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An der Zapfsäule boomen die Supermärkte

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Aral und Rewe haben gestern bekanntgegeben, in den kommenden Jahren an bis zu 1000 blauweißen Tankstellen Shops unter dem Namen ?Rewe ToGo? eröffnen zu wollen.
Aral und Rewe haben gestern bekanntgegeben, in den kommenden Jahren an bis zu 1000 blauweißen Tankstellen Shops unter dem Namen ?Rewe ToGo? eröffnen zu wollen. © Rolf Vennenbernd (dpa)

Nur Benzin – das reicht Deutschlands Tankstellen-Betreibern schon lange nicht mehr. Sparsamere Autos und der damit rückläufige Benzinverbrauch machen den Betreibern zu schaffen. Inzwischen gehen auch die Spritpreise runter wie Öl. Umso wichtiger wird da das Geschäft mit Hunger und Durst. Ein lukrativer Markt, in den nun auch die Lebensmittel-Kette Rewe drängt.

Vorbei sind die Zeiten, in denen Deutschlands Autofahrer beim Anblick der Spritpreis-Tafeln schlechte Laune bekamen. Für eine Tankfüllung sind schnell zehn bis 15 Euro weniger fällig als noch vor einem Jahr – den niedrigen Ölpreisen sei Dank. Mehr Geld im Portemonnaie als früher haben die Autofahrer aber nicht unbedingt, wenn sie die Tankstelle verlassen: Was sie an der Zapfsäule sparen, geben viele in den Läden aus, die mittlerweile zu fast jeder Tanke gehören. Dass die Preise für so manche Waren dort höher sind als im Supermarkt, stört offenbar die Wenigsten.

Benzin wird Nebensache

Ein Segen für die Tankstellen-Betreiber hierzulande, die – gebeutelt von stetig zurückgehenden Verbrauchswerten und deutlich gesunkenen Spritpreisen – auf zusätzliche Erlösquellen angewiesen sind. „Vom Verkauf eines Liters Benzin verbleiben beim Tankstellen-Pächter nur ein bis anderthalb Cent – der Rest sind Steuern, Abgaben und Einkaufskosten. Deshalb werden Benzin und Diesel immer mehr zum Schmierstoff für das Folge-Geschäft mit den Kunden“, berichtet der Bundesverband Tankstellen (BTG).

Und das offenbar mit Erfolg: „Beflügelt von den niedrigen Kraftstoffpreisen und der allgemein günstigen Konjunktur hat sich das Shop-Geschäft kräftig belebt“, berichtet der BTG. Dabei profitierten die Tankstellen auch nach der Ausweitung der Ladenschlusszeiten immer noch davon, dass sie auch am späten Abend noch geöffnet hätten. Rund 950 000 Euro Jahresumsatz haben laut BTG die Tankstellen mit ihrem Einzelhandels- und Gastronomie-Angebot im Durchschnitt zuletzt gemacht. Es ist für die Betreiber und Pächter längst viel lukrativer als ihr einstiges Kerngeschäft mit Benzin, Diesel und Autowäsche: Nur noch rund zwölf Prozent ihres Bruttogewinns machen sie in Deutschland laut BTG durchschnittlich damit. 60 Prozent entfallen dagegen auf den Verkauf von Artikeln für den täglichen Bedarf – vor allem Lebensmittel.

Und die sollen künftig noch viel mehr einbringen. Daran arbeiten alle führenden Mineralöl-Konzerne in Deutschland – allen voran der Marktführer Aral, der hierzulande 2500 Tankstellen betreibt. Nicht weniger als „die nächste große Evolution im Shop-Geschäft“ verspricht dessen Vorstandschef Patrick Wendeler nun. Gemeint ist damit die gestern verkündete Kooperation mit Rewe – der zweitgrößten Lebensmittel-Kette Deutschlands hinter Edeka. An bis zu 1000 blauweißen Tankstellen wollen die beiden Unternehmen in den nächsten Jahren Shops unter dem Namen „Rewe ToGo“ eröffnen. Dort sollen die Kunden nicht nur Kaffee, warme Snacks und Schokoriegel kaufen können, sondern auch frische Backwaren, Fleisch, Obst, Gemüse, Sandwiches oder Sushi. Rund 1200 Artikel umfasst den Angaben nach das Sortiment von „TOGO“.

An zehn Pilot-Tankstellen in Nordrhein-Westfalen haben die beiden Partner das speziell für Aral weiterentwickelte Rewe-Konzept zwei Jahre lang getestet. Das neue Angebot habe zu deutlich höheren Umsätzen im Shop-Geschäft geführt, berichtete Aral. Zahlen wollte die BP-Tochter gestern nicht nennen – in der Branche ist von Erlöszuwächsen von bis zu 40 Prozent die Rede. Dabei haben offenbar vor allem neue Kundengruppen Geld in die Kassen gespült: Mit dem neuen Konzept ist es uns gelungen, in deutlich größerem Umfang als bisher auch Kunden anzulocken, die in der Nähe der Tankstelle ihren Arbeitsplatz oder Wohnsitz haben und gar nicht zum Tanken an die Tankstelle fahren“, berichtete Aral-Sprecher Detlef Brandenburg im Gespräch mit unserer Zeitung.

Noch in diesem Jahr will Aral nun an 50 weiteren Standorten in Nordrhein-Westfalen Rewe-Shops eröffnen. Im kommenden Jahr sollen über 200 weitere Stationen umgerüstet werden. Bis 2021 könnten es dann an die 1000 sein, heißt es. Wie viele davon auf das Rhein-Main-Gebiet entfallen, konnte der Sprecher noch nicht sagen. Fest stehe bislang nur: Die Tankstelle müsse einen Verkaufsraum von mindestens 80 Quadratmetern bieten. Ansonsten könne das Konzept nicht realisiert werden.

Das ist auch der maßgebliche Grund dafür, warum Aral nach derzeitigem Stand nicht alle seine 2500 Tankstellen in Deutschland in die Kooperation mit einbringen will – die Mehrheit der Standorte weiterhin von Lekkerland beliefert werden soll. Nichtsdestotrotz ist die Kooperation des Großkunden Aral mit Rewe ein schwerer Schlag für den Fachgroßhändler, der rund die Hälfte seines 11,9-Milliarden Euro-Umsatzes mit Tankstellen-Shops macht.

Neue Essgewohnheiten

Aber auch Rewe steht nun mal unter Druck: Ohnehin sind aufgrund des harten Wettbewerbs die Margen im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel seit jeher sehr gering. Dazu kommen inzwischen die veränderten Essgewohnheiten der Bundesbürger: „Der Verbraucher lebt heute in einem unstrukturierten Alltag unter großem Zeitdruck und mit einem hohen Grad an Mobilität und Spontaneität“, zitiert Christoph Minhoff von der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) aus der Verbraucherstudie „Consumers’ Choice 2015“. „So sind in den vergangenen zehn Jahren über drei Milliarden Mahlzeiten aus den eigenen vier Wänden nach draußen verlagert.“ Dies habe dazu geführt, dass die Verkaufsmengen im Einzelhandel in den vergangenen Jahren stetig gesunken seien. Deshalb hat Rewe sein „TOGO“-Konzept entwickelt. Dass der Konzern damit im Tankstellen-Geschäft höhere Margen einfährt, dementierte gestern ein Sprecher gegenüber dieser Zeitung: „Wir verkaufen den Tankstellen unsere Produkte zu Großhandelspreisen“, so Sprecher Raimund Esser. „Die Gestaltung der Endpreise liegt allein bei den Betreibern.“

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