbolbild

Und auch anhand anderer Daten ist zu erkennen, dass der Wunsch nach mehr Arbeit in der breiten Bevölkerung eher wenig ausgeprägt scheint. So hatte die Bundesregierung es versucht, Arbeit über die Regelaltersgrenze hinaus attraktiver zu machen, indem die Rente damit aufgebessert würde. Doch dem Statistischem Bundesamt (Destatis) zufolge haben 2022 gerade mal 39.000 der rund 1,5 Millionen Personen, die in Rente gegangen sind, davon Gebrauch gemacht.

Auch die Zahl der Teilzeitbeschäftigten steigt immer weiter an – und immer weniger von ihnen arbeiten unfreiwillig in Teilzeit. Währen 2006 insgesamt 22,6 Prozent der Teilzeitbeschäftigten noch angaben, dass sie gerne mehr arbeiten würden, waren es 2019 nur noch 8,6 Prozent.

Damit dürfte klar sein, dass Arbeitgeber das Thema nicht einfach abtun können. Aber auch, dass der Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten nicht überall gleich hoch ist. Vermutlich wird das Angebot nach weniger Arbeitszeit in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt zu Vertragsverhandlungen genauso dazugehören wie die Gehaltsverhandlung.

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